Bartholomäus von Werner

Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee


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ich abends in meinem Boote noch etwas segelte und zu der Hütte unserer Indianerfamilie kam, sah ich die beiden jungen Männer auf einem Steine sitzend in das Wasser stieren, der eine immer noch mit seinen zwei Röcken, der andere mit seinen zwei Hosen; der dreizehnjährige Junge stolzirte in seiner Jacke auf einem im Wasser liegenden großen Stein umher, beide Hände in den Seitentaschen und damit die Jacke so knapp an den Rücken holend, daß die untere nackte Partie um so besser hervortrat. Das Mädchen stand am Ufer, aber wieder mit einem Fell auf dem Rücken; der Frack ziert jedenfalls schon den alten Häuptling, welcher sich in diesem Staatskleid in seinem Wigwam wol von seinen Frauen bewundern läßt.

      Als Curiosum führe ich noch an, daß auf der „Leipzig“ in der eigentlichen Magelhaens-Straße ein Besuch der Wilden den Matrosen Veranlassung gab, ein junges Frauenzimmer in eine große Bütte mit Wasser zu setzen und sie mit Bürsten und Seife gründlich zu waschen. Sie soll nach Schluß der Wäsche ordentlich hell gewesen sein und ganz appetitlich ausgesehen haben.

      Morgens 3½ Uhr setzen wir die Reise nördlich fort, mit der Absicht gegen Abend in dem 150 Seemeilen entfernten Gray-Hafen zu ankern. Der vor uns liegende Tag schließt den schwierigsten Theil der ganzen Fahrt durch die Straßen in sich, da gerade hier zusammengedrängt die engsten Stellen liegen und ein Theil der Straße noch dazu mit sehr vielen blinden wie sichtbaren Klippen übersäet ist. Auch führt der vor uns liegende Weg durch einen langen Kanal, welcher oft mit Treibeis, welches die Navigirung erschwert, angefüllt sein soll. Die Morgenluft sieht gut aus und wir dürfen wieder auf einen schönen Tag rechnen. Schon gegen 6 Uhr morgens stehen wir vor einer der hervorragendsten Engen und sind von einer Scenerie umgeben, welche lebhaft an die der schönen norwegischen Fjorde erinnert. Das Schiff befindet sich bereits in einem ziemlich engen Kanal; vor uns liegt eine Insel, welche sich in ihrer Grundform als regelmäßiger Kegel aus dem Wasser erhebt, deren kahles Gestein nach oben zu aber stufenförmig einfällt, sodaß der Berg den Namen Treppenberg erhalten hat. Dieser mächtige Felsblock scheint den Weg zu verschließen, denn er lehnt sich von unserm Standpunkt aus gesehen direct an die hinter ihm liegenden 800-1000 m hohen Felswände an. Das Schiff macht einen Bogen nach rechts und läuft dann zurückdrehend um den Treppenberg in die sich links öffnende und immer mehr verengende Straße ein, erreicht nach Zurücklegung von etwa 3 Seemeilen die engste Stelle und steuert dann nach Passirung derselben in ein weites Wasserbecken von etwa 20 Seemeilen Breite. Hiermit ändert sich auch ganz plötzlich der Charakter unserer Umgebung. Während wir vorher zwischen hohen dunkeln Felswänden, welche mit ihren Schatten die ganze Straße beherrschten, eingekeilt waren, befinden wir uns jetzt auf freiem, von der Sonne hell beschienenen Wasser. Die Berge sind in weite Ferne gerückt, das Land in unserer Nähe wird nur durch kleine niedrige, mit dichtem Wald bewachsene Inseln repräsentirt. Das Wasser, welches vorher keine Bewohner zu haben schien, ist auf einmal reich bevölkert, die ganze Flut lebt. Große Scharen von Möven, Tauchern und Enten der verschiedensten Gattungen schweben und fliegen kreuz und quer über das Wasser hin oder sonnen sich, ruhig auf demselben schwimmend, um nur dann aufzufliegen, wenn das Schiff nahe an sie herankommt. Große Heerden von Seehunden folgen, wie in unsern Meeren die Delphine, hoch aus dem Wasser herausspringend mit eleganten Sätzen dem Schiffe. Und trotz dieses Lebens — welche Grabesstille! Bei der herrschenden Windstille kann die Takelage ihren uns so wohlbekannten Gesang nicht anstimmen; die spiegelglatte Flut ist frei von dem Geräusch sich überstürzender Wellen, welches uns sonst fast immer begleitet; alle Thiere gehen, ohne einen Laut von sich zu geben, stumm ihrer Beschäftigung nach; alles ist stumm, denn auch vom Lande her lassen weder Vögel noch anderes Gethier ihre Stimme vernehmen. Diese sonntägliche Stille wird nur unterbrochen, wenn das Schiff in zu große Nähe von Dampfschiffs-Enten kommt, welche in diesem Falle mit geräuschvollem Geplätscher das Weite suchen.

      Dieser Vogel kommt meines Wissens nur in den Gewässern der Magelhaens-Straße vor; er gehört zu den Enten, ist klein, von sehr zierlichem Bau und hat einen reizenden Kopf. Die Thierchen nehmen auf dem Wasser dieselbe Stufe wie der Strauß auf dem Lande ein, d. h. sie können nicht fliegen, sondern sind nur vorzügliche Schwimmer und Taucher. Wie der Strauß beim schnellen Lauf seine kurzen Flügel mit benutzt, so thut diese Ente dasselbe beim schnellen Schwimmen; wie die Schaufelräder eines Schiffes schlagen die kleinen unentwickelten Flügel auf und in das Wasser. Es sieht höchst possirlich aus, wenn sich eine Heerde dieser zierlichen Thiere in schnelle Bewegung setzt. Die Köpfchen sind weit aus dem Wasser gestreckt, die Flügel schlagen immer abwechselnd so schnell und kräftig auf das Wasser, daß es hoch aufspritzt, von dem Arbeiten der Füße wird das Wasser hinten ebenso wie von einer Schiffsschraube aufgeworfen. Sowol aus diesem Grunde, wie auch wol wegen ihrer Schnelligkeit, hat man ihnen ihren Namen gegeben; trotzdem wir mit 10 Knoten Geschwindigkeit gingen, liefen uns diese kleinen plätschernden Dinger doch in ziemlich raschem Tempo vorbei.

      Hier will ich auch noch eines absonderlichen Vogels erwähnen, den wir am 17. Januar an einer Stelle in der Magelhaens-Straße in großen Scharen sahen. Es ist ein ganz kleiner Wasservogel von der Größe eines Sperlings oder vielleicht besser gesagt der eines Reisvogels, weil er auch dessen Farbe hat. Da man nicht gewohnt ist, so kleine Wasservögel zu sehen, so kamen diese Thiere uns vollständig märchenhaft vor. Wir hatten uns kurz vorher mit den riesigen Walfischen beschäftigt, hatten große Möven in der Nähe, waren von mächtigen Gebirgszügen umgeben und sahen uns inmitten dieser großartigen Natur, wo alles sich in großen Dimensionen hält, nun plötzlich bei dem Einlaufen in einen großen Kessel von diesem kleinen Volk umgeben, das wie die Heinzelmännchen in zauberartiger Schnelligkeit das ganze Wasserfeld bedeckte und an der nächsten Ecke ebenso plötzlich wieder verschwand. Höchst putzig sah es aus, wenn dieses winzige Gethier von dem Schiffe aufgescheucht sich scharenweise gleichzeitig erhob, in geschlossener Truppe einen großen Bogen abflog und dann plumps! wieder regungslos auf dem Wasser saß, geradeso wie eine Heerde frecher Sperlinge, welche von einem Kirschbaum aufgescheucht schnell und ohne weiteres Besinnen sich auf dem nächsten niederläßt.

      Als wir in das freiere Wasser einsteuern, steht vor uns fern am Horizont dickes Gewölk, welches wol zu der Sorge berechtigt, ob uns das gute Wetter erhalten bleibt. Bald wird in der verdächtigen Wolkenbank ein großes uns entgegensteuerndes Schiff entdeckt, was mir zu der übermüthigen Bemerkung Veranlassung gab, daß jetzt in Betreff des Wetters nichts mehr zu befürchten sei, da es ja genug sei, wenn ein Schiff den Regen zu tragen habe; denn ich konnte gar nicht daran glauben, daß das hier so seltene herrliche Wetter nun auf einmal ein Ende haben sollte. Merkwürdig genug, daß es wirklich so kommt. Um 7 Uhr morgens passiren wir unter trübem Himmel dicht aneinander vorbei, um 8 Uhr schwimmen wir bereits wieder unter wolkenlosem Himmel und erfreuen uns eines prächtigen, windstillen Tages, während die amerikanische Corvette, mit welcher wir die übliche Höflichkeitsform des Flaggenzeigens ausgetauscht hatten, in dickem Regen hinter uns verschwindet. Da sich zur selben Zeit in unserer Nähe noch ein kleines Segelschiff, welches wahrscheinlich auf Seehundsjagd ist, befindet, so feiern wir ein gewiß seltenes Zusammentreffen in einer Gegend, wo oft monatelang kein Schiff passirt. Gegen 10 Uhr vormittags, nach Zurücklegung von etwa 30 Seemeilen seit dem Verlassen der Enge, rückt das Land allmählich wieder zusammen, und bereits um 11 Uhr steuern wir in den Wide-Kanal ein. Es ist dies ein 25 Seemeilen langer und 2-2½ Seemeilen breiter Hohlweg, welcher durch fast senkrecht aus dem Wasser aufsteigende nackte Felswände von etwa 300 m Höhe gebildet wird. Wie die ganze Magelhaens-Straße mit ihren angrenzenden Kanälen reich an Ueberraschungen ist, so stand uns auch hier eine bevor.

      Mit dem Einlaufen in diesen Kanal kamen wir plötzlich in eine ganz andere Welt. Die Landschaft, durch welche während der letzten Tage unser Weg führte, hatte gewiß einen winterlichen Anstrich, die Temperatur war verhältnißmäßig niedrig, so niedrig, daß wir trotz Sonne und Windstille Winterkleider trugen; der empfangene Eindruck mahnte aber nicht an den Winter, wir waren vielmehr uns dessen wohl bewußt, daß wir in dem Sommer einer hohen Breite waren. Jetzt treten die schneebedeckten Gipfel zurück, wir sehen nur die Felswände des Hohlwegs, welche ebenso wie die unter Windstille liegende Flut von der vor und über uns im Mittag stehenden Sonne warm beschienen werden; die Temperatur ist höher als während der letzten Tage und hält sich auf 14° R.; wir befinden uns im Hochsommer auf einer Breite, welche Heidelberg entspricht, sind heute auch leichter bekleidet und trotzdem ist der Eindruck auf Auge und Gefühl eines jeden von uns der eines schönen, sonnigen Wintertages. Die Umgebung bietet nur wenig Abwechselung,