ihm dunkle Röte ins Gesicht, die Zähne bissen sich zusammen, daß die Wangenmuskeln spielten. Dann sah er auf, mitten in die Augen Sanders hinein, der scharf betont warnte:
»Sprich jetzt nicht, Edzard. Behalte es lieber für dich, was du mir sagen willst. Daß ich die Hypotheken strich, ist gewiß kein Gnadenakt von mir, sondern Berechnung. Du sollst dich als mein Schwiegersohn nicht immer weiter mit Sorgen plagen müssen, sondern als freier Herr auf freier Scholle schalten und walten. Hier ist meine Hand, schlag ein. Du hast keinen besseren Freund als mich.«
Zwei Männerhände fanden sich mit festem, warmem Druck, zwei Augenpaare trafen sich mit offenem Blick – und eine Freundschaft, die vor drei Jahren einen tiefen Riß bekam, wurde in diesem Augenblick neu gefestigt.
Als man später darüber sprach, wann man die Verlobung bekanntgeben solle, kam man schließlich überein, sie einfach zu übergehen und dafür die Hochzeit groß zu feiern. Und da das junge Paar ja keinerlei Veranlassung hatte, die Hochzeit hinauszuschieben, sollte sie in drei Wochen stattfinden, und zwar an Doros Geburtstag.
Die Einladungen schlugen denn auch sozusagen wie eine Bombe ein.
Na, der Edzard konnte sich ins Fäustchen lachen. Er bekam nicht nur eine reiche Frau, sondern auch eine bezaubernd schöne. Wer hätte es je gedacht, daß diese vermickerte Dörth sich noch einmal so wunderbar herausmachen würde. Jedenfalls war diese Heirat der Clou der Gesellschaft.
Es war den Leutchen nicht zu verdenken, daß sie vor Neugierde förmlich brannten und kaum die Hochzeitsfeier erwarten konnten.
Und sie wurden eigentlich enttäuscht. Nicht etwa von der Feier selbst, die war so glänzend und exklusiv, wie nur eine Feier sein kann. Und auch das Brautpaar war so märchenhaft, daß man vor Entzücken den Atem anhielt, als es sichtbar wurde.
Aber dennoch enttäuschte es. Was die Menschen eigentlich erwartet hatten, wußten sie selbst nicht. Doch da es sich ja um eine nicht alltägliche Hochzeit handelte, schwebte ihnen etwas Ausgefallenes vor.
Aber ach, es geschah nichts Außergewöhnliches. Der Bräutigam, eine so distinguierte Erscheinung, wie man sie selten sieht, sprach klar und deutlich sein Ja – und die Braut, einfach traumhaft schön in ihrem Hochzeitsstaat, den der reiche Herr Papa sich etwas hatte kosten lassen, lispelte das Ja nicht heißerrötend, sondern sagte es freudig.
»Du, Edzard, ich glaube, wir haben unsere Gäste enttäuscht«, lachte Doro, als sie an der Seite des Gatten in die Flitterwochen hineinfuhr. Der kostbare Wagen war nagelneu, ein Geschenk des reichen Sander an seinen Schwiegersohn, dessen alter doch schon gar zu schäbig war. Ein Chauffeur steuerte, und ein niedliches Zöfchen saß daneben.
Daher konnte man auf dem hinteren Sitz auch nur leise sprechen. Und wenn Doro das vergaß, hielt ihr der Herr Gemahl einfach den Mund zu, wofür sie ihn einmal kräftig in die Hand biß. Doch er lachte nur, und sie ärgerte sich.
»Was meinst du damit, daß wir die Gäste enttäuscht haben?« fragte er jetzt, und sie brummte:
»Mit einem Maulkorb kann keiner reden.«
»Aber ohne Maulkorb flüstern.«
Da lachte sie schon wieder.
»Es hat ja gar keinen Zweck, sich über dich zu ärgern.«
»Finde ich auch. Und nun beantworte meine Frage.«
»Na was, die Gäste waren enttäuscht, weil wir genauso ein Brautpaar waren wie alle andern. Sie haben von uns ganz was Besonderes erwartet.«
»Da brauchtest du ja nur mit einer deiner Extravaganzen aufzuwarten, und die Leutchen hätten ihre Sensation gehabt.«
»Und du willst ein ritterlicher Mann sein?«
»Habe ich noch nie behauptet.«
Mit einem Seufzer, wie ihn ungefähr eine Mutter für ihr mißratenes Kind hat, schmiegte sie sich in die Ecke. Und da sie müde war von dem Trubel vergangener Tage, schlief sie fast augenblicklich ein.
Indes fraß der starke Motor Kilometer um Kilometer. Und nachdem man einige Stunden gefahren war, tippte Edzard dem Fahrer auf die Schulter und fragte:
»Müde, Glätz?«
»Ein bißchen schon, Herr Graf.«
»Dann halten Sie am nächsten annehmbaren Gasthaus. Es ist ja egal, wo wir etwas zu essen und ein Bett bekommen.«
»Aber die Frau Gräfin ist doch an Luxus gewöhnt.«
»Dann wird sie sich mal eine Nacht ohne den begnügen müssen«, kam es gelassen zurück. »Immer noch besser, als wenn Sie uns vor Müdigkeit an den ersten besten Baum fahren.«
Nun, das Gasthaus war recht annehmbar, vor dem sie schon fünf Minuten später hielten. Es bekam jeder sein Zimmer, das zwar nicht luxuriös, aber nett und sauber war. Doro war so müde, daß sie beinahe ins Bett fiel, und auch die andern gaben sich mit Behagen der wohlverdienten Ruhe hin.
Am andern Morgen waren sie dann alle ausgeschlafen, frisch und munter. Nachdem man ausgiebig gefrühstückt hatte, ging die Fahrt weiter – und somit begann ein Gehetze von Ort zu Ort. Doro konnte gar nicht genug kriegen von dem Leben und Treiben der mondänen Welt. Und Edzard ließ sie gewähren. Einmal mußte ihr der Klimbim doch über werden.
Dabei vergaß er ganz, daß auch ihm noch vor drei Jahren dieser Klimbim Lebenselixier gewesen war. Daran mußte ihn erst die junge Gattin erinnern, als er ihr einmal wegen ihrer Vergnügungssucht Vorhaltungen machen wollte.
»Ach, sieh mal an«, kniff sie die Augen zu und besah ihn sich angelegentlich. »Soviel ich weiß, hast du noch vor drei Jahren dieser Vergnügungssucht ausgiebigst gefrönt. Und dabei warst du damals schon fünf Jahre älter als ich heute.«
Da stieg ihm die Röte der Beschämung ins Gesicht – und Doro freute sich. Denn es gelang ihr bestimmt nicht oft, ihren herrischen, selbstsicheren Gatten in Verlegenheit zu bringen.
»Paß mal auf, Edzard, ich mach dir einen Vorschlag«, wurde sie dann großmütig. »Du fährst nach Hause und läßt mich hier. Natürlich unter dem Schutz Jos, die heute mit ihrem Gatten hier eintrifft. Einverstanden?«
»Noch nicht. Erst muß ich mir deine Jo genau ansehen. Denn ich will ja schließlich wissen, wem ich meine Frau anvertraue.«
Doch als er die charmante Dame kennenlernte, die sich auch noch auf der Hochzeitsreise befand, wie sie lachend betonte, schwanden seine Bedenken dahin. Sie hatte eine wunderbare Art, mit der eigenwilligen Doro umzugehen. Leitete sie so geschickt, daß diese sich dessen gar nicht bewußt ward.
Die Baronin hatte vor acht Wochen den Bruder ihres verstorbenen Gatten geheiratet, und aus diesem Grunde war Doro in ihr Elternhaus zurückgekehrt, was andernfalls noch lange nicht geschehen wäre, da hätten die Eltern auch noch soviel bitten und auftrumpfen können.
»Ja, unsere Dörth ist ein arges Böckchen«, sagte sie lachend, als sie einmal mit dem Grafen allein war. »Es gibt wohl Menschen, denen eine Vergötterung nichts ausmacht, aber Doro hat sie geschadet. Ich glaube, Herr Graf, Sie lassen sie noch ein Weilchen unter meiner Fuchtel.«
So fuhr er denn beruhigt der Heimat zu.
»Junge, wie konntest du nur«, sagte Sander ungehalten, als er nur den Schwiegersohn begrüßen durfte. »Die Dörth entfremdet sich uns doch immer mehr, wenn sie wieder mit ihrer vielgeliebten Jo zusammen ist. Ich fahre heute noch hin und hole sie her.«
Er tat’s – aber ohne Erfolg. Denn das eigenwillige Töchterlein hatte absolut keine Lust, den Herrn Papa nach Hause zu begleiten.
»Machen Sie sich nichts daraus, Herr Doktor«, tröstete Jo den niedergedrückten Mann, als sie mit ihm allein am Tisch saß, während Doro mit dem Baron tanzte. »Unsere Dörth tobt sich schon noch aus, man muß ihr nur Zeit dazu lassen. Bedenken Sie, daß die Kleine viel nachzuholen hat. Daß sie sich nichts zuschulden kommen läßt, dafür sorge ich schon. Außerdem hat sie gar keine Veranlagung dazu.«
»Das war ein gutes Wort, Frau Baronin. Es beruhigt