Rudolf Diesel

Solidarismus: Natürliche wirtschaftliche Erlösung des Menschen


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sind Betriebe, welche unter Ausschluß der Erzielung eines Gewinnes folgende Zwecke haben:

      1 ihre gesamten Erträgnisse ihren Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit auszuzahlen und durch richtige Organisation der Arbeit und der Güterverteilung die Einnahmen der Bienen zu erhöhen, deren Ausgaben zu vermindern und ihre materiellen Bedürfnisse vollständig und in möglichst vollkommener Weise zu befriedigen;

      2 durch soziale Einrichtungen auch für die Befriedigung der körperlichen, geistigen und sittlichen Bedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, wozu auch ein ausreichendes Maß von Lebensannehmlichkeiten gehört, möglichst vollständig zu sorgen;

      3 durch vorsorgliche Maßnahmen die Bienen und ihre Angehörigen von der Geburt bis zum Tode vor den Folgen der natürlichen Ungleichheiten (Verschiedenheit der Gesundheit, der physischen und geistigen Fähigkeiten, der Lebensdauer) und der sozialen Schädlichkeiten (Unfälle, Arbeitslosigkeit) zu schützen;

      4 nicht zum Bienenstock gehörende Brüder in möglichst großem Umfange in den Mitgenuß der aufgezählten Vorteile zu setzen.

      Zur Erreichung dieser Zwecke hat jeder Bienenstock in seinem Betrieb folgende Abteilungen:

      1 einen Produktivbetrieb zur Herstellung von Arbeitsprodukten oder für bestimmte Arbeitsleistungen;

      2 ein Tauschlager für Austausch und Verteilung der Güter;

      3 die sozialen Einrichtungen;

      4 die vorsorglichen Kassen, deren Führung und Kontrolle vertragsmäßig der Volkskasse zusteht, bzw. für welche dieselbe haftet.

      Zur Erreichung des Zwecks der Errichtung möglichst vieler Bienenstöcke vereinbaren im Volksvertrag die Brüder, regelmäßige Beiträge in eine gemeinsame Sparkasse, »Deutsche Volkskasse« oder kurzweg »Volkskasse« genannt, einzuzahlen, die angesammelten Gelder möglichst günstig anzulegen und so ein unangreifbares großes Kapital, Stammfonds genannt, zu bilden. Dasselbe wird unter Ausschluß jeder Gewinnerzielung nur zu folgenden gemeinnützigen Zwecken verwendet:

      1 für das Kapital und den Zins der Anleihen zu haften, welche von den einzelnen Brüdergruppen zur Errichtung von Bienenstöcken aufgenommen werden, und zwar unter allen Umständen, da nur dann das nötige Vertrauen bestehen kann, den Bienenstöcken größere Kapitalien zu überlassen. Zur Erhöhung des allseitigen Vertrauens wird diese Volkskasse einer behördlichen oder staatlichen Aufsicht unterstellt;

      2 für die zwischen den Bienenstöcken und ihren Bienen vereinbarten Normaleinkommen sowie Krankheits- und Unfallszuschüsse zu haften, selbst wenn die Erträgnisse des betreffenden Bienenstocks hierzu nicht ausreichen. Diese Haftung ist nur aufgehoben im Falle von Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiks, da deren Wirkungen so verheerend sind, daß der Bestand der Volkskasse gefährdet wäre, wenn sie auch hierfür haften wollte.

      Außerdem errichtet die Volkskasse aus einem Teil der Erträgnisse aller Bienenstöcke einen gemeinsamen »Anteilfonds«, aus welchem den Bienen Invaliden-, Witwen- und Waisenanteile und vom 65. Lebensjahre ab Alters- oder Seniorenanteile ausbezahlt werden.

      Die auf diesen Grundlagen errichteten Bienenstöcke übernehmen im Volksvertrag die Gegenverpflichtung, ihre Produkte den Brüdern zu »Bienenpreisen« zu liefern.

      Unter Bienenpreis ist nicht bloß der Produktionspreis allein verstanden, sondern der Preis, welcher entsteht aus der Beschaffung der Materialien, der Herstellung der Ware und der Verbringung derselben in den Verkehr, d. h. aus den gesamten Betriebskosten des Bienenstocks; es ist der wirkliche, natürliche Selbstkostenpreis.

      Ferner übernehmen die Bienenstöcke die Verpflichtung, den Brüdern alle Lieferungen und Arbeiten für die Bienenstöcke zu übertragen und dieselben in den Genuß aller Rechte und Vorteile zu setzen, welche durch das Bestehen des Volksvertrags und der Bienenstöcke vorhanden sind oder sein werden, um deren wirtschaftliche Wohlfahrt und Unabhängigkeit zu heben.

      Endlich verpflichtet sich die Volkskasse, in einem besonderen Sparkassenfonds die Gelder und Ersparnisse der Brüder und Bienenstöcke zu verwalten und denselben den vollen sich daraus ergebenden Zinsertrag auszuzahlen, selbstverständlich abzüglich der Spesen.

      Finanzen der Volkskasse.

      Der Volksvertrag enthält demnach Bestimmungen über die Finanzen der Volkskasse, über den Stammfonds, den Anteilfonds, den Sparkassenfonds und die Jahresabrechnung sowie über die Prüfung derselben durch die Organe des Staates. Die Volkskasse behält unter allen Umständen das Eigentumsrecht an allen zur Errichtung gelangenden Bienenstöcken, während die in denselben jeweils angestellten Bienen das Nutzungsrecht haben, und zwar unter den Bedingungen eines besonderen Vertrags, welcher Arbeitsvertrag der Bienenstöcke heißt und einen Teil des Volksvertrags bildet.[2] Auch sind Bestimmungen vorhanden über die Verwendung freier Kapitalien zu gemeinnützigen Zwecken. Gesonderte konfessionelle oder politische Interessen dürfen dabei nicht unterstützt werden, aus dem einfachen Grunde, weil die Volkskasse lediglich zu rein wirtschaftlichen Zwecken gebildet ist und ihre Mittel nur für solche verwenden darf.

      Der Betrieb der Volkskasse geschieht nicht zum Erwerb, sondern ausschließlich für die geschilderten gemeinnützigen Zwecke; Gewinne oder Überschüsse sind daher nicht vorhanden. Dagegen darf die Volkskasse auch keine Spesen selbst tragen und muß sich dieselben grundsätzlich ersetzen lassen.

      Verwaltung und Leitung der Volkskasse.

      Der Volksvertrag enthält ferner Bestimmungen über die Verwaltung und Leitung der Volkskasse. Die Verwaltung geschieht durch einen Ausschuß von Vertrauensleuten, welcher unter den besten und tüchtigsten, schon in reiferem Alter stehenden und erfahrenen Bienen, nach einer bestimmten Wahlordnung, von der Gesamtheit der über 25 Jahre alten Brüder auf je 5 Jahre gewählt wird. Daß dieser Ausschuß aus Bienen, d. i. Mitgliedern von Bienenstöcken bestehen muß, ist selbstverständlich, da sie nur als solche die nötigen Erfahrungen für ihr Amt gesammelt haben können.

      Die Gesamtheit dieses Ausschusses heißt der Volksrat. Die Zahl der Mitglieder desselben richtet sich nach der Zahl der dem Volksvertrag angehörenden Brüder und beträgt eines für jede halbe Million, darf jedoch unter eine gewisse Mindestzahl, etwa 9, nicht heruntergehen. Der Volksrat ist Vertreter und Bevollmächtigter der Gesamtheit der Brüder; er entscheidet in regelmäßig stattfindenden Tagungen über alle die Ausführung des Volksvertrags und die Verwaltung der Volkskasse betreffenden Angelegenheiten, über die bestmögliche Verwertung und Anlage ihres Vermögens, über die Wahl von Beamten der Volkskasse und die Errichtung von Bienenstöcken und hat bei eventuellen Differenzen in Angelegenheiten der Volkskasse und der Bienenstöcke durch kostenlosen Schiedsspruch unter Ausschluß der Gerichte zu entscheiden, jedoch stets erst nach vorhergegangenem Vermittlungsversuche. Der Volksrat hat das Recht, die Öffentlichkeit seiner Sitzungen für die Brüder zu beschließen; alle Schiedsspruchsitzungen sind von Rechts wegen öffentlich.

      Der Volksrat hat auch die Befugnis, von seinem Eigentumsrecht Gebrauch zu machen und einen Bienenstock aufzulösen, jedoch nur unter gewissen, voraus bestimmten Verhältnissen, z. B. wenn ein Bienenstock mehrere Jahre hindurch mit starken Verlusten arbeitet und damit selbst beweist, daß sein Dasein keine Berechtigung hat, oder wenn ein Bienenstock die eingegangenen Vertragsbedingungen nicht einhält oder durch Streiks und Gewaltmittel Sondervorteile erreichen will. Die Beschlüsse der Volksräte, mit Ausnahme der Wahlen und Bestellung von Beamten, werden unter Angabe der Namen und der einzelnen Abstimmungen veröffentlicht. Die Volksräte bleiben während ihrer Tagungen im vollen Bezug ihrer Einkommen aus ihren Bienenstöcken und beziehen von der Volkskasse eine Entschädigung für ihre Mühewaltung. Es ist denselben verboten, Orden und Titel anzunehmen, um in ihrer ungemein wichtigen und großen Aufgabe der Verwaltung der Volkskasse unbeeinflußt zu bleiben.

      Die eigentliche Leitung der Geschäfte der Volkskasse, d. h. die Ausführung der Beschlüsse des Volksrats, geschieht durch das Direktorium, welches