Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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dem Papiere, daß es für ihn keine Unmöglichkeit gab. –

      Die Hauptsache aber war doch, die kleine Jacht selbst zu beobachten.

      Sie war mehr in die Mitte des Hafens verholt worden. Man sah die fünf Jungen in der Takelage exerzieren und sehr oft sich an einer Reckstange schwingen, welche Karlemann bereits wie auf der ›Sturmbraut‹ auch hier angebracht hatte.

      An Land kam niemand wieder, nur Karlemann, der Proviant und anderes einkaufte.

      Auch an Bord durfte niemand kommen. Jeder neugierige Besuch wurde abgewiesen. Dagegen wurde der Häuptling Kididimo, der sich zweimal mit seinem schwarzen Dolmetscher übersetzen ließ, empfangen.

      »Der will durchaus den weißen Pudel haben,« hieß es; »wer weiß, was der schon dafür geboten hat.«

      Aber er bekam ihn nicht. Hinwiederum machte der Häuptling bei seiner Rückkehr immer ein vergnügtes Gesicht, konnte also doch nicht unzufrieden sein.

      Oder erfreute ihn so die Turnerei? Besonders Karlemann mußte ihm drüben an Deck immer etwas vorturnen.

      »Der hat mit dem Aschantihäuptling etwas Heimliches vor,« hieß es weiter, »wir werden schon noch erleben, wie der den wieder übers Ohr haut.«

      Es war am vierten Tage, nachdem die Jungen an Bord gekommen waren, als sich Karlemann nach einem längeren Aufenthalte an Land wieder nach seiner Jacht rudern ließ.

      Auch im Bootsrudern waren die kleinen Matrosen fleißig ausgebildet worden, doch benutzte Karlemann stets ein Mietsboot. Jedenfalls wollte er die Jungen vorläufig gar nicht wieder an Land lassen, daß sie nicht mehr mit anderen Menschen in Berührung kamen.

      Beim Näherkommen erkannte man, daß an Deck der Jacht eine Kampfszene stattfand; man hörte Geschrei, die Jungen mußten sich bei den Haaren bekommen haben.

      Als das Boot noch einen Meter weit von der Jacht entfernt war, stand Karlemann mit dem Sprunge einer Katze schon an Deck.

      Richtig, es fand ein Zweikampf statt zwischen dem großen Bären und dem kleinen Igel. Der fünfzehnjährige Emil Bolle vertobakte den bald zwei Kopf kleineren Fritz nach allen Regeln der Boxkunst, dieser verbiß sich in den überlegenen Gegner, nun aber schlug Emil von unten auf ihm immer ins Gesicht. Das Blut floß reichlich.

      Die anderen drei standen als Zuschauer herum, doch schien es, als wären auch sie beteiligt gewesen, hatten die Kämpfenden wahrscheinlich trennen wollen, und standen erst tatenlos da, als sie ihren Kapitän sich über die Bordwand schwingen sahen, während die Streitenden in ihrer Erregung ihn nicht bemerkten.

      »Ruhe an Bord!!« donnerte Karlemann, soweit eine Kinderstimme donnern kann.

      Doch die beiden ließen nicht voneinander ab.

      »Wart – ick – will – dir – lernen!« heulte der große Bär, jedes Wort mit einem Faustschlag begleitend.

      Da lagen beide plötzlich im Wasser. Karlemann hatte eine Messingstange des Geländers zurückgeschlagen, ein Schieben, ein kräftiger Stoß, und die beiden waren vom Deck verschwunden gewesen.

      Prustend tauchten sie wieder auf. Beide Spreejungen konnten schwimmen. Sie blickten nach oben, suchten ein Tau.

      Aber das, welches Karlemann soeben benutzt hatte, war von diesem schon eingeholt worden, und sie erblickten den kleinen Kapitän, wie er gleich einem Jupiter an Deck stand und mit dem ausgestreckten Arm nach dem Lande deutete.

      Das Boot, mit dem er gekommen, hatte bereits den Rückweg angetreten.

      »Schwimmt an Land!«

      Die beiden schienen schon zu wissen, was ihnen bevorstand, sie machten im Wasser unsagbar klägliche Gesichter.

      »Herr Kapitän …,« erklang es flehend.

      »Schwimmt an Land! An Bord meines Schiffes kommt ihr mir nicht wieder. Ihr seid entlassen.«

      »Der Emil fing an,« sprudelte Fritz jammernd hervor.

      »Der Fritz hatte mir einen Eimer Wasser auf den Rücken gegossen,« winselte der große Bär.

      »Ich tat’s nicht mit Absicht,« verteidigte sich der kleine Igel.

      »Nichts da,« erklang es von oben unerbittlich zurück. Ihr kennt die Bedingungen. Wer Streit anfängt fliegt über Bord, ob nun im Hafen oder mitten auf Meere. Schwimmt an Land oder ersauft.«

      Da wandten sich die beiden, schwammen dem Lande zu. Sie mochten wissen, daß hier nichts mehr zu hoffen war.

      Einige Sekunden blickte ihnen Karlemann nach, dann wandte er sich an die drei anderen, welche wie die geknickten Sünder dastanden.

      »Seht ihr sie?«

      »Ja, Herr Kapitän,« wurde gemurmelt.

      »Da schwimmen sie nun hin. Wenn sie das Land betreten, sind sie wieder so wie damals, ohne Stiefel. Sind es nicht Narren? Unten haben sie die Kisten voll Sachen, aber sie bekommen nichts von mir, keinen Pfennig. Das habe ich mit euch ausgemacht. – Wie entstand der Streit?«

      Wie Emil es schon gesagt hatte.

      »Warum habt ihr sie nicht getrennt?«

      Sie hatten es versucht, es war ihnen nicht gelungen.

      »Ihr seid genau so schuld wie die anderen.«

      Karlemann zog eine silberne Bootsmannspfeife hervor, ein trillernder Pfiff mit endigendem Signal, es erreichte noch das Ohr der Schwimmer, die sich schon gut hundert Meter entfernt hatten, sie blicken zurück, Karlemann winkte, und eiligst, mit ungeschwächter Kraft schwammen sie zurück.

      »Diesmal will ich noch Gnade für Recht ergehen lassen, das nächstemal gibt es so etwas nicht mehr,« empfing er die triefenden Jungen. »Aber Strafe muß sein. Hein, hole die Pulle – aber die grüne.«

      Es mußte ein schreckliches Wort gewesen sem, das der Kapitän da ausgesprochen hatte. Zusammen knickten sie nicht gerade, es waren doch Matrosen, die keine Angst zeigen durften, aber so einen kleinen Hexenschuß schienen sie doch alle zu bekommen! Die Wirkung dieser Worte war auch in ihren Gesichtern zu lesen, sie machten plötzlich alle schiefe Mäuler; der eine schüttelte sich schon.

      Hein war unter Deck gegangen, kam mit einem Gläschen und einer dickbauchigen Flasche zurück, die zur Hälfte mit einer grünen Flüssigkeit angefüllt war.

      »Nach Nummern angetreten!«

      Sie traten an, zugleich der Größe nach, Karlemann füllte das Gäschen. Jeder der drei Zuschauer bekam eins zu trinken, Fritz mußte zwei, Emil als Hauptattentäter sogar drei hintereinander leeren.

      Es mußte ein schreckliches Zeug sein. So mannhaft die Jungen sein wollten, so zogen sie doch furchtbare Grimassen, schüttelten sich, und Emil hatte sich schon beim zweiten Gläschen wie ein Wurm gekrümmt, für das dritte schien seine Kraft nicht mehr zu reichen.

      »Trink!«

      »Ich kann nicht mehr, Herr Kapitän,« ächzte der Gemarterte.

      »Dann verläßt du sofort mein Schiff!«

      Da leerte er auch noch das dritte Likörgläschen, und zu verwundern war, daß er dann nicht in krampfhaften Zuckungen hinstürzte.

      Jetzt füllte Karlemann das Glas noch einmal und leerte es selbst, ohne eine Miene zu verziehen, mit anscheinendem Wohlbehagen.

      »Aaahhh. Ich weiß gar nicht, was ihr wollt, das schmeckt doch delikat. Nun ja, etwas bitter: aber gesund. Wer jeden Tag so ein Gläschen trinkt, der kriegt niemals das Fieber und wird hundert Jahre alt.«

      Wenn man nur gewußt hätte, was das eigentlich war. Hier lag unbedingt ein Geheimnis vor.

      Ehe der ›Knipperdolling‹ nach der Mitte des Hafens verholt worden war, hatte der Kapitän die Wassertanks auspumpen, scheuern und mit frischem Wasser füllen lassen. Aber dies schmeckte auch wieder bitterlich, ogleich nicht so wie zuerst, da sich die frühere Mannschaft darüber beklagt hatte.

      Zuerst