Christine Strobl

Menschen, die Geschichte schrieben


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die 1587 in Frankfurt am Main im Druck erschien und auf dem Buchmarkt schnell zu einem internationalen Bestseller wurde.2 Innerhalb von nur sechs Jahren erfuhr die Historia nicht weniger als 14 Auflagen und wurde mit jeder neuen Drucklegung stets erweitert und ergänzt. Sehr schnell wurde sie überdies in Übersetzungen herausgebracht, erschien bald auf Englisch, Dänisch, Niederländisch und Französisch und erfreute sich ganz offenbar so großer – oder auch so unheimlicher – Popularität, dass die Obrigkeit in Städten wie Straßburg, Basel oder Tübingen sich bald veranlasst sah, dagegen vorzugehen und das Buch zu verbieten.

      Das genau bedeutet ja im Wortsinn „Renaissance“: Wiedergeburt. Und genau aus diesem Grund ist das Erkennungsmal am Körper Alexanders so entscheidend, die Warze, anhand derer ihn der Kaiser identifiziert. Nur wer nämlich von derlei intimen Körpermalen weiß, ist mit dem Überlieferten offensichtlich so vertraut, dass er eine solche Genealogie in Anspruch nehmen kann. Die Identifikation des Anderen dient zur Identifizierung des Selbst, so dass die Ankunft des Neuen als Abkunft vom Alten dargestellt wird. Das aber zeigt nicht nur den Mythos der Renaissance, sondern überhaupt das Mythische schlechthin. Sich mit dem, was von alters her erzählt wird, zu identifizieren, sich im Hergebrachten zu spiegeln und darin immer wieder und zumal in Krisenzeiten vergewissern zu können, unsere je aktuelle Selbstverständigung also dadurch zu gewinnen, dass wir auf vorrätige Figuren, Bilder und Geschichten zurückgreifen und sie in unseren Dienst stellen: Das verstehe ich als Leistung des Mythos, und das leistet für die Renaissance das große Repertoire der antiken Überlieferungen. Alexander der Große steht hier gewiss nur als ein Repräsentant dieses großen Zusammenhangs von Texten und Figuren, die aus dem Altertum in die Neuzeit ragen und die immer wieder neu und programmatisch anzueignen sind. Die Frage also, die wir im Zusammenhang mit Faustus untersuchen müssen, lautet: Welche Rolle spielt dabei die Magie? Was leistet seine Zaubermacht für dieses Programm?

      HEILIGE UND GOTTLOSE

      Faustus ist ja seinerseits ein Mythos der Renaissance, aber ein höchst sonderbarer. Wie wir in der Historia lesen, bietet seine Beschwörungsmacht auf kaiserlichen Wunsch die Chance, die Selbstpositionierung der höchsten weltlichen Autorität zu zeigen und damit den Renaissancekaiser als Wiedergänger eines großen Vorfahren zu inszenieren. Andererseits lässt gerade die Historia keinen Zweifel, dass solcherlei Beschwörungen als Schwarze Kunst und Teufelsspuk zutiefst verdammungswürdig sind. Wir sind, wie gesagt, im dritten Teil der Geschichte, der, wie die Überschrift ankündigt, mit Faustens schrecklichem Tod endet. Doch schon bevor wir überhaupt mit der Lektüre dieser Lebensschilderung beginnen, stellt der Titel der Historia alles klar:

      Historia von D. Johann Fausten / dem weitbeschreyten Zauberer vnnd Schwartzkünstler / Wie er sich gegen dem Teuffel auff eine benandte Zeit verschrieben / Was er hierzwischen für seltsame Abentheuwer gesehen / selbs angerichtet vnd getrieben / biß er endtlich seinen wol verdienten Lohn empfangen.