Leni Behrendt

Leni Behrendt Box 1 – Liebesroman


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Sorge, ich halte schon durch.«

      Das tat sie denn auch in bewundernswerter Haltung. Keiner der Gäste wäre auf den Gedanken gekommen, daß die liebenswürdig lächelnde Gastgeberin so voller Angst und Sorge war. Der Gatte ließ sie nicht aus den Augen, weil er fürchtete, daß sie jeden Augenblick in sich zusammensinken könnte.

      Und Edzard? Nun, der war ganz der Sohn seiner beherrschten Eltern. Er tanzte, lachte und scherzte – und dabei war ihm so erbärmlich zumute.

      *

      Als Edzard nach dem Ende des ­Festes das Schloß betrat, tat er es schleichend wie ein Dieb. Nur jetzt nicht noch dem Vater Rede und Antwort stehen müssen, erst einmal mit sich selbst fertig werden.

      Allein, das sollte ihm nicht vergönnt sein. Denn die Wohnzimmertür öffnete sich, und der Senior stand auf der Schwelle.

      »Auf ein Wort, Edzard.«

      »Hat das nicht Zeit bis morgen?«

      »Nein, das hat keine Zeit«, kam es unwillig zurück. »Gekniffen wird hier nicht, mein Lieber.«

      Wenig später stand der Sohn dann dem Vater gegenüber, der ohne Umschweife begann:

      »Setzen wir uns. Und dann möchte ich auf meine Fragen klipp und klare Antworten haben. Erkläre mir, was Doro damit meinte, daß du ihr – die Treue – und das Herz – brachst. Denn schließlich wurde das Mädchen gerade erst siebzehn Jahre alt – und ist außerdem in ihrer ganzen Entwicklung zurückgeblieben. Du hast doch nicht etwa mit diesem Kind…«

      »Ich habe gar nichts!« brauste Edzard jetzt dazwischen. »Für wie geschmacklos hältst du mich eigentlich!«

      Danach war es erst einmal beklemmend still, dann fragte der Vater kurz:

      »Und was war das für eine – Dame –, die diese obskure Schratz uns so mir nichts, dir nichts ins Haus brachte? Kanntest du sie?«

      »Ja.«

      »Woher?«

      »Von meiner letzten Reise.«

      »Dann hast du…«

      »Ja, ich habe.«

      »Ja, sag mal, mein Sohn, schämst du dich denn gar nicht, mit so einer zwielichtigen Person – anzubändeln? Nun sehe ich endlich klar. Sie ist dir hierher gefolgt, um dich an dein Versprechen zu mahnen.«

      »Unsinn!« schnitt der Sohn dem Vater schroff das Wort ab. »Ich habe gar nichts versprochen, dafür bin ich viel zu vorsichtig der Weiblichkeit gegenüber. Es wäre auch alles halb so schlimm, wenn Doro uns nicht nachgeschlichen wäre und unser Gespräch belauscht hätte –«

      »Großer Gott, auch das noch!« stöhnte Bertram gepeinigt auf. »Junge, mit dieser Kokette hast du dir dein ferneres Leben zerstört. Sieh mich nicht so verständnislos an – es ist zum Wahnsinnigwerden!«

      Und dann brach es aus ihm heraus, alles das, was er mit seinem Freund Sander geplant und erhofft. Schonungslos eröffnete er dem Sohn, wie es um Rautenau stand – und ganz blaß hörte dieser zu.

      »Na, wenn das keine niederschmetternde Eröffnung ist!« lachte er dann auf, so hart, so rauh, so voll bitterster Verzweiflung, daß dem Vater das Herz brechen wollte vor Jammer. Doch ehe er noch etwas sagen konnte, war der Sohn schon hinausgestürmt…

      Und somit endete das herrliche, unbekümmerte Leben des Herrensöhnchens Edzard Sölgerthurn.

      *

      Es gab nun Wochen verzweifelter Angst und Not. Und nicht nur in der Villa, sondern auch im Schloß.

      Und wenn man so sagt, daß ein Mensch sich über Nacht verändern kann, dann traf das bei Edzard Sölgerthurn voll und ganz zu. Denn aus dem strahlenden »Götterknaben« war ein Mann geworden – ein Mann, der über Nacht das Lachen verlernt zu haben schien. Und hatte er sich früher nie um den landwirtschaftlichen Betrieb gekümmert, so tat er es jetzt mit Verbissenheit. Gönnte sich weder Rast noch Ruh, bis es selbst dem sehr tüchtigen Verwalter zuviel wurde.

      »Herr Graf, das ist ja nun wohl übertrieben«, sagte er an einem Tag, dabei besorgt in das Gesicht seines jungen Gebieters sehend, das sich in den vergangenen Wochen so sehr verändert hatte. Schmal war es geworden, hart und kantig. Die Augen, die einst so gestrahlt, blitzten jetzt wie kalte Kiesel, und wenn der harte Mund sich einmal zum Lächeln verzog, geschah es voll Bitternis und Sarkasmus.

      »Herr Graf, wenn Sie das weiter so treiben, machen Sie sich kaputt.«

      »Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen«, kam es verbissen zurück. »Wie steht es überhaupt, werden wir die Zinsen aufbringen können? Denn von Herrn Sander haben wir keine Rücksicht mehr zu erwarten.«

      »Leider –«, knurrte der Verwalter wie ein bissiger Kettenhund. »Der hegt und hätschelt seinen Groll wie ein zartes Baby. Wie geht es übrigens Fräulein Sander?«

      »Sie scheint jetzt endlich über den Berg zu sein, wie man so sagt. Man erfährt ja nichts Genaues, weil Herr und Frau Sander sich von uns nicht sprechen lassen, weder persönlich noch fernmündlich. So gibt denn der Diener das Befinden der Kranken täglich durch, obwohl wir ihn darum nicht angingen.

      Übrigens, Herr Blade, wenn wir das Geld für die Zinsen nicht zusammenkriegen sollten, bin ich bereit, das Nebengut Lindgau zu verkaufen. Sie wissen ja, daß mein Großvater es mir persönlich vermachte, weil es nicht direkt zu Rautenau gehörte, sondern von meiner Großmutter mit in die Ehe gebracht wurde. Also ist es mein unumschränktes Eigentum.«

      Damit ging er – und der Verwalter sah ihm mitleidig nach.

      Armer Kerl! Was andere verbrachen, dafür mußt du jetzt büßen. Denn nicht nur dein Vater machte sich an dir schuldig, indem er dich so unbekümmert in den Tag hineinleben ließ, sondern auch Sander, weil er das mit stets bereitgehaltenem Portemonnaie begünstigte. Und nun er dafür geradestehen soll, schmollte er wie ein vertrotztes Kind.

      Nun, mit der Annahme tat der erbitterte Verwalter dem Mann unrecht. Er schmollte durchaus nicht, sondern bangte um das Leben seiner Tochter, das wochenlang wie an einem seidenen Faden hing. Also konnte man ihm nicht verdenken, daß er demjenigen bitter gram war, der seiner Ansicht nach die Krankheit seines Kindes verschuldet hatte. Der verbissene Groll begann sich erst langsam zu legen, als seine so sehr geliebte Dörth außer Gefahr war und man sie zur Erholung nach dem Süden gebracht hatte. Ruth und der Junge blieben bei der Rekonvalenszentin, während Georg sich nur eine Woche bei ihr aufhalten konnte. Länger ging es nicht, die Arbeit rief.

      Nach Hause zurückgekehrt, erfuhr Sander dann, daß Lindgau zum Verkauf stände. Warum, war dem Mann natürlich klar. Man konnte in Rautenau nicht die Zinsen aufbringen, und so war der junge Graf gezwungen, sein persönliches Eigentum herzugeben, weil das nicht der Herrschaft Rautenau unterlag, von der kein Stück laut Familiengesetz veräußert werden durfte.

      Nun, dieser Verkauf paßte Sander nicht. Also erschien er bei Bertram Sölgerthurn, vor dessen Anblick er erschrak. Alt, müde und grau sah er ihm entgegen.

      »Keine Angst, du sollst zu deinem Recht kommen«, sagte er bitter. »Die Zinsen werden pünktlich gezahlt.«

      »Quatsch!« tat der andere unwirsch ab, während er unaufgefordert Platz nahm. »Deshalb erscheine ich nicht, sondern um zu verhindern, daß Lindgau verkauft wird. Du scheinst den Kopf verloren zu haben, mein lieber Freund.«

      »Freund…?« dehnte der Graf. »Ich weiß nicht.«

      »Aber ich weiß«, wurde er barsch unterbrochen. »Und zwar, daß ich nicht zugeben werde, daß dieses schöne Gut verkauft wird. Kannst du die Zinsen nicht pünktlich aufbringen, dann werde ich sie dir eben stunden – basta!«

      »Das will Edzard nicht.«

      »Ach was, grüne Jungen haben gar nichts zu wollen. Mag er lieber Gott danken, daß mir mein Kind nicht genommen wurde – sonst –«

      »Laß mir den Jungen in Ruhe. Er ist wahrlich genug für etwas gestraft, was er gar nicht verbrach. Sieh ihn dir doch an, was in den sechs