Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Bootsflagge anzeigen. Da ahnte mir Böses.

      »Blodwen, was hast du vor?«

      »Was soll ich vorhaben?«

      »Warum willst du auf Reede liegen bleiben?«

      »Weil – weil – ich keinen fremden Menschen mehr sehen will.«

      »Und warum soll ich die Trauerflagge zeigen? Modwen, du denkst doch nicht etwa an … die Pulverkammer oder dergleichen?«

      Da blickte sie mich mit großen Augen starr an.

      »Um Gott, Richard, wessen hältst du mich für fähig?! Wegen dieses elenden Geldes soll ich unschuldige Menschenleben vernichten?«

      »Und wie denkst du über das deine?«

      »Wegen dieses elenden Geldes?« wiederholte sie.

      Nun nannte sie es wieder ›elendes Geld‹. Sie war eben unberechenbar. Doch etwas konnte ich den Widerspruch begreifen. Die Ungewißheit war es, die sie so nervös machte, und dabei handelte es sich bei ihr nicht um das Geld, sondern um die Gewalt, die man ihr antun wollte.

      Etwas beruhigt stieg ich in den achtriemigen Kutter und schoß dem Hafen zu.

      Auf dem Wege zur Bank kam ich am Hafenamt vorbei. Schnell trat ich einmal ein, fragte nach Briefen für die ›Sturmbraut‹. Ja, eine ganze Menge, aber mit dem Postboote bereits unterwegs.

      Schade! Dann war ich auf der Bank. Mit starkem Herzklopfen fragte ich nach der Geldsendung für Lady Blodwen Leytenstone.

      Denn gar viel hing für mich von der Beantwortung dieser Frage ab Mein Entschluß war felsenfest. So konnte es nicht weitergehen. Ich wollte nicht der Sklave eines launenhaften Weibes sein. Liebe hin, Liebe her – ich ging meiner Wege.

      Nur eine Ausnahme gab es, die mich zum Bleiben zwang: wenn ihr die Rente nicht nachgeschickt wurde. Ja, dann mußte ich bei ihr bleiben, das war dann meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Dann war ich es, der ihr die Suppe eingebrockt hatte, dann mußte ich diese auch mit ihr zusammen auslöffeln – und eigentlich mit ihr zusammen auch meinen eigenen Kopf gepökelt und getrüffelt aufessen.

      »Ja, für Lady Leytenstone liegen hier 31 455 Pfund Sterling in Gold.«

      So sicher ich auch meiner Sache gewesen war, so hätte ich doch laut aufjauchzen mögen. Denn ich sah mich schon im Geiste mit hochgehißter Flagge zurückrudern, und nun diese Freude Blodwens, nun war doch, wie ich sie kannte, ihre schreckliche Ungewißheit ein für allemal vorbei …

      Gleichzeitig aber gab es mir einen Stich durchs Herz, einen wirklichen, daß ich bald laut aufgeschrien hätte vor Schmerz.

      Vorbei! Der Würfel war gefallen! Jetzt kam die Auseinandersetzung, im guten oder im bösen, wie sie wollte.

      Das Geld konnte ich natürlich nicht so ohne weiteres erheben, da mußte Blodwen erst ihre Unterschrift an Bord in Gegenwart des englischen Konsuls oder sonst einer behördlichen Person geben.

      Doch um die Sache abzukürzen, legitimierte ich mich gleich. »Mister Richard Jansen, Kapitän der ›Sturmbraut‹? Das sind Sie selbst?«

      »Jawohl.«

      »Für Sie ist auch Geld deponiert, 10 000Pfund Sterling.«

      »Für mich?« staunte ich.

      »Für Sie.«

      »Von wem denn?«

      »Namenlos. Unter Chiffre, gegen Ihre Unterschrift. Desgleichen hier dieser Brief.«

      Ich quittierte und erbrach den Brief.

      »Geehrter Herr!

      Verzeihen Sie, daß ich so gewalttätig vorgehen mußte, um wieder in Besitz des mir abhandengekommenen Wracks zu gelangen. Ich deponiere für Sie und Ihre Mannschaft 10 000 Pfund Sterling Prisengeld, welche Sie gegen Ihre Unterschrift abheben wollen. Dann bitte ich Sie, den gefangenen Matrosen laufen zu lassen. Den Klabautermann, wie Ihre Leute ihn nennen, können Sie behalten. Er ist für mich wertlos. Dagegen etwas anderes ist für mich wertvoll. In der Kiste dieses sogenannten Klabautermanns werden Sie ein Pergamentpapier gefunden haben, bedeckt mit einer Geheimschrift. Wenn Sie dieses Dokument hier auf der Südafrikanischen Bank in Kapstadt deponieren, so löse ich dasselbe mit 50 000 Pfund Sterling ein, Ihnen gehörig. Geben Sie sich keine Mühe, Sie entziffern diese Geheimschrift nicht. Und wenn Sie es doch könnten, so würden Sie etwas für Sie absolut Wertloses zu lesen bekommen. Also wählen Sie: 50 Pfund Sterling oder – Gewalt! Sie werden vernünftig sein.

      Ich zeichne als

      ein noch lebender Mann,

       der aber nicht dieser Erde angehört.«

      Wie ein Taumel überkam es mich plötzlich. Die Millionen fielen mir jetzt nur so in den Schoß. Und die mir hier angebotene Million war wirklich mein! Mein!! Jetzt endlich konnte ich mein Ideal verwirklichen!

      Denn daß mein Ideal, das mir seit frühester Jugend vorgeschwebt, ganz anders ausgesehen hatte, als ich es seit drei Monaten auf der ›Sturmbraut‹ genoß, ist mir wohl begreiflich.

      Wie ich übers Heiraten dachte, habe ich schon früher einmal erwähnt. Nun war ich ja allerdings mit Blodwen nicht verheiratet, aber im Grunde genommen war es doch ganz dasselbe. Kurz und gut, ich war ein gebundener Mann, der nicht so beliebig auf Abenteuer ausgehen durfte. Wenn ich gestehe, daß ich dabei, wenn ich mir so das angenehme Leben eines freien Kapitäns vorstellte, nicht am wenigsten immer an Frauenzimmer dachte, von denen man sich aus aller Welt immer die schönsten auswählt, sie einmal für eine Reise mit an Bord nimmt, was aber nicht unbedingt nötig ist – wenn ich dies also gestehe, so stelle ich mir nur ein Zeugnis für meine Offenherzigkeit aus. Ein Philister und Mucker bin ich eben nie gewesen.

      Und nun sollten alle diese Träume doch noch in Erfüllung gehen, die Mittel dazu waren mir gegeben!

      Ich raffte mich aus meiner halben Betäubung empor. Die 10 000 Pfund erhob ich sofort, steckte das Bündel Banknoten in die Brusttasche.

      Aber draußen, wieder im Sonnenschein, da kam die Ernüchterung. Ich hatte unterwegs einen harten Kampf durchzumachen.

      So! Als ich bettelarm war, als ich ein Schiff suchte, da war mir Blodwen gut genug. Aber jetzt, da ich selbst Geld hatte, brauchte ich sie nicht mehr, da wollte ich ihr den Laufpaß geben. Pfui Deibel! Schäme dich, Richard!

      Ja, hatte ich aber nicht sowieso gehen wollen, auch schon, als ich noch gar nicht wußte, daß ich plötzlich reich war?

      Mag diese Andeutung genügen, um zu zeigen, was für ein Kampf in meinem Innern tobte. Und nun stand mir auch immer die schlanke Gestalt mit den trotzig-knabenhaften Zügen vor Augen. Denn … ich liebte sie ja doch noch!

      Da faßte ich einen neuen Entschluß. Ich wollte ihr einen Vorschlag machen. Wir mußten arbeiten. Wie ich hierüber dachte, habe ich schon früher erwähnt. Ich konnte mir ein Leben ohne Arbeit nicht denken.

      Wir mußten Fracht nehmen. Die damit verbundenen Sorgen sind nur wohltätig. Das freilich merkt man erst hinterher, wenn sie überstanden sind. Die Abenteuer, nach denen ja auch ich mich sehnte, mußten von allein kommen. Ueberhaupt, wenn man Abenteuer aufsuchen will, erlebt man ja gar keine.

      Diesen Vorschlag wollte ich ihr machen. Von ihrer Entscheidung würde es abhängen, ob wir weiter zusammenbleiben konnten oder nicht.

      Es ging zurück. An der Bordwand lehnte Blodwen.

      »Halli, hallo!!« sang sie mir jubelnd entgegen, winkte und lachte im ganzen Gesicht.

      Und ich war schon überglücklich, sie wieder einmal so fröhlich zu sehen. Im Augenblick war alles andere vergessen.

      »Siehst du, nun haben wir gar nichts mehr!« rief sie weiter herab, als das Boot noch nicht ganz heran war.

      Ich verstand sie nicht.

      »Gott sei dank, daß ich den schnöden Mammon endlich los bin.«

      Mir ebenfalls unverständlich. Da mußte sich unterdessen an Bord etwas