Monika und Veronika, und dieser stand Frau Fränze nicht mehr so starr gegenüber, wie damals der Ricardas.
Es wurde eine Feier mit allem Drum und Dran, wie es auf dem Lande üblich ist.
Es leuchtete wie Mutterstolz in den Augen Frau Fränzes auf, als ihr Blick über die Bräute und ihre stattlichen Männer ging.
Und noch heller wurde der Blick, wenn er auf der reizenden Ricarda ruhte. Es war rührend mit anzusehen, wie sie ihren Mann vergötterte, und auch er gewann diesen prächtigen Lebenskameraden mit jedem Tag lieber.
Die Ehe der Zwillinge mußte nach menschlichem Ermessen gut werden. Und wenn die jungen Ehemänner auch keine Mitgiftjäger waren, sondern ihre Frauen aus Liebe erwählt hatten, so war ihnen der Scheck nicht unangenehm, den Götterun den Zwillingen bei der Hochzeit überreichte. Der machte die beiden Paare noch zufriedener.
Dann kamen wieder stille Wochen. Draußen lag der Dezemberschnee dick und flauschig wie Watte. Die Zeit war da, wo die brutzelnden Bratäpfel sehr begehrt waren, ebenso der dampfende Grog, der in keinem Landhaus fehlen durfte. Für die Damen der aus Rotwein, für die Herren der aus Rum.
Es gab auch Fälle, wo es andersherum ging, aber in Uhlen war es vorschriftsmäßig. Mitten auf dem runden Tisch stand ein Knabberteller, ein Vorgeschmack der Weihnachtsgenüsse. Die kleinen Hunde schnarchten zu Frauchens und Herrchens Füßen, Schneeweißchen lag zusammengerollt in einem Sessel und schnurrte wie ein Spinnrad.
Michael näherte sich in seiner lautlosen Art und stellte zu dem Knabberteller einen andern, auf dem die Bratäpfel goldgelb und knusperig brutzelten. Zischend lief der dickflüssige Saft aus den Rissen und vermischte sich mit dem des Zuckers, der auf den Äpfeln glitzerte.
Ein lieblicher Duft durchzog das Gemach, der sogar bis in die Träume der Hunde drang. Schnuppernd hoben sie die Nasen, ließen sie jedoch gleich wieder sinken, weil das da oben für sie doch nicht das Richtige war.
Es schien ungemein traulich in dem Gemach – und doch waren die Menschen darin nicht so froh, wie sie es hätten sein müssen. Immer wieder gingen Frau Margas Augen bekümmert zu dem Mann hin, der heute auffallend blaß aussah. Sie hatte Angst vor Weihnachten, das in einer Woche gefeiert wurde. Wenn sich Sölve bis dahin nicht gemeldet hatte, dann wußte sie nicht, was werden sollte. Sieben Monate war sie nun schon fort – und noch immer hatten sie kein Lebenszeichen von ihr erhalten.
Man wußte wirklich nicht mehr, was man denken sollte. Wenn sich der Mann doch nur ein einziges Mal seine Not vom Herzen reden wollte! Aber kein Wort kam über seine Lippen. Sie fürchtete, Sölve überhaupt zu erwähnen, um nicht an die tiefe Herzenswunde zu rühren.
Plötzlich hob er den Kopf und lauschte wie gebannt.
»Wer das Glück nicht halten mag, der klage nicht und jammere danach. Wer den Augenblick versäumt, hat ausgeträumt, ausgeträumt –«, klang aus dem Rundfunk eine Männerstimme – und aufstöhnend barg Jobst von Götterun das Gesicht in den Händen.
»Jobst, was hast du?« rief Frau Marga erschrocken.
»Ausgeträumt – ich habe ausgeträumt –«, klang es höhnisch durch den Raum.
»Tante Marga, stelle, bitte, den Rundfunk ab –«
Nun war es still, ganz still. Und doch war es dem Mann, als höhnte die Stimme immer weiter. Er packte ihre Hände und drückte seine Augen darauf.
»Tante Marga, dieses Lied hat sie gesungen, am letzten Abend noch– so glücklich, so voll süßseliger Schelmerei. Und nun – wo mag sie sein? Warum meldet sie sich nicht? Tante Marga, ich halte dieses entsetzliche Warten nicht mehr aus.«
»Das sollst du auch nicht, mein Junge. Und daher werden wir auch nicht länger warten, sondern handeln. Wenn sie sich zwei Tage vor Weihnachten immer noch nicht gemeldet hat, dann hole ich sie. Und dann wirst du nicht mehr grübeln und klügeln, sondern wirst sie an dein Herz nehmen und glücklich sein.«
»Und wenn sie nichts mehr von mir wissen will?«
»Da kennst du Sölve schlecht! Sicherlich wartet sie darauf, daß du sie, trotz ihres Verbotes, holst. Zerquält sich ihr Herz dort, wie du dir das deine hier.«
»Wir wissen ja gar nicht, wo sie sich auflhält.«
»Das kriege ich schon heraus. Du hast weiter nichts zu tun, als vernünftig zu sein und dich und sie mit deinen Hirngespinsten nicht so unerhört zu quälen. Sonst mache ich nämlich nicht mit.«
Der Fernsprecher schlug an, hell und schmetternd wie eine Fanfare.
Frau Marga nahm das Gespräch entgegen.
»Was, Fräulein«, hörte er sie ungläubig fragen. »Wiederholen Sie, bitte –«
»Also wirklich«, lachte sie fröhlich.
»Jetzt wiederhole ich: Ein Telegramm an den Herrn Baron. Aufgegeben in Seehausen. Inhalt: Komm, dein Weihnachtsgeschenk wartet. Sölve.«
Da war er schon bei ihr, nahm ihr den Hörer aus der Hand
»Fräulein, das muß ein Irrtum
sein –!«
Aber sein Ohr vernahm genau dasselbe. Sie sahen sich beide an. Ihre Augen lachten ebenso wie ihre Herzen.
»Wann fahren wir, Tante Marga?«
»Doch nicht womöglich jetzt, am späten Abend? Wenn du sieben Monate warten konntest, dann schaffst du es auch noch ein paar Stunden.«
*
Komm, bei mir wartet das Glück,
du sorgenkranker Gesell.
Komm, bei mir wartet die Liebe,
komm schnell.
Leise summend glitt der schnittige Wagen über den festgefahrenen Schnee. Wie ein Traumland erschien der Wald
in seiner Winterherrlichkeit. Der Rauhreif glitzerte und blitzte, als hätte man die Tannen mit Christbaumschnee bestreut. Aber so kunstvoll konnte das
keine Menschenhand. Das konnte nur der große Künstler Winter zuwege bringen.
Entzückt schauten Frau Marga und Jobst in dieses Märchenland hinaus. Sie konnten sich mit Behagen dem Genuß hingeben; denn im Auto war es mollig warm, da spürte man nichts von der klirrenden Kälte da draußen.
Aber in ihren Herzen war es noch wärmer. Ging es doch nun endlich zu ihrer Bernsteinhexe, zu ihrer weißen Möwe.
Als man dem Chauffeur gesagt hatte, wohin er fahren sollte, war ein Lachen über sein Gesicht gegangen.
»Zur Frau Baronin? Das wird aber eine frohe Fahrt.«
»Wissen Sie denn, wo sie sich aufhält, Walter?«
»Jawohl, Herr Baron. Ich habe die Frau Baronin doch vor sieben Monaten nach Seehausen gefahren.«
War das die Möglichkeit! Da hatte man sich das Hirn zergrübelt, wo Sölve wohl weilen könnte, während dieser Mann, den man täglich sprach, es ganz genau wußte. Doch der treue Mensch hielt es für seine selbstverständliche Ehrenpflicht, zu schweigen.
Nach einer guten Stunde hielt man vor einem kleinen Haus, das wie in Watte versenkt stand. Zuerst kamen ihnen die beiden Hunde entgegen, die vor Freude laut jaulten. Und was tapste da durch die kleine, wohlig durchwärmte Diele? Heike, das kleine Tausendschönchen, mit einem Riesenstrauß in den dicken Patschen.
»Mädchen, du Süßes, du –!« rief der Mann überwältigt und hob sein Kind an sein Herz.
»Papi – die Oma aber auch –«
Sie sprach, wenn auch noch etwas unbeholfen, aber sie sprach. Mit dem dicken Ärmchen den Hals des Papis umfassend, reichte sie den Strauß Frau Marga hin.
»Da, Oma – weil du so lieb bist –«, sagte sie einfach, und das zweite Ärmchen umfaßte ihren Hals.
»Oh, bitte sehr, hier wohnen auch noch Leute – und was für welche