Henryk Sienkiewicz

Historische Romane von Henryk Sienkiewicz


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Hundsbrut in Strömen fließen, so uns Gott hilft.«

      »So uns Gott hilft!« wiederholten einige Stimmen.

      »Auf nach Szczytno!«

      »Blut muß fließen!«

      Und die Flamme der Leidenschaft loderte hoch empor in den Herzen der Masuren. Zähneknirschend, mit gerunzelter Stirne und blitzenden Augen standen sie da. Doch nach wenigen Augenblicken verstummten diese Rufe, diese Zornesausbrüche, und aller Augen richteten sich auf Jurand.

      Diesem aber glühten die Wangen, wie wenn die ehemalige Rachsucht, die ehemalige Kampfeslust wieder in ihm erwacht sei. Er richtete sich empor und begann von neuem die Wand zu betasten. Den Mannen dünkte, daß er sein Schwert suche, doch seine Finger berührten das Kreuz, das von Pater Kaleb an die frühere Stelle gehängt worden war.

      Er nahm es zum zweiten Mal herab, dann überzog Totenblässe sein Antlitz, er wendete sich gegen die Mannen und die leeren Augenhöhlen emporrichtend, hielt er das Kruzifix in die Höhe.

      Ein tiefes Schweigen folgte.

      Draußen senkte sich schon der Abend hernieder, durch die offenen Fenster drang das Gezwitscher der Vögel, die sich auf dem Söller der Burg und auf den Lindenbäumen im Hofe zur Ruhe niederließen. Die letzten Strahlen der Sonne erfüllten das Gelaß mit rötlichem Glanze, sie fielen auf das erhobene Kreuz und die weißen Haare Jurands.

      Sucharz, der Schmied, blickte zuerst Jurand, dann seine Gefährten an, schaute zum zweiten Mal auf Jurand, bekreuzte sich schließlich und verließ auf den Fußspitzen die Stube. Nach ihm entfernten sich die andern ebenso geräuschlos. Erst als sie im Hofe angelangt waren, blieben sie stehen und begannen miteinander zu flüstern:

      »Was soll nun geschehen?«

      »Können wir gen Szczytno ziehen, was meint Ihr?«

      »Er hat ja seine Einwilligung nicht gegeben!«

      »Er stellt Gott die Rache anheim. Offenbar ist auch innerlich eine vollständige Veränderung mit ihm vorgegangen.«

      Und so war es in der That!

      Bei Jurand in der Stube waren indessen nur Pater Kaleb, sowie der alte Tolima zurückgeblieben, zu denen sich dann noch Jagienka und Anielka gesellten. Diese hatten eine Schar bewaffneter Mannen über den Hof schreiten sehen und kamen nun, um zu erfahren, was vorgehe.

      Jagienka, die kecker und selbstbewußter war als die Tochter der Sieciechowa, trat zu Jurand heran.

      »Gott stehe Euch bei, Ritter Jurand,« sagte sie. »Wir sind es – wir, die Euch aus Preußen hierhergebracht haben.«

      Bei dem Klange ihrer jugendfrischen Stimme verklärte sich sein Gesicht. Offenbar erinnerte er sich noch genau all dessen, was auf der Landstraße von Szczytno vorgegangen war, denn er versuchte zu danken, indem er mit dem Kopfe nickte und einige Male die Hand aufs Herz legte. Und sie erzählte ihm, wie sie ihn getroffen hatten, wie er von dem Böhmen Hlawa, dem Knappen des Ritters Zbyszko erkannt, und wie er schließlich nach Spychow gebracht worden war. Auch sagte sie, daß sie und ihr Gefährte dem Ritter Macko aus Bogdaniec, Zbyszkos Oheim, das Schwert, den Helm und den Schild nachzutragen pflegten, daß dieser Ritter aus Bogdaniec aufgebrochen sei, um seinen Bruderssohn aufzusuchen, daß er sich jetzt nach Szczytno begeben habe, nach drei oder vier Tagen aber wieder nach Spychow zurückkehren wolle.

      Bei der Erwähnung von Szczytno geriet zwar Jurand nicht in die gleiche Erregung wie das erste Mal auf der Landstraße, doch drückte sich große Bestürzung aus seinem Gesichte aus. Jagienka versicherte ihn indessen, daß Ritter Macko ebenso schlau wie tapfer sei, daß er sich auch nicht so leicht in eine Falle locken lasse, und daß er außerdem Briefe von Lichtenstein in Händen habe, mit denen er sich überall unbekümmert zeigen könne.

      Diese Worte beruhigten Jurand sichtlich. Es war offenbar, daß er gern nach vielen anderen Dingen gefragt hätte und im Innern unsäglich litt, weil er sich außer stande dazu fühlte. Das scharfsinnige Mädchen bemerkte dies sofort und sagte: »Wenn wir häufiger beisammen sind, werden wir uns gut verständigen können.«

      Nun lächelte er, streckte tastend die Hand nach ihr aus und legte sie auf ihr Haupt, wie wenn er sie segnen wolle. In der That war er ihr sehr dankbar, aber außerdem that ihm auch ihr jugendfrisches Wesen wohl, und er fand Gefallen an ihrem Geplauder, das ihn an das Gezwitscher eines Vogels erinnerte.

      Von dieser Zeit an suchte er nach ihr, wenn er nicht betete – und er betete ganze Tage hindurch – oder nicht in Schlummer versenkt war, befand sie sich aber nicht bei ihm, so sehnte er sich nach ihrer Stimme und gab auf jede Weise dem Pater Kaleb, sowie Tolima zu erkennen, daß er den liebwerten Jüngling in seiner Nähe zu haben wünsche. Sie kam dann sofort, da ihr redliches Herz aufrichtiges Mitleid mit ihm fühlte und ihr zudem bei ihm die Zeit rascher verging, während sie auf Macko wartete, dessen Aufenthalt in Szczytno sich unerwarteter Weise in die Länge zog.

      Nach drei Tagen hatte er zurückkehren wollen, aber der vierte und fünfte Tag waren schon vorüber. Am sechsten gegen Abend wollte das von Angst gequälte Mädchen gerade Tolima bitten, einige Mannen zur Kundschaft auszuschicken, als plötzlich von der Wächter-Eiche die Meldung kam, daß zwei Reiter sich Spychow näherten.

      Nach wenigen Augenblicken erscholl der Hufschlag von Pferden auf der Zugbrücke und Hlawa mit einem der Mannen aus Mackos Gefolge sprengte in den Vorhof ein. Jagienka, die schon zuvor aus ihrer Stube hinuntergeeilt war und draußen im Freien wartete, lief auf ihn zu, bevor er noch von seinem Rosse absteigen konnte.

      »Wo ist Macko?« fragte sie mit klopfendem Herzen.

      »Zu Knäs Witold ist er gezogen, und Euch läßt er gebieten, hier zu bleiben,« antwortete der Knappe.

      Sechstes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Als Jagienka erfuhr, daß sie auf Mackos Geheiß in Spychow bleiben müsse, vermochte sie eine Weile vor Verwunderung, Schmerz und Zorn kein Wort hervorzubringen; mit weit aufgerissenen Augen schaute sie den Böhmen an, der wohl begriff, welch unangenehme Kunde er ihr überbrachte, und daher sagte: »Ich möchte Euch auch gerne Mitteilung von dem machen, was wir in Szczytno gehört haben, denn neue, wichtige Dinge wurden uns berichtet.«

      »Und handelt es sich um Zbyszko?«

      »Nein, nur um Vorgänge in Szczytno – wißt Ihr –«

      »Ich verstehe. Der Knabe mag die Pferde absatteln. Kommt Ihr mit mir!«

      Nachdem sie dem Knaben die nötigen Befehle erteilt hatte, ging sie mit Hlawa in die Burg.

      »Warum hat Macko uns verlassen? Weshalb sollen wir in Spychow bleiben und weshalb seid Ihr zurückgekehrt?« fragte sie in einem Atem.

      »Ich bin zurückgekehrt,« entgegnete Hlawa, »weil der Ritter Macko es mir geboten hat. Gar zu gern wäre ich in den Krieg gezogen, aber ein Befehl ist ein Befehl. Der Ritter Macko sprach zu mir: ›Kehre zurück; die Jungfrau aus Zgorzelic sollst Du beschützen und warten, bis Nachricht von mir eintrifft. Möglicherweise – sprach er – mußt Du sie nach Zgorzelic geleiten, denn allein können sie nicht zurückkehren‹.«

      »Um Gotteswillen! Was ist vorgefallen? Hat man Jurands Tochter aufgefunden? Ist Macko nicht wegen Zbyszko, sondern nur wegen Danusia in die Ferne gezogen? Hast Du sie gesehen? Mit ihr gesprochen? Weshalb hast Du sie nicht hierher geführt und wo befindet sie sich jetzt?«

      Als er diese Flut von Fragen vernahm, beugte Hlawa die Knie vor der Maid und sagte: »Möge die gnädige Herrin mir nicht zürnen, weil ich nicht alle Fragen zugleich beantworten kann, denn dies geht nicht an. Doch will ich eine nach der andern beantworten, falls ich dazu im stande bin.«

      »Gut. Hat man sie gefunden oder nicht?«

      »Nein, aber man hat endlich sichere Kunde, daß sie in Szczytno gewesen ist, und daß man sie wahrscheinlich in eine der östlichen Burgen gebracht hat.«

      »Weshalb