auf den wollenen Socken in der gemütlichen Bauernstube seinem Vater gegenüberzutreten.
Der stattliche Altbauer, der in jungen Jahren seinem Sohn sehr ähnlich gewesen sein mochte, erhob sich umständlich aus dem Sessel. »Bist schon wieder zurück? Schaust net grad glücklich drein!« brummte er.
Martin ließ sich in den Sessel fallen, der dem des Vaters gegenüberstand. »Setz dich bitte, Vater. Nein, ich bin net besonders glücklich. Was ich jetzt mit dir zu reden hab, tut mir weh, aber ich muß es dir dennoch sagen!«
Der alte Mann tat, worum ihn sein über alles geliebter Sohn bat. Das klang nicht gut!
»Vaterl – Marianne und ich wollen heiraten!« Martin lehnte den Kopf zurück und starrte an die Holzdecke.
»Aber Bub, das ist doch ein Grund zum Feiern! Ha, da würd ich an deiner Stell aber anders dreinschaun!«
»Wenn’s so einfach wär! Sie gibt nur ihr Jawort, wennst mir den Hof überschreibst.« Der Bursch starrte noch immer an die Decke.
Scheinbar gleichmütig zündete sich Franz Achner seine Pfeife an. »So? Ich hab geglaubt, ihr liebt euch.«
Martin sprang auf. »Ja, Vaterl, das dacht ich auch. Und wenn das Kind net unterwegs wär, glaub mir, ich tät auf das Dirndl verzichten! Aber es ist mein Sohn, den sie in ihrem Leib trägt, mein Erbe! Ich kann net zulassen, daß er bei den Gessweins groß wird – ohne Vater!«
Der Vater zog heftig an der Pfeife. Seine kräftige, schwielige Hand gebot dem Sohn, sich wieder zu setzen.
Nach einer geraumen Weile sagte er leise: »Auch wenn’s kein Sohn wird, Martl, bleibt’s am End doch dein Kind.« Er seufzte tief. »Sag der Mutter noch nix davon, sonst grämt sie sich zu arg. Nun, wenn’s denn net anders geht, du sollst den Hof haben. ’s ist eh Wurscht, ob du ihn später oder gleich übernimmst.«
»Vaterl! Du hast doch noch net einmal recht drüber nachgedacht!« erwiderte Martin fassungslos. Er wußte, daß sein Ansinnen den Vater schmerzen mußte.
Doch der alte Mann winkte nur ab, fuhr sich fahrig durch das schlohweiße Haar. »Hab ich längst, mein Sohn, hab ich längst! Meinst, ich weiß net, daß meine Knochen schon lang nix mehr taugen? Die langen grad noch fürs Altenteil, also mach dir darum keine Gedanken. Ich denk, daß wir uns dann mehr um unsre Stammgäst kümmern können und selbst in die kleine Wohnung im Anbau einziehen. Ist gscheiter, dann kannst hier schalten und walten, wie du magst.« Er stand auf, ging auf seinen unglücklich dreinblickenden Sohn zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Wann wollts denn heiraten?«
Martin umarmte den Vater dankbar, ehe er antwortete: »Ich weiß es selbst noch net genau, aber wie’s ausschaut, schon sehr bald, damit Marianne net ins Gered kommt.«
So geschah es dann auch.
*
Sie waren ein schönes Paar, die fünfundzwanzigjährige, rassige Marianne Gesswein und der achtundzwanzigjährige gestandene Bauer Martin Achner. Die kleine Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, niemand wollte sich das große Ereignis entgehen lassen. Nicht einmal das einsetzende Schneegestöber hatte die Dorfbewohner davon abhalten können.
Während er mit seiner schönen Frau an der Seite zum Altar schritt, warf Martin seiner Mutter einen dankbaren Blick zu. Er war ihr zutiefst dankbar, daß sie ihre künftige Schwiegertochter mit nachsichtigem Verständnis in ihr Haus aufgenommen hatte, obwohl sie den wahren Grund für diese überstürzte Hochzeit inzwischen kannte.
Der allseits hochverehrte Pfarrer Thalhuber hielt eine ergreifende Predigt, die die junge Frau Achner allerdings kaum in ihr Bewußtsein aufnahm.
Marianne dachte zufrieden daran zurück, wie ihr Martin in knappen Worten berichtete, daß er nun der Bauer sei und einer Hochzeit nichts im Wege stünde. Sie hatte ihn dafür mit Zärtlichkeiten überhäuft und gespürt, wie sein anfänglicher Widerstand allmählich dahingeschmolzen war. O ja, nun würde sie die Bäuerin sein, gescheites Personal einstellen und dafür sorgen, daß sie das Sagen hatte – genau wie ihre Mutter! Sie wußte genau, daß Martin sie nicht geheiratet hätte, wenn sie das Kind nicht bekommen würde. Das hatte er ihr deutlich genug gesagt!
Endlich war die Zeremonie in der Kirche vorbei. Marianne strahlte in ihrem weißen Spitzenkleid, wie es sich für eine jungvermählte Frau gebührte und Martin machte gute Miene zum bösen Spiel.
Wenn der Bursch aufrichtig mit sich ins Gericht ging, konnte er die Verbundenheit zu Marianne nicht abstreiten, denn sie waren schon seit fünf Jahren ein Liebespaar. Dennoch war seit jenem Abend etwas in ihm zerbrochen, das er nicht wieder zurückholen konnte. Freilich, das Dirndl übte mit seinen leidenschaftlichen Zärtlichkeiten noch immer einen Zauber auf ihn aus, aber tief drinnen im Herzen bohrte der Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit.
»Laßt uns nun fröhlich sein und feiern!« forderte der gutmütige Alois Gesswein die zahlreiche Gesellschaft auf, die sich im Hotel eingefunden hatte. Er hatte darauf bestanden, dem Dirndl eine aufwendige Hochzeit auszustatten, obwohl das Brautpaar eigentlich ganz in der Stille hatte heiraten wollen.
Maria Gesswein konnte sich nicht dazu überwinden, ihren Schwiegersohn herzlich in der Familie willkommen zu heißen, Sie hielt sich zurück, kümmerte sich um die Hausgäste und überließ das Feiern ihrem Loisl, der sich vor überschäumender Freude über den Familienzuwachs nicht zu fassen schien!
Das Fest erreichte seinen Höhepunkt, als es Marianne plötzlich furchtbar eilig hatte, in ihr neues Heim einzuziehen. Bis zur Hochzeit war ihr der offizielle Zutritt zum Achnerhof aus Anstandsgründen verwehrt geblieben, so mußte sie ihre Einrichtungspläne auf später verschieben. »Martl!« flüsterte sie ihrem frisch angetrauten Ehemann ins Ohr, »laß uns jetzt verschwinden!« Dabei warf sie ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, der allerdings seine Wirkung verfehlte.
Martin hatte in seiner Zerrissenheit ein bißchen zuviel Wein getrunken und war für eine Hochzeitsnacht gewiß net aufgelegt. Dennoch war er froh darüber, daß Marianne ebenfalls heim wollte, denn er sehnte sich nach diesem anstrengenden Tag nach seinem weichen Bett!
»Ja, laß uns gehn. Sonst kommt noch jemand auf die Idee, und entführt meine Frau!«
»Geh, Martl! Du hast ja zuviel getrunken! Na, an der frischen Luft wirst schon wieder klar werden!« Marianne hakte sich fest bei ihrem Mann ein und zog ihn durch das Menschengewühl zum Treppenaufgang. Hastig schlüpfte sie in ihren weißen Pelz, stülpte die Fellmütze über das kunstvoll aufgesteckte Haar und lief über den Parkplatz, auf dem der Pferdeschlitten bereits eingespannt war.
»Schau, Martl, unser Seppl hat den Schlitten schon eingespannt. Komm schnell, ich möcht gern heim!« rief sie ausgelassen wie ein kleines Mädchen.
»Du hast’s aber eilig!« brummte Martin, während er sich bemühte, möglichst aufrecht über den Parkplatz zu gehen. Er ließ sich schwer auf den hartgepolsterten Sitz fallen, ließ es geschehen, daß ihm Marianne die dicke Decke über die Knie legte und die Zügel in die Hand nahm.
Geschickt lenkte die junge Frau das edle Tier um das Dorf herum, bis sie die Abzweigung erreichten, die zum Achnerhof hinaufführte. Lächelnd bemerkte sie, daß ein guter Geist mit der Schneefräse den Weg geräumt hatte.
»Meinst, wir können gleich morgen mit dem Einrichten beginnen, Martl?« fragte sie mit einem Seitenblick auf ihren dahin dämmernden Mann.
Martin schreckte auf. »Hm?«
»Geh, Martin, so nimm dich bitt schön zusammen! Du kannst doch net schlafen, wenn ich mit dir red!« schimpfte Marianne ungeduldig.
»Was ist denn geschehen?« brachte Martin heraus, wollte seine Augen offenhalten, doch dieser Versuch mißlang ihm kläglich.
»Nix! Gar nix ist geschehen! Morgen richten wir unser Haus ein, hast mich verstanden?« Marianne schlug zornig auf den Haflinger ein, ohne darauf Obacht zu geben, daß Martin hin und her geschleudert wurde. Der wird sich umschaun! dachte sie grimmig und schlug weiter auf das arme Tier ein. Aber zuerst werd ich mit der Altbäuerin ein Wörterl reden, damit wir uns in der Kuchel net in die Quere kommen! Meinetwegen kann sie