Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Sie hätte doch schon oft genug Gelegenheit gehabt, Eifersucht zu zeigen – damals, als sie immer allein in der römischen Villa war, während ich Tag und Nacht in London herumfuhr – niemals hatte sie irgendeine solche Frage gestellt.

      Hier kam ihre grenzenlose Eifersucht zum Durchbruch, und sie hatte ja auch allen Grund dazu; denn dieses Weibsbild hatte es auf mich abgesehen, wie der Teufel auf jede sündhafte Seele und wie die Fatje Mine auf jeden Penny, und wenn sich Blodwen davon nichts merken lassen wollte, so sah ich nur um so mehr, wie sehr sie litt.

      Aber ich konnte ihr ja nicht helfen. Ich zeigte bei jeder Gelegenheit, wie gleichgültig mir das Frauenzimmer war. Nur grob konnte ich nicht werden, dazu gab sie mir keinen Grund. Als sie sich zu mir auf die Kommandobrücke gesellen wollte, machte ich sie darauf aufmerksam, daß dieses Heiligtum von keinem Fremden betreten werden dürfte, und da versuchte sie das auch gar nicht mehr.

      Aber sonst war sie immer in der aufdringlichsten Weise hinter mir her. Auch gab sie sich die möglichste Mühe, mich einmal allein zu sprechen, das war ja ganz ersichtlich, doch ist das an Bord nicht so leicht, ich brauche eben nur ein Kommando vorzuschützen, um sofort davoneilen zu können.

      Es wäre vielleicht gar nicht nötig gewesen, auf diese Kokettiererei der Spanierin so ausführlich einzugehen, da sie ja ganz erfolglos blieb. Die Hauptsache war schließlich nur die, auf welche Weise der kleine Seezigeuner, der noch eine Hauptrolle spielen wird, zu einem Schiffe kam, das ganz seinem Ideal entsprach.

      Im allgemeinen war uns sonst die Person der Spanierin nur hinderlich. Blodwen hielt sich ganz reserviert, ich mußte es desgleichen sein, so war eben, wie schon anfangs gesagt, das ganze harmonische Zusammensein gestört, und das machte sich sogar bei der Mannschaft geltend.

      Nun, es waren ja bloß noch zwei Tage, dann waren wir die Kreolin wieder los.

      Aber was für eine böse Geschichte daraus noch werden sollte, das ahnte ich damals noch nicht. Was am letzten Tage passierte, das war erst ein kleines Vorspiel dazu.

      Endlich sprach sich Blodwen mir gegenüber einmal aus.

      »Richard, ist das die vielgerühmte Freiheit, die du mir an Bord des eigenen Schiffes versprochen hast?« sagte sie klagend.

      Ich wußte, was sie meinte, und erst so versteckt zu fragen, das ist eben nicht meine Sache.

      Ja, du lieber Gott, was sollte ich aber dagegen tun?

      »Ueber Bord werfen kannst du sie doch nicht wieder.«

      »Wir hätten sie gar nicht an Bord nehmen sollen.«

      »Ich gestehe, daß dies allerdings etwas voreilig gewesen ist. Sie hat uns getäuscht. Daraus, daß sie die Notflagge hißte und gleich mit ihren Sachen ins Boot ging, mußte ich doch einen ganz anderen Grund annehmen, und nicht nur, daß es ihr auf der kleinen Jacht zu unbequem geworden war.«

      »Wir können Sie aber doch auf ein anderes Schiff bringen.«

      »Gewiß, das kannst du.«

      »Tue es. Dort ist gleich ein Dampfer in Sicht.

      Daß mir solch eine Ausweisung einer Person, die mir doch eigentlich gar nichts zuleide getan, höchst unangenehm war, läßt sich wohl denken.

      Blodwen bemerkte mein Zögern.

      »Wenn du wüßtest, Richard, wie unglücklich mich die Anwesenheit dieses Weibes macht!«

      »Sie soll wenigstens nicht mehr an unseren Mahlzeiten teilnehmen.«

      »Geht das?«

      »Es muß eben gehen. Wir, die wir außerhalb der Welt getreten sind, haben doch gar keine Rücksicht mehr nötig, und in unserer eigenen Welt sind wir allmächtig. Es kommt nur auf unser Gewissen oder doch auf unsere Feinfühligkeit an, wie weit wir diese Allmacht ausnützen wollen. Wenn ich jetzt die Spanierin auffordere, sich in ihre Kabine zu begeben, und sie nicht wieder zu verlassen, ohne irgendwelche Angabe eines Grundes, so muß sie gehorchen, und tut sie es nicht, so lasse ich sie mit Gewalt hineinbringen, und dann schließe ich sie ein, behandele sie als Gefangene, und kein Gericht der Erde kann mich später etwa wegen Freiheitsberaubung zur Verantwortung ziehen. Das ist eben wieder so ein Unterschied zwischen Land und Schiff. Wenn irgendein Fürst – natürlich denke ich hier nur an einen europäischen – seinen Diener wider dessen Willen einschließt, kann er wegen Freiheitsberaubung vor die Schranken des Gerichts zitiert werden, und er muß verurteilt werden, da helfen ihm Wappen und Krone gar nichts. Gleiches Recht für alle. Aber der Kapitän darf es, ist niemandem Rechenschaft schuldig. Wenigstens nicht für so etwas. In dieser Hinsicht steht der geringste Kapitän der elendesten Holzplanke himmelhoch über jedem König und Kaiser.«

      Blodwen mußte etwas ganz Neues zu hören bekommen haben, was ihr wohlgefiel, sie bekam wieder einmal ganz große, strahlende Augen.

      »Richard, würdest du … «

      In diesem Augenblick erscholl draußen das Gelächter der Matrosen, Händeklatschen, und wir brauchten nur in die Tür zu treten, um zu sehen, was da vorging.

      Die Matrosen hatten von Mast zu Mast ein Tau straffgespannt und trieben darauf Balancierkünste. Das hatten sie schon vorhin getan. Jetzt aber produzierte sich darauf Senorita Mercedes Calioni als Seiltänzerin, und die jetzige Ballerina mußte früher wohl wirklich eine solche gewesen sein, und … sie trug auch ein dementsprechendes Kostüm, das sich in ihrer Garderobe befunden hatte: blaue Trikots, ein rotes Korsett und eine goldene Badehose.

      Verzeihe der Leser, wenn ich für derartige Bekleidungsstücke, die zum Kostüm einer Artistin gehören, keine anderen Ausdrücke zu gebrauchen weiß. Ich hatte doch Pastor werden sollen, da brauchte ich so etwas nicht zu wissen, noch weniger vielleicht als Seemann.

      Für mich war das bunte Leibchen, welche noch viel, viel mehr sehen ließ als nur die nackten Arme, ganz einfach ein Korsett – mit welchem Ausdruck ich doch immerhin schon einige Bildung verriet – und das glänzende Ding, was sie da mehr um die Hüften und um den Unterleib als um die Schenkel hatte, war für mich ebenso einfach eine Badehose kürzester Form.

      Donner und Doria! Hatte die einen … ein Hinterteil! Und nun diese Beine, diese Schenkel!

      Und was man da sonst noch alles in natura bewundern konnte!

      Ja, das war so etwas für meine Jungens, die hatten allen Grund, so zu staunen und wohl auch zu lachen. Und wie die nun auf dem straffgespannten Seile so herumhopste, sich immer so zwischen die Beine fallen ließ, um gleich wieder auf den Füßen zu stehen Aber für Blodwen war das ganz und gar nichts. Dabei ist zu bedenken, wie schon einmal erwähnt, daß Blodwen noch nie in einem Theater, noch weniger in einem Zirkus gewesen war, also auch noch keinen Artisten und keine Artistin so mehr ganz als halbnackt gesehen hatte.

      Erst dachte ich, Blodwen wäre zur Salzsäule erstarrt. Jedenfalls glaubte sie, ihren Augen nicht trauen zu dürfen. Dann aber fand sie Worte.

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      »Un-er-hört!!«

      Die Senorita sah uns, ließ sich nicht beirren, lächelte, warf wohl gewohnheitsmäßig Kußhändchen, hopste weiter auf dem Seile herum, bei jedem Sprunge mit den blauen Beinen in der Luft herumquirlend.

      »Ich sah Ihre Leute sich im Balancieren üben,« konnte sie dabei noch ganz ruhig sagen, immer während ihrer Hopserei, »und ich bin nämlich früher Seiltänzerin gewesen – da habe ich mich schnell angezogen … «

      »Angezogen?!« echote Blodwen. »Angezogen haben Sie sich?! So ein skandalöses Frauenzimmer!! Schämen Sie sich denn nur gar nicht?! Herunter von meinem Schiffe!!!«

      Aha, jetzt ging’s los! Jetzt kamen die beiden Katzen zusammen!

      Die Ballerina war heruntergesprungen.

      »Was wollen Sie?«

      »Herunter von meinem Schiffe, herunter, herunter, herunter!!!«

      »Haben Sie denn überhaupt etwas zu befehlen?«

      »Herunter