Giovanni Boccaccio

Das Dekameron


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durch Veranstaltung von Festlichkeiten bezeugte. Als dieses dem Giannotto durch einen seiner Aufseher hinterbracht ward, seufzte er tief auf: „Weh mir! Nun sind es schon vierzehn Jahre, dass ich mich in der Welt im Elende herumgeschleppt und auf nichts anderes gewartet habe. Und jetzt, da es wirklich eingetroffen ist, muss ich, damit ich ja kein Glück mehr zu hoffen haben soll, hier im Gefängnis sitzen, aus dem ich nie hoffen darf lebendig herauszukommen.“ „Nun?“ fragte der Kerkermeister, „was geht es dich an, was die großen Könige miteinander Vorhaben? Und was geht dich Sizilien an?“

      Giannotto antwortete: „Es zerreißt mir das Herz, wenn ich bedenke, wie viel meinen Vater einst Sizilien anging, von dem ich mich noch erinnere, dass er zu den Zeiten des Königs Manfred ein hoch angesehener Mann war, obwohl ich noch ein kleiner Knabe war, als ich fliehen musste.“

      „Wer war denn dein Vater?“ fragte der Kerkermeister.

      „Ich darf jetzt getrost seinen Namen nennen“, antwortete Giannotto, „da die Gefahr nunmehr vorüber ist, die ich sonst befürchten musste, wenn ich ihn entdeckt hätte. Er nannte sich, und nennt sich noch, wofern er noch lebt, Arrighetto Capace, und ich heiße nicht Giannotto, sondern Giuffredi, und ich bin versichert, wenn ich hier heraus und nach Sizilien kommen könnte, dass ich dort zu großem Ansehen gelangen würde.“

      Der gute Mann fragte nicht weiter, sondern begab sich schnurstracks zu Currado, dem er alles erzählte. Da Currado es vernahm, ließ er zwar den Kerkermeister nicht merken, dass er sich darum bekümmerte, ging aber augenblicklich zu Madonna Beritola und fragte sie im Vertrauen, ob sie von Arrighetto einen Sohn gehabt hätte, der Giuffredi hieße. Schluchzend gab sie ihm zur Antwort: Wenn der älteste von ihren beiden Söhnen noch am Leben sei, so müsse er so heißen und zweiundzwanzig Jahre alt sein.

      Als dies Currado hörte, zweifelte er nicht, dass Giannotto Giuffredi sein müsste, und es fiel ihm gleich ein, dass er in diesem Falle ihm eine große Wohltat erzeigen und zu gleicher Zeit seine eigene und seiner Tochter Schande auslöschen könnte, wenn er sie ihm zur Gemahlin gebe. Er ließ deswegen den Giannotto insgeheim zu sich kommen, fragte ihn nach allen Umständen seines bisherigen Lebens, und wie er die untrüglichsten Beweise fand, dass er wirklich Giuffredi, der Sohn des Arrighetto Capace war, sprach er zu ihm: „Giannotto, du weißt, wie groß die Beleidigung ist, welche du mir in der Person meiner leiblichen Tochter zugefügt hast, da ich dir doch so gut und so freundlich begegnete, weswegen du, wie es einem treuen Diener ziemt, meine Ehre stets hättest beschützen und fördern sollen. Mancher andere an meiner Stelle, an dem du so gehandelt hättest wie an mir, hätte dich vielleicht eines schmählichen Todes sterben lassen. Ich brachte das nicht übers Herz. Jetzt aber, da es so steht, wie du mir sagst, dass du der Sohn eines Edelmannes und einer adeligen Mutter bist, will ich deinen Qualen ein Ende machen, wofern es dein eigener Wunsch ist. Ich will dich aus dem Elend und der Gefangenschaft befreien und zu gleicher Zeit deine und meine Ehre auf eine geziemende Weise wiederherstellen. Du weißt, Spina, welche du, wiewohl auf eine für dich und sie ungeziemende Art, zur Liebe bewogen hast, ist Witwe. Ihre Aussteuer ist ansehnlich. Wer ihre Eltern sind und wie sie erzogen ist, ist dir ebenfalls bekannt. Von deiner jetzigen Lage will ich nicht reden. Wenn du es nun zufrieden bist, so bin ich entschlossen, sie, die du auf eine unehrbare Art geliebt hast, dir auf eine gesetzmäßige Weise zum ehrbaren Weibe zu geben, und du kannst mit ihr wie mein Sohn künftig bei mir haushalten, wenn es dir gefällt.“

      Die lange Gefangenschaft hatte zwar die Leibeskräfte Giannottos geschwächt, allein der adelige Geist, den er von seinen Eltern geerbt hatte, war dadurch nicht im Geringsten niedergebeugt worden, so wenig als seine aufrichtige Liebe zu seiner Gebieterin. Und so sehnlich er sich auch das wünschte, was Currado ihm antrug, so unterdrückte er dennoch nicht ein Wort von dem, was sein gerechter Stolz ihm in den Mund legte, und gab ihm zur Antwort: „Currado! Weder Ehrgeiz und Herrschsucht, noch Gier nach Geld und Gut, oder irgendein anderer Grund konnte mich je bewegen, gegen dein Leben oder gegen irgendetwas, was dein ist, einen unredlichen Anschlag zu planen. Ich habe deine Tochter geliebt, ich liebe sie noch und werde sie ewig lieben, weil ich sie meiner Liebe würdig halte. Wenn ich an ihr, nach dem Begriff des Durchschnittsmenschen, nicht anständig gehandelt habe, so beging ich eine Sünde, die die Sünde der Jugend ist und die sich nicht ausrotten lässt, solange man nicht die Jugend selbst mit ausrotten kann. Diese Sünde würde so schwer nicht scheinen, wie du und andere sie ansehen, wenn ihr Alten euch erinnern wolltet, dass ihr auch einst jung gewesen seid, und wolltet eure Fehler gegen die unsrigen, und diese wieder gegen jene gerecht abwägen. Ich habe aus Liebe gefehlt und nicht aus Bosheit. Was du mir jetzt anbietest, das war immer das Ziel meiner Wünsche, und hätte ich mir einbilden können, es würde mir gewährt werden, ich hätte es längst gesucht. Je geringer demnach meine Hoffnung war, desto werter wird mir jetzt die Erfüllung meiner Wünsche sein. Ist es dir aber nicht völliger Ernst mit deinem Anerbieten, so halte mich nicht hin mit eitlen Hoffnungen. Schicke mich zurück ins Gefängnis, wenn es dir gefällt, und überlass mich meiner Qual. Ich werde dennoch, solange ich Spina liebe, auch dich als ihren Vater lieben und ehren, du magst gegen mich handeln, wie du willst.“ Aus seiner Rede sprach eine große Seele mit glühender Leidenschaft. Currado, der ihn so reden hörte, verwunderte sich. Er gewann ihn darum nur umso lieber, stand auf, umarmte und küsste ihn und ließ ohne Aufschub in der Stille Spina gleichfalls zu sich kommen. Sie war in der Gefangenschaft bleich, mager und schwach geworden, ebenso wie Giannotto sich völlig verändert hatte, und schien nicht mehr dieselbe zu sein. Sie schlossen mit herzlicher Zustimmung und in Gegenwart Currados ihr Verlöbnis nach herkömmlicher Sitte. Nachdem Currado einige Tage lang, ohne dass jemand wusste, was vorgegangen war, ihnen beiden alles verschafft hatte, was ihnen nötig und angenehm war, schien es ihm Zeit zu sein, auch ihre Mütter zu erfreuen. Er ließ seine Gemahlin und Donna Cavriuola rufen und sprach zu der Letzteren: „Was würdet Ihr wohl sagen, Madonna, wenn ich Euch Euren ältesten Sohn wiedergäbe und ihn Euch als den Gemahl einer meiner Töchter vorstellte?“

      „Ich würde“, sprach die Cavriuola, „Euch gestehen müssen, dass, wenn ich Euch noch mehr verbunden werden könnte, als ich es schon bin, meine Verbindlichkeit gegen Euch desto größer sein würde, wenn Ihr mir das wiedergäbet, was mir viel teurer ist als mein eigenes Selbst. Wenn Ihr es mir noch dazu auf eine solche Weise wiedergäbet, wie Ihr sagt, so würdet Ihr alle meine begrabenen Hoffnungen wieder lebendig machen.“

      Hier unterbrachen die Tränen ihre Rede, und Currado sagte nun zu seiner Gemahlin: „Was hältst denn du, Frau, von einem solchen Schwiegersohn?“ „Nicht nur ein Edelmann“, antwortete sie, „sondern selbst ein Bettler würde mir willkommen sein, sobald er dir gefiele.“

      „Wohlan“, sprach Currado, „ich hoffe euch diese Freude in einigen Tagen machen zu können.“

      Er begab sich darauf zu dem jungen Paar, das bereits sein früheres Aussehen wieder erlangt hatte und standesgemäß gekleidet war. „Würde es“, fragte er Giuffredi, „die Freude, die dir geworden ist, nicht noch erhöhen wenn du deine Mutter hier fändest?“

      „Ich darf nicht hoffen“, antwortete Giuffredi, „dass sie den Schmerz über ihre vielen schweren Leiden so lange hat ertragen können, sonst würde es mir allerdings die größte Freude verursachen, zumal, da ich durch ihren guten Rat vielleicht einen Teil meiner Güter in Sizilien wiedererlangen würde.“

      Darauf ließ Currado die beiden Damen hereinkommen. Sie überhäuften beide die junge Braut mit ihren Liebkosungen und konnten nicht begreifen, durch welche Eingebung Currado bewogen worden, sie mit Giannotto zu verbinden. Allein Madonna Beritola, die sich an die Worte des Currado erinnerte, fing an, ihn zu betrachten, und eine geheime Ahnung half ihr bald in seinem Gesicht die Jugendzüge ihres Sohnes auffinden, worauf sie, ohne nach anderen Beweisen zu fragen, ihm in die Arme sank. Das Übermaß mütterlicher Zärtlichkeit und Freude erlaubte ihr nicht, ein Wort vorzubringen, sondern jedes Empfindungsvermögen verließ sie, und sie sank wie leblos in die Arme ihres Sohnes. Dieser wunderte sich zwar sehr, indem er sich erinnerte, sie oft vorher in diesem Schlosse gesehen, doch nie erkannt zu haben. Doch bald regte sich die Stimme des Blutes, und während er sich innerlich Vorwürfe wegen seiner bisherigen Unachtsamkeit machte, schloss er sie mit Tränen und zärtlichen Küssen in seine Arme.

      Als Madonna Beritola durch den liebevollen Beistand der Gemahlin des Currado und ihrer neuen