Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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die Erlaubnis zum Einlaufen haben, er hatte mit dem Aschantifürsten lange genug heimlich verhandelt.

      Obgleich der Wind günstig war, dauerte es noch eine gute Stunde, bis man näher an die Leuchtturminsel herangekommen war, welche kaum fünfhundert Meter von der Küste entfernt liegt, direkt vor Legala.

      Der Anblick dieses Eilandes ist ganz der von Helgoland, dem es auch an Größe gleicht: wie eine Kiste liegt es auf dem Wasser, nur die grün-rot-weißen Farben fehlen; alles zeigt ein eintöniges Schwarzgrau.

      Jäh steigen die Felsen bis zu einer Höhe von dreißig Metern empor, auf der Ostseite, an deren Rande sich auch der kleine Leuchtturm erhebt, noch höher als auf der Westseite. Aber dieser vierkantige Bau ist nicht wie Helgoland von Sanddünen umgeben, sondern von Klippen und Riffen, zwischen denen die See fürchterlich brandet, himmelhoch spritzt das Wasser, und doch sind diese Riffe der beste Schutz für das Eiland selbst, es wird dadurch nicht wie Helgoland ausgewaschen, dicht an den Felsenmauern ist das Wasser ganz ruhig, die Riffe halten eben die Gründung des Ozeans ab.

      Karlemann ließ die Segel reffen, und die Jungen arbeiteten in der Tatelage wie die Männer, wobei allerdings die Zierlichkeit von allem und jedem auf dieser Miniaturjacht in Betracht kommt. Immerhin, es klappte alles großartig, kein Seemannsauge hätte an den Manövern etwas auszusetzen gehabt.

      So trieb die Jacht in ziemlicher Nähe an der Insel langsam vorbei. Karlemann hatte immer das Fernrohr vorm Auge.

      Da kam aus der Tür des am Rande stehenden Leuchtturmes hastig ein weißgekleideter Mann gelaufen durch das Fernrohr als Neger erkenntlich.

      Der Mann hatte mit wenigen Schritten den Rand des hohen Plateaus erreicht, dort blieb er stehen, winkte, ließ eine blaue Flagge flattern, in die ein Knoten geschlungen war.

      Was sollte das? Der Leuchtturmwächter wußte doch nichts von dem Kinderschiff, glaubte, dort würde man sein Signal verstehen.

      Nun, darin irrte er sich auch nicht. Allerdings war ein Zufall dabei.

      Wie der Stenograph sogenannte Sigel hat, gebräuchliche Abkürzungen, so auch der Seemann in seiner Flaggensprache. Sie sind nicht offiziell, die Seeleute haben sie unter sich gemacht, sind so nach und nach entstanden, die Bücher, welche sie sämtlich anführen, sind eigentlich mehr Kuriositäten.

      Der zwischen Seeleuten aufgewachsene Knabe, der sonst noch nicht viel von der Flaggensprache verstand, war aber nun gerade in solchen Sigeln bewandert.

      Diese blaue Flagge mit dem Knoten bedeutete: Wir haben Fische. Wollt ihr welche?

      Diese Frage hatten Schiffe auf der Elbe ja oft genug nach dem Lande signalisiert.

      Karlemann hob den Arm und machte durch die Luft einen Strich nach unten: ja.

      Daraufhin hob der Neger die geballte Faust und schlug sie gegen seine Brust – warten, ich komme selbst! – und er verschwand vom Rande des Plateaus.

      Karlemann ließ die Segel völlig festmachen, bis die Jacht bei dem schwachen Wind fast still lag, und es dauerte gar nicht lange, so kam hinter einer Ecke ein kleines Boot hervorgerudert.

      Der Neger, ein schon bejahrter Mann, nur mit Hemd und Hose bekleidet, kletterte das ausgeworfene Fallreep hinauf.

      Beim Anblick der sechs halbwüchsigen Jungen machte er große Augen.

      »Wo ist der Kapitän?«

      »Der bin ich!« erklärte Karlemann mit Würde.

      »Ich meine deinen Vater.«

      »Den habe ich zu Hause gelassen. Diese Jacht ist der ›Knipperdolling‹, und ich, Karl Algots, bin ihr Eigentümer und Kapitän.«

      Es dauerte ziemliche Zeit, bis der alte Neger, der sich dann als ein recht gebildeter Mann erwies, es glauben wollte. Zuletzt mußte er es wohl.

      »Ist mir in meinem ganzen Leben doch so etwas noch nicht passiert!«

      »Habt Ihr Fische?«

      Der im Boot befindliche Korb mit Fischen wurde heraufbefördert.

      »Was kosten sie?«

      Der alte Mann war noch immer ganz fassungslos.

      »Könnte ich mir den Leuchtturm und die ganze Insel einmal besehen?«

      »Wozu?«

      »Weil sie mir gefällt. Vielleicht werde ich sie kaufen.«

      Der Alte starrte den Jungen mit großen Augen an. Dann brach er in ein Gelächter aus.

      »Na, was gibt’s denn da zu lachen?«

      »Weil das so komisch herauskam. Nein, diese Leuchtturminsel ist nicht zu kaufen. Wenn die zu kaufen wäre, hätten die Engländer schon längst ein Fort daraus gemacht.«

      Anstatt noch eine Frage zu stellen, griff Karlemann in sein Hemd, zog einen an einer Lederschnur hängenden Ring hervor. Es war ein außerordentlich dicker Goldreif, der einen roten Stein trug, groß wie ein kleiner Pflasterstein, in den kunstvoll ein springender Löwe graviert war.

      Vor acht Tagen noch hatte dieser Siegelring die Hand des Aschantifürsten geschmückt.

      »Kennt Ihr den Ring?«

      Wäre dieser Leuchtturmwächter ein gewöhnlicher Aschanti gewesen, so wäre er gleich auf die Knie gestürzt und hätte mit der Stirn den Boden berührt.

      Das tat dieser hier nicht, doch war sein Staunen oder mehr schon Schreck groß genug.

      »Der Saboje des Kididimo, des Makosso von Legala!!« rief er in hellem Staunen.

      »Ja, das Würdezeichen des Fürsten, dem diese Insel gehört, unter dessen Oberhoheit auch Ihr steht.«

      »Junge, wie kommst du … «

      »Wat?!«

      Dieses eine Wort genügte, der Alte verbesserte sich schnell und erschrocken.

      »Herr, wie kommen Sie zu diesem Ringe?«

      »Na, da ich selbst nach Legala will, werde ich ihn wohl nicht gestohlen haben. Ich habe ihn eben von Kididimo bekommen, um nach Legala hineingelassen zu werden, und daß dort alles gehorcht. Kididimo ist mein Freund. Werdet Ihr mir nun die Leuchtturminsel zeigen?«

      Diese Erklärung, wie Karlemann zu dem Ringe gekommen war, entsprach allerdings nicht den Tatsachen, es konnte aber recht wohl noch hinterher etwas Wahres daraus geworden sein, der Häuptling hatte mit dem Jungen ja noch genug verhandelt.

      Der Alte aber sah nur den Ring und hatte nur eines gehört.

      »Selbstverständlich, selbstverständlich,« beeilte er sich, zu versichern, »und wenn der Zutritt auch verboten wäre, weil die Insel ein Geheimnis birgt, was ja aber gar nicht der Fall ist, so müßte ich sie Ihnen doch zeigen. Wollen Sie mein Boot benutzen?«

      »Einen Hafen besitzt die Felseninsel wohl nicht?«

      »Doch.«

      »Wirklich einen Hafen?« fragte Karlemann nochmals, und es klang recht erfreut.

      »Sogar einen ausgezeichneten Hafen.«

      »In den diese Jacht einlaufen kann?«

      »Sogar ein großes Schiff. Mehr als drei gehen freilich nicht hinein.«

      »Dann bugsieren Sie mich hinein.«

      Der Leuchtturmwächter verstand gar nichts von Schiffahrt. Nur ein Boot bedienen konnte er. Er gab die Richtung an, machte auf gefährliche Stellen aufmerksam, Karlemann ließ einige Segel setzen, langsam ging es um die Insel herum.

      »In wessen Diensten stehen Sie?« fragte Karlemann einmal.

      Der Alte, namens Daniel, gab die Erklärung. Weil Legala gesperrt war, mußte auf Wunsch des allmächtigen Aschantikönigs auch diese vorgelagerte Insel für jeden Fremden unantastbar sein, und hierzu hatte das noch allmächtigere England Amen gesagt. Nur hatte der Fürst von Legala, also jetzt Kididimo, die Verpflichtung übernehmen müssen,