Else Ury

Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury


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reichste Ausbeute hatte.

      Richter war als erster wieder da.

      »So – eine Mandel Eier hätten wir ergattert. Und was habt ihr?« Als Pensionsmutter duzte er natürlich seine Zöglinge.

      »Butter,« sagte Ilse verknurrt.

      »Butter? Und dann macht ihr ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter? Das sind doch mindestens anderthalb Pfund.« Er wog das Päckchen abschätzend auf der Handfläche.

      »Zwei Pfund,« warf Marlene verärgert hin.

      »Kinder, ihr berechtigt zu den schönsten Hoffnungen. Ihr werdet in unsern Hamsterbund aufgenommen. Das ist ja eine kostbare Beute.«

      »Sehr kostbar!« Wie aus einem Munde kam es. Dann sahen sich die Cousinen an, und dann lachten sie plötzlich. Und aller Ärger war verflogen.

      Allmählich stellten sich auch die andern ein. Klaus trug in einer Hand ein Ende Leberwurst, von dem er aber schon einige Male abgebissen hatte, in der andern ein rundes Bauernbrot. »So nette Leute waren es. Sie wollten durchaus kein Geld von mir nehmen, weil ich ihrem Jüngsten, der aus dem Kriege nicht wiedergekommen ist, ähnlich sehe. Und Kartoffeln können wir uns holen, einen halben Zentner.«

      »Hanne hat gesagt, es muß ein ganzer Zentner sein, sonst lohnt’s nicht.«

      »Soll sie sich gefälligst selbst aufbuckeln, mir ist ein halber gerade schwer genug. Wir holen ihn uns heute abend ab; ich habe den Sack dagelassen. Was hast du denn erwischt, he?«

      Das Schwesterlein machte ein etwas kleinlautes Gesicht. »Bloß zwei Eier – Himmel, eins hat schon einen Sprung. Die Frau hätte mir sicher eine ganze Mandel gegeben, aber da hat Vera plötzlich auf den Hahn gezeigt und gefragt: ›Wie viele Eier legen der Hahn jede Tag?‹ Ihr hättet mal sehen sollen, wie die Bauernfrau da plötzlich ihre Schürze über die Eier gebreitet hat: ›Für Ausländsche legen deutsche Hühner überhaupt nich, noch dazu, wenn sie nich mal ’n Huhn von ’nem Hahn unterscheiden können‹, hat sie wütend gerufen. Umsonst erklärte ich ihr, daß Veras Vater ja Deutscher gewesen sei, und nur ihre Mutter eine Polin. Sie blieb bei dem Patriotismus ihrer deutschen Hühner.«

      Allgemeines Gelächter folgte. »Vera darf nicht wieder mitgenommen werden« – »Vera muß einen Maulkorb bekommen,« so ging das hin und her.

      »Oh, wenn derr deutsche Huhn mich legen will keine Eierr, ich gehen zu deutscherr Schwein und lassen mirr geben Speck,« lachte die mit.

      »Ja, Speck – der fehlt uns noch! Speck wollen die Bauern nicht rausrücken. Dabei hängen ihre Räucherkammern voll. Es gibt eben kein vollkommenes Glück auf Erden,« philosophierte Richter wehmütig.

      »So! Schaut hierher! Fortuna in rosenrotem Scheine.« Damit wies Marianne auf eine zartrosa schimmernde Speckseite, die sie bisher in Margots Rucksack verborgen gehalten hatte.

      »Donnerwetter!« brachen die Jungen in Begeisterung aus. Die Freundinnen standen in stummer Bewunderung davor.

      »Hat aber auch was gekostet.« Margot schien weniger begeistert.

      »Ach, gar nicht so viel,« brüstete sich Marianne. »Bloß meinen alten Mantel habe ich ihnen dafür geschenkt. Sie wollten uns nur gegen Kleidungsstücke was geben. Und ein Paar Stiefel schicke ich ihnen noch, und Margot muß ein wollenes Kleid schicken, das ihr zu klein geworden ist.«

      »Na, ich danke« – »das ist teurer Speck« – »was wird denn eure Mutter dazu sagen« – »die haben euch aber ordentlich übers Ohr gehauen« – »die Kleidungsstücke sind doch viel mehr wert.« Der Trupp geriet in grenzenlose Aufregung.

      »Ich wollte den Speck nicht nehmen. Ich hab’ gleich gesagt, wir dürfen keine Kleidungsstücke ohne Erlaubnis unserer Eltern fortgeben. Aber Marianne wollte den Speck durchaus haben,« verteidigte sich die brave Margot weinerlich.

      »Geräucherten Speck esse ich schrecklich gern.« Marianne leckte sich mit rotem Züngelchen die Lippen. »Und der Mantel war schon zu eng. Und überhaupt – Speck ist doch viel mehr wert.« Liebevoll glitt ihr Blick an dem zarten Rosa entlang.

      »Wenn du frieren mußt, nicht.«

      »Na, Kinder, nun haben wir unsere Pflicht als Berliner Hamster redlich erfüllt. Die Rucksäcke haben wir voll und den Magen leer. Ich schlage vor, daß wir uns jetzt mal für unsere Anstrengungen belohnen und unten am Wasser Frühstücksrast machen,« meldete sich ein hungriger Primanermagen.

      Da waren sie alle einverstanden. Am blauen Havelgestade unter zartrosa Apfelblüten, die noch zarter waren als Mariannes Speck, lagerte die Hamsterbande. Dort wurde geschmaust und die Beute ehrlich geteilt. Das war nicht ganz leicht. Siebzehn Eier waren da, geteilt durch acht Hamster, da kamen auf jeden zwei.

      »Und der brave Schweppermann kriegt drei,« löste Annemarie die schwierige Frage. »Aber natürlich das angeknickte.«

      Mit Grashalmen ward gelost, wer den längsten zog. »Hurra!« Marianne war Schweppermann und bekam als Zugabe das geknickte Ei.

      Weniger einfach war es, die kostbare Butter ohne Wage zu verteilen. Am meisten Kopfzerbrechen aber machte die Berechnung. Wie sollte man sich an der Bezahlung des Specks beteiligen?

      »Einer steuert einen Ärmel, einer einen Knopf und der dritte den Stiefelabsatz dazu,« neckte Klaus.

      Man überbot sich in lustigen Vorschlägen. Schließlich durfte Marianne ihren Speck allein behalten. Denn auch Margot wollte des zu liefernden Kleides wegen durchaus nicht daran teilnehmen.

      »Wir kriegen schon noch mehr Speck, ohne mit Kleidern und Schuhen zahlen zu müssen,« trösteten sich die andern.

      Das Glück schien ihnen wirklich lächeln zu wollen. Ein Feldgrauer, mit dem sie auf der Landstraße ins Gespräch kamen und den sie um Auskunft baten, wo man nicht zu teuer Speck und Butter bekäme, meinte: »Das dritte Dorf von hier, Hauptstraße 11, wohnt die Cousine von meiner Großmutter. Rike Lehmann heißt sie. Der bestellen Sie nur einen schönen Gruß von mir, und sie soll Ihnen Schinken und Eier, Wurst und Speck recht billig geben; alles, was Sie wollen.«

      Strahlend dankten sie dem braven, uneigennützigen Mann. Klaus teilte seine letzten Zigaretten mit ihm. Dann ging’s weiter.

      Es war glutheiß auf der sonnigen, staubigen Landstraße. Die Rucksäcke fingen an unbequem zu werden. Man ging und ging, doch der Kirchturm des bezeichneten Dorfes schien immer weiter zu rücken. Ob man es aufgab? Nein – nein! Zu verlockend war es, was Frau Rike Lehmann für ihre Hamstergier hatte. Ilses neue Schuhe begannen zu brennen. Vera war total ermattet und konnte nicht weiter. Da ließ Annemarie ihre Zupfgeige erklingen. Nun ging es wieder mit frischem Mut und neuen Kräften vorwärts.

      Endlich – es war schon Vesperzeit – war das Land, wo Milch und Honig fließen sollte, erreicht. Das Dorf schien nur eine einzige Straße zu haben. Sicher mußte das die Hauptstraße sein. Wo war nun Nummer elf? Soviel man auch suchte, es gab keine Hauptstraße 11 in dem ganzen Dorf. Und eine Rike Lehmann erst recht nicht. Das ganze Dorf lief zusammen und half suchen.

      »Es hat sich gewiß jemand einen Spaß mit euch gemacht,« meinte schließlich einer der Bauern, die vor dem Wirtshaus saßen. Da lachten sie alle aus vollem Halse über die genasführten Berliner. Die aber lachten mit.

      Was schadete es, daß sie sich die Schuhsohlen umsonst nach den in Aussicht gestellten Herrlichkeiten abgelaufen hatten? Es war doch ein herrlicher Tag. Was machte es, daß sie von der nächsten Bahnstation keinen Zug mehr nach Berlin bekamen und mit einem Güterzug nach Haus befördert werden mußten? Das gab nur neuen Stoff zum Lachen.

      Schmerzlich war es bloß, daß Ilses neue Schuhe schwarz waren statt weiß, daß Mariannes mattblaues Kleid goldene Spuren des geknickten Eies aufzuweisen hatte, und daß Klaus seinen halben Zentner Kartoffeln in Stich lassen mußte, da man unmöglich noch mal den weiten Weg zurückmachen konnte.

      Solche Hamsterfahrt zur Kirschblüte war doch wundervoll.

      7. Kapitel