Reinhard Pohanka

Dokumente der Freiheit


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hat zu allen Zeiten das Recht zu erfragen, warum eine Person ihrer Freiheit beraubt ist und wodurch ein Haftbefehl ausgelöst wurde.«

      Im mittelalterlichen Europa galt es als Vorrecht der Könige, Personen festnehmen zu lassen. Die Haftbefehle begannen je nach Haftgrund mit den Worten: Habeas corpus ad subiciendum (man kann die Person festhalten, um sie zum Gegenstand einer Befragung oder einer Anklage) zu machen oder mit: Habeas corpus ad testificandum (man kann die Person festhalten, um ein Zeugnis zu erlangen).

      In England missbrauchte König Karl I. (1600-1649) dieses Recht, indem er von wohlhabenden Bürgern Gelder mit der Androhung erpresste, sie bei Verweigerung der Zahlungen einkerkern zu lassen. 1641 musste Karl einem Erlass des Parlaments zustimmen, der Verhaftungen nur noch mit angemessener Begründung zuließ. Nach dem englischen Bürgerkrieg (1642–1649), der in der Hinrichtung Karls I. gipfelte, und dem Commonwealth-Regime unter Oliver Cromwell (1649–1660) kam Karl II. (1630-1685) an die Macht, der die Praxis der willkürlichen Festnahmen wieder aufnahm, wobei er seine Gegner in Gebiete außerhalb Englands bringen ließ.

      1679, in der Zeit einer Schwächeperiode seiner Herrschaft, wurde Karl II. vom Parlament gezwungen, den »Habeas Corpus Amendment Act« zu unterzeichnen. Angeklagte mussten danach innerhalb von drei Tagen ihrem zuständigen Richter vorgeführt werden, unabhängig von einer Verlegung des Gefangenen in ein anderes Gefängnis. Hohe Strafen wurden für diejenigen festgelegt, die diese Bestimmungen verletzten. Kein Einwohner Englands durfte zur Einkerkerung außer Landes gebracht werden.

      … In Hinblick darauf, dass durch Sheriffs, Kerkermeister und andere Offiziere, in deren Gewahrsam sich Untertanen des Königs wegen verbrecherischer oder angeblich verbrecherischer Angelegenheiten befinden, große Verzögerungen verursacht wurden, indem sie an sie gerichtete amtliche Vorführungsbefehle zurückschickten und einen und auch manchmal mehrere, Alias und Pluries Habeas Corpus ausstellten und durch andere Ausflüchte den willfährigen Gehorsam gegenüber solchen amtlichen Vorführungsbefehlen vermieden, was im Gegensatz zu ihrer Pflicht und den anerkannten Gesetzen des Landes steht, wodurch viele Untertanen des Königs in Fällen, wo sie auf Grund des Gesetzes gegen Bürgschaft freizulassen gewesen wären, zu ihrem großen Schaden und Verdruss im Gefängnis festgehalten wurden und fürderhin lange festgehalten werden könnten.

      Zur Vermeidung dieser Umstände und zum Zweck der schnellen Entlassung aller Personen, die wegen derartiger verbrecherischer oder angeblich verbrecherischer Angelegenheiten verhaftet wurden, wird von des Königs erhabenster Majestät, auf den Rat und mit der Zustimmung der geistlichen und weltlichen Lords und des Unterhauses in dem hier versammelten Parlament und durch dessen rechtmäßige Autorität verfügt, dass, wann immer eine oder mehrere Personen einen an einen Sheriff, Kerkermeister, Beamten oder an eine sonstige Person, in deren Gewahrsam sie sich befinden, gerichteten Habeas-Corpus-Erlass vorweisen und der besagte Erlass dem besagten Beamten überreicht oder im Kerker oder Gefängnis bei irgendeinem Unterbeamten oder Unterkerkermeister oder bei den Stellvertretern der besagten Beamten oder Kerkermeister hinterlassen wird, so müssen der besagte Beamte oder die besagten Beamten oder seine oder ihre Unter-Beamten, Unter-Kerkermeister und Stellvertreter innerhalb von drei Tagen nach der vorerwähnten Überreichung des Erlasses (sofern es sich bei der besagten Verhaftung nicht um Verrat oder Treubruch handelt und dies im Haftbefehl klar und besonders zum Ausdruck kommt) den Erlass sowie den so Verhafteten oder Eingesperrten leibhaftig zu dem oder vor den derzeitigen Lordkanzler oder Lordsiegelbewahrer von England oder die Richter oder Barone des besagten Gerichtshofes, von dem der besagte Erlass ergangen war, oder vor eine solche andere Person oder vor solche andere Personen, denen der Erlass gemäß den darin enthaltenen Vorschriften wieder zugestellt werden muss, bringen oder bringen lassen – und zwar gegen Zahlung oder Angebot der Zahlung der Unkosten der Überführung des Gefangenen (welche durch den Richter oder Gerichtshof, die sie zuerkannten, festgestellt und auf dem Erlass vermerkt werden müssen und 12 Pence pro Meile nicht übersteigen dürfen) und gegen Sicherheitsleistung durch einen von dem Gefangenen selbst in Höhe der Kosten für seine Rückführung ausgestellten Schuldschein (falls er von dem Gerichtshof oder Richter, vor den er gemäß der wahren Absicht dieses Gesetzes gebracht wird, in die Haft zurückgesandt wird) sowie gegen die Versicherung, dass er auf dem Wege keinen Fluchtversuch unternehmen werde; und sie müssen dann auch die wahren Gründe seiner Haft oder Einkerkerung bescheinigen, es sei denn, die Verhaftung der besagten Person sei an einem Orte erfolgt, der mehr als 20 Meilen von dem Ort oder den Orten entfernt ist, an dem ein solches Gericht oder eine solche Person wohnt oder wohnen wird; und wenn die Entfernung größer als 20 Meilen ist, jedoch 100 Meilen nicht überschreitet, muss dies innerhalb von spätestens 10 Tagen, wenn sie größer ist als 100 Meilen, innerhalb von spätestens 20 Tagen, nach der oben erwähnten Überreichung [des Erlasses] geschehen.

      … und wenn irgendein Beamter oder mehrere Beamte und die ihm oder ihnen unterstellten Beamten oder Kerkermeister oder ihre Stellvertreter es unterlassen oder sich weigern sollten, die vorerwähnten Wiederzustellungen zu veranlassen oder den oder die Gefangenen gemäß dem Befehl des besagten Erlasses innerhalb der für den jeweiligen Fall vorerwähnten Frist leibhaftig vorzuführen, oder wenn sie sich auf Verlangen des Gefangenen oder einer in seinem Namen handelnden Person weigern sollten, der dies verlangenden Person innerhalb von 6 Stunden eine wahrheitsgetreue Abschrift des Haftbefehls oder der Haftbefehle gegen den oder die betreffenden Gefangenen, die zu übergeben hiermit von ihnen verlangt wird, zu übergeben, so müssen alle Ober-Kerkermeister und Kerkermeister solcher Gefängnisse sowie solche anderen Personen, in deren Gewahrsam der Gefangene zurückgehalten wird, bei dem ersten solchen Verstoß 100 Pfund und bei dem zweiten 200 Pfund an den Gefangenen oder an die beschwerte Person bewirken; es muss ihnen zudem unmöglich sein, ihr besagtes Amt weiterhin innezuhaben und auszuüben; die besagten Geldstrafen werden von dem Gefangenen oder der beschwerten Person bzw. ihren Bevollmächtigten oder Verwaltern in beliebiger Form an einem königlichen Gericht in Westminster eingeklagt…

      ….Durch die vorerwähnte Autorität wird zur Verhütung von ungerechter Schikane durch wiederholte Verhaftung wegen desselben Vergehens weiterhin verordnet, dass niemand, der auf Grund eines Habeas-Corpus-Erlasses freigegeben und auf freien Fuß gesetzt wird, zu irgendwelcher Zeit danach von irgendjemandem wegen desselben Vergehens erneut eingekerkert oder in Haft genommen werden darf, es sei denn auf Grund eines gesetzmäßigen »Gerichts-« Befehles und eines Verfahrens vor dem Gerichtshof, vor dem zu erscheinen er auf Grund schriftlicher Verpflichtung gebunden ist, oder vor einem anderen zuständigen Gerichtshof, wenn irgendjemand diesem Gesetz zuwider jemanden, der auf die vorerwähnte Weise freigegeben und auf freien Fuß gesetzt wurde, wissentlich wegen desselben Vergehens oder angeblichen Vergehens erneut verhaftet oder einkerkert oder dafür sorgt oder veranlasst, dass er wieder verhaftet oder eingekerkert wird oder Hilfe oder Beistand dazu leistet, so verwirkt er – ungeachtet irgendwelcher Vorspiegelungen oder Veränderungen des oder der Haftbefehle – an den Gefangenen oder die beschwerte Person die Summe von 500 Pfund, die auf die vorerwähnte Weise einzuklagen ist.)

      Weder Karl II. noch sein Nachfolger König Jakob I. (1633-1701) schätzten die ihre Macht beschränkenden Bestimmungen des Habeas Corpus, an die sie gebunden waren. Unter Jakobs Nachfolger Wilhelm III. von Oranien (1650-1702) und seiner Frau Maria II. wurden im Zuge der Glorreichen Revolution von 1688/89 neben der allgemeinen Regelung der englischen Verfassungsverhältnisse im Sinne des künftigen Zusammenwirkens von Königtum und Parlament auch die Habeas-Corpus-Akte bestätigt. 1816 wurde sie auf Minderjährige und Geisteskranke ausgedehnt. Allerdings war man sich darüber einig, dass die Habeas-Corpus-Akte in Krisenzeiten durch einen Parlamentsbeschluss ausgesetzt werden könne.

      Die Habeas-Corpus-Akte gehört zu den Vorläufern der Virginia Bill of Rights (1776) und der französischen Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte (1789). Obwohl der niedergeschriebene Schutz zunächst weder für alle Einwohner Englands noch lückenlos galt, markierte die Habeas-Corpus-Akte eine wesentliche Stufe in der Entwicklung der Menschenrechte. Rechte im Sinn der Habeas-Corpus-Akte enthält übrigens auch das Deutsche Grundgesetz im Art. 104 Grundrechte, Absatz 2 und 3, in denen es heißt: »Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden … Jeder wegen des Verdachts einer strafbaren