Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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für gut, noch einen zweiten Kater herbeizuzitieren. Doktor Selo kam. Ich lud ihn erst nachträglich ein, weil ich doch erst wissen mußte, ob uns, den Hauptpersonen, die Dame, welche das Notsignal gehißt hatte, nicht etwas Intimes mitzuteilen hatte, was kein fremdes Ohr zu hören brauchte, und daß ich den Schiffsarzt erst zum Nachtisch einlud, verstieß nicht gegen die Höflichkeitsvorschriften der Bordroutine … Es war eben nur der Schiffsarzt, und mit dem ersten Offizier hätte ich es nicht anders gemacht, so höflich ich auch sonst meine Leute behandelte.

      Des Doktors Anwesenheit wäre nicht nötig gewesen, sie änderte nichts. Dagegen erfolgte in anderer Weise eine mir sehr angenehme Unterbrechung unseres peinlichen Beisammenseins.

      Die Senorita erzählte uns gerade, wie sie wiederholt beabsichtigt habe, auf eins der ihr ab und zu begegnenden Schiffe überzusiedeln, was aber immer der bisher herrschende hohe Seegang verhindert hatte, oder es wäre mit größter Lebensgefahr verbunden gewesen, als mir gemeldet wurde, daß der ›Farewell‹ uns durch Signale zu sprechen wünsche.

      Wir begaben uns alle an Deck. Die kleine Jacht befand sich, wie wir, schon wieder in voller Fahrt. Die Flaggenreihen gingen hoch.

      »Was kostet diese Jacht? Algots,« buchstabierte ich heraus.

      Hallo, wollte der Knirps dieses niedliche Spielzeug etwa gleich kaufen? Billig war das sicher nicht.

      Ich erklärte der Spanierin, was gefragt wurde, und nachdem sie bisher ihre Jacht immer schlecht gemacht hatte, daß kein guter Span darangeblieben war, begann sie jetzt plötzlich von ihrem Schiffchen zu schwärmen, allerdings in anderer Weise, was für ein Wert darin stecke, diese Einrichtung, alles aus Ebenholz, diese Silbersachen, dieses Porzellan, diese goldgestickten Damastdecken usw.

      Drüben wurde durch die betreffende Flagge zur Antwort gedrängt.

      »Ist Ihnen die Jacht überhaupt verkäuflich?« fragte ich.

      »Gewiß! O, Santa Madonna …« wollte sie wieder zu schwärmen beginnen, doch ich ließ es nicht so weit kommen.

      »Nun, wieviel fordern Sie dafür?«

      »Wollen Sie sie kaufen? Bei Ihnen würde ich es billig machen.«

      Ich ignorierte den kokett herausfordernden Blick, und Blodwen schien ihn nicht bemerkt zu haben, obgleich das schon in den Worten gelegen hatte.

      »Nicht ich frage nach dem Preise, sondern von drüben wird gefragt.«

      »Von wem denn?«

      Sie wußte noch gar nicht, daß unser Karlemann mit hinübergefahren war. Ich sagte es ihr, ohne näher auf die Person des kleinen Seezigeuners einzugehen. (Hierbei bemerke ich, daß ich damals noch nicht ahnte, wie wir selbst bald heimatlose Seezigeuner werden sollten, nur in größerer Ausgabe.)

      »Eine Million,« lautete endlich ihr Bescheid.

      »Pennies oder Cents?« ließ sich Blodwen in spöttischem Tone vernehmen.

      Ein giftiger Dolchblick aus den schwarzen, brennenden Augen, sonst gab sie nichts zurück.

      »Eine Million Dollar.«

      Ohne zu sagen, daß das etwas sehr happig war, mochte die Einrichtung auch sein wie sie wolle, signalisierte ich diese Forderung hinüber.

      »50 000 Dollar,« kam von drüben die Antwort zurück.

      Oha, jetzt fing das Feilschen an! Und dieser deutsche Zigeunerjunge, der schon mit gewilddiebten Hasen, mit Seestiefeln und mit Mädchen gehandelt hatte, bot erst einmal den zwanzigsten Teil der geforderten Summe! Das konnte ja gut werden.

      Aber es sollte anders kommen, als ich gedacht hatte.

      »Kann Ihr Freund mir diese Summe sofort in bar zahlen?« wandte sich die Spanierin hastig an mich.

      Ich überlegte einen Moment. Die Ballerina schien bares Geld sehr nötig zu haben. Was mich aber am meisten interessierte, das war, wie dieser Junge wohl die 50 000 Dollar auftreiben wollte. Denn so, wie der es sich in Afrika vorstellte, den Häuptlingen nur immer so das Gold aus der Nase ziehen, wobei ich nämlich an den goldenen Nasenring dachte, das konnte ich mir noch nicht recht vorstellen.

      Dann bejahte ich. Das war ja seine Sache.

      »Garantieren Sie für ihn?« fragte sie da aber auch noch.

      Oho! Das freilich hatte ich nicht erwartet. Dann bejahte ich auch dies, glaubte es zu können, ohne erst einen Blick mit Blodwen zu wechseln, die mich durchaus nicht ansehen wollte.

      »Gut. Mir ist es ja durchaus nicht um das Geld zu tun, ich will nur das schreckliche Ding los sein. Sagen Sie dem Herrn, daß ich damit einverstanden bin. Wo kann ich das Geld bekommen?«

      »In Monrovia, der Hauptstadt von Liberia, wo wir in zwei Tagen sein können.«

      »Liberia, ich weiß, ich weiß. Gut. Geben Sie meine Zusage.«

      Ich tat es.

      »Mit der vollständigen Ausrüstung?« wurde drüben nochmals gefragt.

      »Ja, ja, ich will das schreckliche Ding nur los sein, und was hat denn das für mich zu bedeuten, so etwas kann ich mir selbst alle Tage kaufen.«

      »Der Handel ist giltig?« ließ Karlemann drüben signalisieren.

      »Ist unter Zeugen abgeschlossen,« gab ich zurück.

      Die Spanierin kümmerte sich nicht weiter darum, und Karlemann blieb gleich drüben, doch sein Gepäck und seinen Pudel vorläufig bei uns lassend. Er ließ jetzt die verschiedensten Segelmanöver ausführen, ich sah ihn selbst mit arbeiten.

      Auf diese Weise war der Knirps tatsächlich Besitzer einer Jacht geworden, die seinen Verhältnissen auch völlig entsprach.

      Allerdings hatte er sie erst noch zu bezahlen, aber ich hatte ja für ihn garantiert, was er noch nicht einmal wußte.

      Und ich war gesichert. Der Junge hatte da einen Handel abgeschlossen, wie er im Schiffswesen wohl kaum je vorgekommen war und nie wieder vorkommen würde. Hunderttausend Dollar war diese Jacht mindestens wert, die Jacht allein, ohne jede Einrichtung und Ausstattung, das konnte auch ich taxieren. Denn das war eben ein Meisterstück von Jachtbau, das erkannte man doch gleich an den eleganten Formen und an allem, und wie wir sie nun manövieren sahen – schnell und gelenkig wie eine Taucherente, wie eine auf die Beute schießende Möwe – – –

      Die zwei Tage, die wir noch bis nach Monrovia hatten, waren sehr bitter für mich.

      Die Tänzerin kokettierte in auffallendster, wenn nicht in unverschämtester Weise mit mir. Ich mußte gestehen, daß es ein bildschönes Weib war, alles Feuer, dabei graziös bis in die Fingerspitze. Nun wußte sie sich auch zu kleiden, und sie hatte in ihren Kisten und Koffern Garderobe in Ueberfülle mit, dazu Juwelen und anderen kostbaren Tand massenhaft.

      Da machte mich stutzig, daß sie es so auf die 50 000 Dollar abgesehen hatte; denn was ich da zu sehen bekam, war viel, viel mehr wert, ich mußte ihr wohl glauben, daß nur das eine Perlenhalsband, an dem aber ebensoviele Diamanten von Erbsengröße hingen, welches sie von einem französischen Herzog geschenkt bekommen haben wollte, allein eine Viertelmillion Dollar gekostet habe, und auch ihre sonstigen Besitzungen an Landgütern und Villen und Schlössern und Palästen, die sie mir an den Fingern herzählte, fast in aller Welt verteilt, lauter Geschenke von solchen reichen Gimpeln, die sich in die Tänzerin vernarrt hatten, kamen mir gar nicht so unwahrscheinlich vor. Doktor Selo brauchte mir gar nicht erst zu versichern, was für ein Weib diese spanische Tänzerin sei, einige Lebenserfahrung hatte ich doch auch schon.

      Aus alledem aber mußte ich eben schließen, daß sie einen ganz ausgeprägten Geschäftssinn hatte, die gehörte nicht zu denen, welche das von den Gimpeln erbeutete Geld mit vollen Händen gleich wieder ausstreuen, und mit alledem ließ sich zusammenreimen, daß sie sich für die Jacht mit nur 50 000 Dollar begnügt hatte – aber auch gleich bar unter Garantie!

      Denn wie der alte Vanderbilt gesagt hat: ich lasse die sicherste Spekulation fahren, die mir morgen eine Million einbringen kann, wenn ich schon heute dafür nur