Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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war ja genug vorhanden.

      »Also Sie wissen, wie ich damals den Mann aufgefischt habe?«

      »Ich weiß alles.«

      »Wie ich ihm den Kopf rasierte?«

      »Und wie Sie die sonderbare Tätowierung auf der Kopfhaut sahen.«

      »Was hat die zu bedeuten?«

      »Ja, Kapitän, da fragen Sie mich zu viel!« lachte Simmer.

      »Aber Ihnen ist es bekannt?«

      »Gewiß.«

      »Wissen Sie, wie mein schwarzer Diener Goliath von dem großen Vogelberge im polynesischen Archipel anfing …«

      »… und wie sich Ned verschnappte oder doch durch seinen Schreck verriet. Er hat alles erzählt.«

      »Ist dieser Vogelberg bewohnt?«

      »Ja. Sie können es erfahren, ich habe Ihr Ehrenwort.«

      »Ist dieser Mann im Vogelberge identisch mit dem Maharadscha?«

      »Nein, wohl aber steht er zu diesem in einem abhängigen Verhältnis. Ich will Ihnen etwas sagen, Kapitän: es existiert in der Welt eine geheime Verbrüderung von Seeleuten. Aber ehe ich Ihnen darüber etwas Näheres mitteilen kann, müssen Sie selbst dazugehören – und dann brauchen Sie wieder mich nicht.«

      »Und der Zweck dieser geheimen Verbrüderung?«

      »Ist ebenso sittlich wie der der Freimaurer. Bitte, lassen Sie sich das genügen.«

      Betreffs dessen war mir nun allerdings der Mund verschlossen, aber andere Fragen waren noch erlaubt.

      »Der Maharadscha bezieht von hier Ambra?«

      »Manchmal, obgleich er es nicht nötig hätte, er hat andere kolossale Einkünfte. Er ist wahrscheinlich der reichste Mann der Welt. Er verbraucht das Ambra wohl nur für sich selbst.«

      »Woher hat dieser Indier denn von dieser Insel im westlichen Sargassomeere Kenntnis bekommen?«

      »Das weiß ich wahrhaftig nicht. Oder aber – ich sagte es Ihnen schon vorhin – ich möchte diesen Maharadscha fast für allwissend halten.«

      »Nanu,« lachte ich, »glauben Sie an so etwas, daß ein Mensch allwissend sein kann?«

      »Ich will nicht gerade allwissend sagen, aber … Herr, halten Sie mich für einen phantastischen Träumer? Sehe ich so aus?«

      Nein, danach sah dieser Mann mit den intelligenten, offenen und dennoch energischen Zügen gar nicht aus.

      »Kommen Sie an Bord! Sie werden Dinge erleben, die Sie nicht begreifen können.«

      Ich wollte meinem neuen Freunde eine kleine Falle stellen.

      »Also der Maharadscha hat mich schon seit langer Zeit gesucht?«

      »So ist es. Seitdem Sie als der Beschützer der Lady von Leytenstone von sich reden machten, hat er sein Augenmerk auf Sie gerichtet.«

      »Und er wußte mich nicht zu finden?«

      »Sie waren ja plötzlich mit Ihrem Schiffe verschwunden.«

      »Nun, wenn dieser Oberoberbrahmane allwissend ist – oder so ziemlich, mehr weiß, als andere Menschen – wußte er denn da nicht, daß ich hier auf dieser Insel Schiffbruch erlitten hatte, daß ich mit meiner Mannschaft hier festgenagelt saß?«

      Simmer blieb plötzlich stehen und blickte mich starr an.

      »Ja, Mann, wer sagt Ihnen denn, daß er das nicht gewußt hat? Warum schickte er mich denn mit einem Male hierher, mit dem Auftrage, nachzusehen, ob an der Quelle noch alles in Ordnung sei? Von Ihrem Schiffbruche, daß ich Sie hier finden würde, davon sagte er mir natürlich nichts, das geht ja bei uns überhaupt alles so geheimnisvoll zu, das geht auch alles durch dritte und vierte Hand, der Maharadscha selbst spricht überhaupt nie, der ist eine versteinerte Statue. – Ja, Mann, habe ich Sie hier denn nicht gefunden?«

      Ich wußte nicht, was ich darauf erwidern sollte. Mir kam es fast vor, als wenn ich in meine eigene Falle gegangen wäre.

      »Für was halten Sie das?« fragte dann einmal mein Begleiter, mit seinem Arm einen Kreis beschreibend, als wolle er die ganze Insel umfassen.

      »Nun, für was soll ich das halten? Für eine Insel.«

      »Für festes Land?«

      »Was, das sollte kein festes Land sein?!« stutzte ich schon.

      »Nein. Dort der Berg wohl, aber nicht alles andere hier. Das ist nur angeschwemmter Fucus, der sich oben in Humus verwandelt hat. Auch alle diese Hügel. Graben Sie nach – im Innern finden Sie nichts weiter als vermoderten Seetang. Daß Bäume darauf gewachsen sind, das ist nur ein Zeichen, daß diese angeschwemmte Bank schon seit langen Jahren nicht gestört worden ist. Und das geht nicht etwa bis auf den Meeresgrund. Hier unter uns ist Wasser, in gar nicht so tiefer Schicht, dieses ganze vermeintliche Festland wird noch immer von den Wurzeln des Seetangs gehalten.«

      Ich bekam etwas zu hören, was ich mir auch nicht hätte träumen lassen.

      »Aber an der Küste sind doch auch Felsen, z. B. gerade dort, wo mein Schiff gesunken ist.«

      »Das ist einfach eine Rifformation, noch zu dem kahlen Berge dort gehörend. Diese Insel kann einmal vollkommen wieder verschwinden. Dazu ist nur ein außergewöhnlicher Sturm nötig, der hier allerdings selten vorkommt, oder die Wogen werden von dem vorgelagerten Seetang abgehalten. Und glauben Sie, daß man diese Insel auch künstlich mit all ihren Ambraschätzen vernichten kann?«

      »Künstlich vernichten?«

      »Ja. Man braucht nur die trockene Jahreszeit abzuwarten. Dann brennt alles wie Zunder, auch das brennbare Ambra wird verschwinden. Wer weiß, wie viele solcher Revolutionen schon im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende durch Blitzzündungen vorgekommen sind. Ich glaube sogar, der Maharadscha besitzt noch ein anderes Mittel, um diese Insel verschwinden zu lassen, denn seitdem er sie kennt, wird er niemals zugeben, daß diese Unmasse von Ambra hier abgeholt wird, wodurch zahllose Existenzen vernichtet werden.«

      Unter solchen Gesprächen verging uns die Zeit, bis wir das gesunkene Schiff erreicht hatten.

      »Das wird sich heben lassen,« meinte Simmer nach der Besichtigung, »wir haben an Bord der ›Indianarwa‹ die tüchtigsten Ingenieure und alle Hilfsmittel, um so etwas zu bewerkstelligen.«

      Bei diesen Worten fiel mir etwas ein, was ich noch vergessen hatte.

      »Sie wissen doch, wie ich das alte holländische Wrack fand, und wie es mir wieder entführt wurde.«

      »Ich weiß alles.«

      »Woher stammte das eigentlich?«

      »Hier aus der Fucusbank. Es war auf einer Untiefe eingesponnen worden, vielleicht vor 200 Jahren.«

      »Warum war es damals verlassen worden?«

      »Herr, so genau bin ich allerdings nicht in alles eingeweiht. Es wurde wohl vom Schlepptau verloren.«

      »Und was für eine Bewandtnis hat es mit dem alten Holländer, den meine Leute für den leibhaftigen Klabautermann halten? Sie haben ihn ja vorhin gesehen.«

      »Auch das weiß ich nicht. Aber da Sie an alledem selbst beteiligt sind, werden Sie, wenn Sie erst einer der Unsrigen sind, schon von kompetenter Seite Auskunft erhalten.«

      »Gut. Aber nun etwas anderes. Wissen Sie etwas von einem Dokument, das mir von meinem Schiffsarzte entwendet worden ist?«

      »Ja, das weiß ich, und auch, daß man von unserer Seite aus alle Hunde hinter diesem Doktor Selo gehetzt hat.«

      »Ist man seiner schon habhaft?«

      »Weiß ich nicht. Ich glaube kaum. Aber der entgeht uns nicht, und daß er von seinem Diebstahl, falls er die Geheimschrift zu entziffern gewußt, keinen Vorteil hat,