Georg Wilhelm Steller

Die Entdeckung Alaskas mit Kapitän Bering


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Jäger den größten Teil der Pelzausbeute einbrachten« (Scheidegger).

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       Die Fahrten Berings und Tschirikows

      Im Jahre 1867 verkaufte Russland Alaska und die Aleuten an die Vereinigten Staaten von Amerika. Nun jagten amerikanische Pelzgesellschaften in der Beringsee. Erst als die Ausrottung der Pelzrobben und Seeotter drohte, verhandelten die USA und Sowjetrussland im Jahre 1937 über eine Konvention zum Schutz dieser Tiere.

      Doch nach diesem Ausblick in die jüngste Vergangenheit wieder zurück zu Steller und dessen weiterem Lebensweg nach seiner glücklichen Rückkehr von der Beringinsel. Von seinem Standquartier Bolscherjetsk aus führte er seine Forschungen zur Geschichte, Bevölkerung und Natur der Halbinsel Kamtschatka fort. Dabei scheint er offen Partei für die von den Russen unterdrückten Kamtschadalen oder Itelmenen ergriffen und sich hierdurch die Feindschaft russischer Verwaltungsbeamter zugezogen zu haben, was ihm später noch zu schaffen machen sollte. Nachdem Steller (zusammen mit dem Maler Berckhan) Kamtschatka insgesamt etwa drei Jahre lang durchforscht hatte, glaubte er, seinen ihm von der Akademie erteilten Auftrag im Rahmen der »Großen Nordischen Expedition« nun endlich erfüllt zu haben. Am 3. August 1744 verließ er Kamtschatka mit sechzehn Kisten wertvoller Sammlungen, um nach Petersburg zurückzukehren und der Akademie Bericht zu erstatten. Nachdem er in Jakutsk überwintert hatte, reiste er im Frühjahr 1745 weiter nach Irkutsk, wo er unter Anklage gestellt wurde. Wahrscheinlich hatten ihn seine Feinde verleumdet und beschuldigt, die Völker des äußersten Asiens rebellisch gemacht und Pulver unter sie verteilt zu haben. Doch aus Mangel an Beweisen wurde Steller freigesprochen, sodass er Weihnachten 1745 endlich die Weiterreise antreten konnte. Obwohl er von den Strapazen der jahrelangen Reisen schon gezeichnet und während des Reisens im kalten Winter ernstlich erkrankt war, setzte er seine Reise dennoch fort und gelangte halb tot nach Tjumen, wo er am 12. November 1746 starb.

      Über die Abenteuer Stellers auf der Beringinsel, seine letzten Lebensjahre und insbesondere über die näheren Umstände seines Todes ist schon bald nach seinem Ableben viel Zweifelhaftes (u. a. über die angebliche Trunksucht Stellers) geschrieben und in Umlauf gebracht worden; doch trat solchen Berichten und Verzeichnungen schon bald eine anonyme Biographie Stellers entgegen (»Leben Herrn Georg Wilhelm Stellers, gewesnen Adiuncti der Kayserl. Academie der Wissenschaften zu St. Petersburg: worinnen die bißher bekannt gemachte Nachrichten von Desselben Reisen, Entdeckungen, und Tode, Theils wiederleget/theils ergänzet und verbeßert werden.« Franckfurt 1748).

      Was ist Georg Wilhelm Steller für ein Mensch gewesen? Der Nachwelt sind kein Bild und kein Bericht über seine äußere Erscheinung überliefert. Umso deutlicher tritt aus seinen eigenen und aus fremden Niederschriften sein Wesen hervor: »… sein lebhaftes Temperament, sein Frohsinn, sein scharfer Spott, seine Ungeduld gegenüber Trägheit und Lauheit, seine Abneigung gegen alles Gezierte, Eitle, Unechte, seine Anspruchslosigkeit, sein Fleiß, sein Mut« (Wotte). Sein Vorgesetzter Gmelin schrieb in seiner »Reise durch Sibirien« über ihn: »Er war mit keinen Kleidern beschwert. Weil man die Haushaltung durch Sibirien mit sich führen muss, so hatte er sie so klein als immer möglich eingerichtet. Sein Trinkgefäß zum Bier war eines mit dem Trinkgefäß zum Met oder Branntwein. Wein verlangte er nicht. Er hatte nur eine Schüssel, daraus er speiste und in welcher er alle seine Speisen anrichtete. Zu diesen gebrauchte er keinen Koch. Er kochte alles selber, und dieses auch wieder mit so wenigen Umständen, daß Suppe, Gemüse und Fleisch in einem Topfe zugleich angesetzt und gekocht wurden. Er konnte den Qualm davon in der Stube, da er arbeitete, gar leicht ertragen. Er brauchte keine Perücke und keinen Puder, ein jeder Schuh und ein jeder Stiefel war ihm recht; er hatte bei all diesem keinen Verdruß über die elende Lebensart; er war immer guten Mutes, und je unordentlicher alles bei ihm zuging, desto fröhlicher war er … Dabei merkten wir, dass ungeachtet all der Unordnung, die er in seiner Lebensart von sich blicken ließ, er doch in Anstellung seiner Wahrnehmungen überaus pünktlich und in allen seinen Unternehmungen unermüdet war, sodass wir deswegen nicht die geringste Sorge tragen durften. Es war ihm nicht schwer, einen ganzen Tag zu hungern und zu dursten, wenn er etwas den Wissenschaften Ersprießliches ins Werk richten konnte.«

      Trotz dieser allgemeinen Wertschätzung Stellers durch Gmelin gerieten die beiden Männer zeitweilig in Gegensatz zueinander. Gmelin und Müller führten auch auf ihren Reisen durch Sibirien im Unterschied zu Steller einen gepflegten Lebensstil; als »Professoren« hielten sie eine gewisse Distanz zu dem »Adjunkten«. Beide waren, wie Hanno Beck treffend bemerkt hat, »eher Gelehrte als Reisende«, während Steller beides zugleich war. Als Steller einmal Sammlungen direkt an die Akademie senden wollte, hielten Gmelin und Müller die Sendung an, kontrollierten sie und machten dem Adjunkten den Vorwurf, er habe sie übergehen wollen und damit sozusagen den »Dienstweg« missachtet. Doch zeugt der intensive Briefwechsel zwischen Gmelin und Steller von ihrem tiefen Vertrauensverhältnis. Hanno Beck zufolge besaß Steller »stets einflussreiche Freunde und Gönner und muss wie Georg Förster, mit dem ihn manches verbindet, und Alexander von Humboldt die Gabe besessen haben, Menschen für sich zu gewinnen …«; doch wies Golder auch darauf hin, dass es dem jungen Deutschen vielleicht hin und wieder an Takt und Nachsicht gegenüber Andersdenkenden mangelte.

      Übereinstimmend heben jedoch alle Biographen Stellers hervor, dass mit ihm ein großer Wissenschaftler und Forschungsreisender allzu früh gestorben ist: »Denn mögen die Verfasser die Akzente verschieden gesetzt haben, sie alle betonen seinen leidenschaftlichen Forschungsdrang, seine unbestechliche Wahrheitsliebe und seinen wissenschaftlichen Heroismus. Das aber war das Größte an ihm und wird ihm immer einen endgültigen Platz in der Geschichte der Wissenschaften sichern« (Hünefeld).

      Er war einer der besten Kenner der Geographie, Ethnographie und Geschichte Kamtschatkas, der einzige wissenschaftliche Chronist der Beringschen Amerikareise, auf der er die Flora und Fauna der besuchten Inseln beschrieb, darunter namentlich die später ausgerottete große nordische Seekuh (»Stellersche Seekuh«), und zum »Pionier der Naturgeschichte Alaskas« (Stejneger) wurde. Dem Reise-Historiker Dietmar Henze zufolge beginnt mit Steller »die Natur- und ethnographische Forschung im aleutisch-alaskischen Raum. Erst siebenunddreißig Jahre später folgen ihm hier James Cook und seine Begleiter. Wenn auch deren Berichte früher herauskamen als die seinen, so blieben diese doch noch lange Zeit darüber hinaus die geistvollsten, reichhaltigsten und anregendsten, die man über jenes Insel- und Litoralgebiet besaß.« Robert Huxley und Robert Press vom Natural History Museum in London stellen Georg Wilhelm Steller in die Reihe der »Grossen Naturforscher von Aristoteles bis Darwin«: »Seine Beschreibungen und Illustrationen sind Musterbeispiele präziser Beobachtung und Aufzeichnung; sie versetzen uns in die Lage, noch heute viele Organismen zu studieren – ganz besonders diejenigen, die bald nach ihrer Entdeckung durch Einwirkung des Menschen ausstarben.« Als Arzt war Steller bei der Bekämpfung des Skorbuts ein »Vitamin-Vorkämpfer« (Wendt), anderthalb Jahrhunderte vor der »Entdeckung« der Vitamine; seine Beobachtungen der Heilkunde unter den eingeborenen Völkern Sibiriens kamen ihm hierbei sicherlich zustatten.

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       Aus dem Brief Stellers an Gmelin vom 4. November 1742

      Steller als Naturforscher und Reiseschriftsteller

      Georg Wilhelm Steller war ein außergewöhnlich produktiver und vielseitiger Wissenschaftler; neben seiner Feldforschungstätigkeit hat er zahlreiche Schriften zu den verschiedensten Wissensgebieten verfasst (u. a. zur Tierkunde, Fisch-, Vogel- und Mineralienkunde, zur Pflanzenkunde, zur Geschichte, Sprache und Heilkunde der sibirischen Völker). Sein Kollege Krascheninnikow zählte insgesamt zweiundsechzig Abhandlungen, von denen jedoch nur ein kleiner Teil nach Stellers Tod gedruckt wurde. Stellers Manuskripte und Berichte, die er im Juli 1743 per Schiff von Bolscherjetsk abgesandt hatte, erreichten die Akademie in Petersburg erst im Februar 1746; das Inhaltsverzeichnis wies dreiundzwanzig Schriften auf, darunter den Bericht über die Reise nach Amerika. Steller starb mit seinen siebenunddreißig Jahren zu früh, um noch genügend Zeit für die wissenschaftliche Bearbeitung und Edition seiner meist direkt »vor Ort« und unter schwierigsten Bedingungen geschriebenen Werke zu