Blum Hans

Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk


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verrichten;“ es war noch Ehrgeiz in seiner Brust, denn er that sich viel darauf zu Gute, daß er der Einzige sei von allen Wächtern, der dieses Fest erlebte. Ich fragte ihn, wo er sein Bein verloren habe? er zeigte nach Leipzig und sagte mit selbstgenügsamem Witz: „dort habe ich’s gesäet, damit es keime und wachse und ich mir neue Beine holen kann, wenn dies eine alt und schwach wird. Ist’s nicht aufgegangen, lieber Herr?“ Armer Mann! begrabe deine Hoffnung, scharre deinen zerrissenen Kranz ein zu deinem Beine; du hast in ein unfruchtbares Feld gesäet. Leipzigs Auen geben die Saaten nicht vervielfältigt zurück, die man ihnen vertraute, sie liegen wie ein Lebendigbegrabener in der stillen Erde und ringen ununterbrochen den furchtbaren Kampf zwischen Tod und Leben. Wenn man einsam dahinwandert über die blutgedüngten Felder, so hört man ihr verzweifeltes Aechzen und das Blut stockt im warmen Herzen, die Nerven durchzuckt es fieberisch, und man möchte die Erstickenden befreien mit Aufopferung des eigenen Lebens. Aber ein böser Zauber hält sie gefangen, und noch ist der Glückliche nicht erschienen, der ihn zu lösen vermag. Gustav Adolf der neuen Zeit, wo weilst Du?“

      Im Gegensatz zu der Gleichgültigkeit der Spießbürger Lützens wird dann die schöne Begeisterung der Studenten und Bürger Leipzigs, ihre in Lied und Wort mächtig durchdringende patriotische Feststimmung geschildert. Daß Robert Blum selbst einen der begeistertsten Trinksprüche ausbrachte, verschweigt er bescheiden. Zum Schlusse schreibt er: „Um die Lohe der rings um das Denkmal aufgehäuften Pechfackeln schallte brausend das frohe „Gaudeamus“ als Schlußgesang zu dem lichten Nachthimmel empor. Während desselben stiegen in der Ferne zwei Raketen auf, wahrscheinlich eine Ueberraschung, die die Stadt Lützen ihren Gästen bereitet hatte!“

      Die Menge verlief sich, nur der Invalide blieb einsam an dem stillen Denkmal, welches zu wachsen schien in der dunklen Nacht, als ob es emporsteigen wolle zu den Sternen. „Wir bedürfen großer Mahlzeichen, sagte der Bischof Dräsecke, an denen wir ausruhen von großen Thaten und uns ihrer erinnern.“ Dort standen zwei Mahlzeichen vergangener kräftiger Epochen nebeneinander; das eine erhob sich siegend in der Gegenwart, obschon es zwei Jahrhunderte trug; das andere stand nur gespenstig noch aufrecht und wankte, mit nur 24 Jahren belastet, der Vergessenheit zu. Wie verschieden die Ergebnisse der Weltgeschichte sind. Der Himmel lag licht und sternenklar ausgebreitet über der Ebene und der Mond erhellte sie mit freundlichem Lichte; Sternschnuppen flogen durch die stille Nacht und berührten wie tröstende Gottesgedanken das schmerzlich zuckende Herz, tief im Innern neue Hoffnung und Zuversicht erweckend, und in die Seele tönte es wie Engelchöre, welche sangen:

      Eine feste Burg ist unser Gott,

       Ein gute Wehr und Waffen;

       Er hilft uns frei aus aller Noth,

       Die uns itzt hat betroffen.

      Wir wollen ihm vertrauen, dem Gotte der im Himmel thront und in der reinen Brust des Menschen, die nach Licht und Freiheit dürstet.

      Ehre sei Leipzigs Bürgerschaft und Universität! sie waren es, die dem Feste den Glanz verliehen, worin es prangte.

       Robert Blum.

      P. S. Ich habe das Wichtigste vergessen: es fand durchaus keine Ruhestörung Statt.“

      Bald ward der Bürgerschaft Leipzigs Gelegenheit geboten, die patriotischen Gelübde, die an dieser geweihten Stätte dargebracht worden waren, zur That werden zu lassen. Am 17. November 1837 hatten die mannhaften sieben Göttinger Professoren Dahlmann, Albrecht, Gervinus, die Gebrüder Grimm, Weber und Ewald dem Curatorium der Universität einen Protest überreicht gegen die eidbrüchige Verfassungsverletzung des Königs Ernst August von Hannover. Der Protest wurde veröffentlicht und jubelnd in ganz Deutschland begrüßt von Allen, welche Recht und Gesetz und geschworene Eide hoch hielten. Das waren unter dem allgemeinen Molluskenthum, das seit den Bundestagsbeschlüssen von 1832 an der Oberfläche unseres öffentlichen Lebens schwamm, doch einmal sieben ganze Männer! Sie wagten dem eidbrüchigen Verbrecher auf dem Throne zuzurufen: „das ganze Gelingen ihrer Wirksamkeit beruht nicht sicherer auf dem wissenschaftlichen Werthe ihrer Lehren als auf ihrer persönlichen Unbescholtenheit. Sobald sie vor der studirenden Jugend als Männer erscheinen, die mit ihren Eiden ein leichtfertiges Spiel treiben, ebensobald ist der Segen ihrer Wirksamkeit dahin. Und was würde Sr. Majestät dem Könige der Eid unserer Treue und Huldigung bedeuten, wenn er von Solchen ausginge, die eben erst ihre eidliche Versicherung freventlich verletzt haben.“

      In Leipzig namentlich fand der kühne Schritt der Göttinger Sieben wohl den begeistertsten Widerhall. Nur Hamburg und Kiel konnten sich mit Leipzig in thatkräftigem Handeln messen. So rein und naturgewaltig drang von Leipzig die Zustimmung zurück zu Dahlmann und seinen Genossen, daß, als das Schicksal des treuen „Siebengestirns“ sich erfüllt hatte, Dahlmann und Albrecht nach Leipzig ihre Augen und Schritte lenkten, als nach einer neuen Heimath. Doch schon lange ehe es soweit kam, hatte Leipzig gehandelt so kräftig und opferbereit wie keine andere Stadt. Am 7. December gaben die Liberalen Leipzigs den aus der Ständeversammlung heimgekehrten Abgeordneten ein Festmahl, das hauptsächlich Blum angeregt und zu Stande gebracht hatte. Ein kräftiges Tafellied aus seiner Feder wurde gesungen. Hier regte er mit Andern an, eine Adresse an die Sieben Göttinger zu senden. In wenigen kräftigen Worten hob sie das große Verdienst der eidestreuen Männer hervor und erregte bei Dahlmann, an dessen Adresse sie gesandt wurde, besondere Freude. Dabei begnügte sich aber Leipzig nicht. Schon am 9. December erließen hervorragende Kaufleute, Gelehrte, Buchhändler der Stadt einen Aufruf zur Zeichnung von Beiträgen für den Fall, daß „jene biedern Männer ihres Amtes verlustig gehen sollten“ und in den ersten zwölf Stunden schon hatten Reich und Arm, Jung und Alt, Männer und Frauen der Leipziger Bürgerschaft fast tausend Thaler für die Göttinger Sieben gezeichnet. Wenn Robert Blum’s Name unter diesem schönsten Zeugniß fehlt, das der Patriotismus der Leipziger Bürgerschaft in den dreißiger Jahren sich ausstellte, so sprechen doch zahlreiche Beweise dafür, daß er mit der ganzen ihm eigenen Thatkraft für die Sache der sieben Göttinger wirkte. Er hat noch manches Jahr später, als er schon der anerkannte Führer des vorgeschrittenen Liberalismus in Leipzig war, immer, wo es irgend anging, vermieden, seinen Namen an die Spitze zu stellen oder hervorzudrängen, vor Allem deßhalb, weil er sich seiner abhängigen Stellung als Theatersecretair bewußt war und mit Recht annahm, daß in den Augen des Publikums höhere Titel, die Namen gelehrter, reicher oder berühmter Männer mehr wirken würden, als der seine. Aber man braucht nur die Leipziger Allgemeine Zeitung, die Elegante Welt, das vom Abgeordneten Todt herausgegebene Adorfer Wochenblatt, und alle sonstigen Zeitungen jener Tage, auf welche Robert Blum direct oder indirect Einfluß hatte, aufzuschlagen, um zu erkennen, wie begeistert und nachhaltig er die Sache der Göttinger Sieben förderte. Hat doch auch Johann Jacoby, sein getreuer Gesinnungsgenosse, in Königsberg sich an die Spitze der Agitation und Sammlungen für die sieben tapfern Gelehrten gestellt.

      Und als dann das Erwartete geschah, und der König seinem Eidbruch den schnöden Rechtsbruch hinzufügte, die sieben Professoren am 11. December ihres Amtes enthob und sie als Verbannte in die weite Welt trieb und dann Dahlmann und nach ihm Albrecht in Leipzig ein Asyl suchten, da hat Robert Blum die armen Vertriebenen öffentlich angeredet und ihnen, umgeben von Hunderten gleichgesinnter schlichter Bürger, die trostreiche Versicherung zugerufen, daß sie nicht zu verzagen brauchten, da das Herz des ganzen deutschen Volkes mit ihnen schlage, das ganze deutsche Volk sie stütze und trage. Das war die erste öffentliche Rede Blum’s: sie galt der Anerkennung opfermuthiger Pflichterfüllung, unbeugsamer Manneswürde, der Brandmarkung rechtloser und eidbrüchiger fürstlicher Willkür.

      

      Wie tief Robert Blum die lebendige Erinnerung an die Frevelthat des Königs von Hannover und den Heroismus der Göttinger Sieben bewahrte, erhellt aus seinen Reden, Briefen und Schriften der folgenden Jahre. Als längst die öffentliche Theilnahme für das Ereigniß und seine Opfer erkaltet war, wies er immer von Neuem darauf hin. Auch das nächste Geburtstagsfest des Königs von Sachsen gedachte er zu diesem Zwecke zu benützen. Er hatte, wie gewöhnlich, den Theater-Festprolog verfaßt. „Es ist des Königs Fest“ heißt es da:

      „Des Königs, der, als in den jüngsten Tagen

       Ein ferner Sturm das Völkerheil bedroht,

       Ein Königliches Wort nur durfte