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Sven Elvestad
Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten
Der rätselhafte Feind, Die Faust, Der schwarze Stern, Der Mann im Monde, Der kleine Blaue…
Books
- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1274-3
Inhaltsverzeichnis
Der Gast, der mit der Fähre kam
Der kleine Blaue
I.
Der Agent
Vor einigen Jahren lag in einer der Straßen in der Nähe des Johannishügels ein kleines zweistöckiges Holzhaus. Das war vor der Zeit der Bauwut. Das Haus ist später niedergerissen worden, um einer der großen Mietskasernen Platz zu machen. Damals standen noch nicht viele Häuser in der Straße, die schlecht gehalten und nur teilweise gepflastert war. Das erwähnte Haus bemerkte man sofort, weil es ein bißchen vorstand, mit rotbrauner Farbe überschmiert war und mitten an der Fassade ein Schild hatte, das ganz jämmerlich in seinen Angeln quiekte, wenn der Wind sich hinein verfing. Auf dem Schild stand:
A. Jonson,
Kolonial- und Fettwarenhandlung.
Es war ein Geschäft, das sich nicht sehr imponierend ausnahm; hinter dem Ladentisch stand eine alternde, dicke Frau. Es war die Witwe von »A. Jonson«, der vor mehreren Jahren gestorben war. Sie führte den kleinen Laden jetzt allein und hatte sich durch Sparsamkeit und Betriebsamkeit so viel zurückgelegt, daß sie das Haus kaufen konnte, in dem sie wohnte. An den Laden stieß eine Wohnung, bestehend aus einem größeren und einem kleineren Zimmer und einer kleinen Küche. Zunächst dem Laden und durch eine Tür damit verbunden, lag das kleinere Zimmer, das die Witwe bewohnte. Mitten in die Tür war ein rundes Loch ausgeschnitten und eine Glasscheibe eingesetzt, durch die die Witwe, so oft sie nur wollte, den Laden überblicken konnte, und auch die Straße davor.
Um in das erste Stockwerk des Hauses zu gelangen, mußte man in den Hof hinausgehen. Von dort führte eine Treppe in die obere Wohnung. Es waren eigentlich zwei Wohnungen im ersten Stock, im ganzen vier Zimmer, aber nur eine Küche. Die Küche lag in der Mitte. Die zwei Zimmer rechts benützte die Witwe als Lagerräume. Hier lagen die Paraffintonnen und die Fässer mit grüner Seife und ähnliche Dinge, die sie nicht gut unten im Laden unter all den Eßwaren haben konnte. Aber die zwei Zimmer links hatte sie vermietet. Zu dem erwähnten Zeitpunkt bewohnte sie ein älterer graubärtiger Mann. Er hatte eine gelbe Messingplatte an die Tür genagelt, und darauf stand folgendes eingraviert:
Agent Jaerven,
Umsatz von Wertpapieren.
Als dieser Agent Jaerven einzog, ahnte die Witwe nicht, wer er war oder was für eine Art von Geschäft er betrieb. Er erlegte den Zins im vorhinein, aber handelte so viel herunter, als er nur konnte. Möbel hatte er nicht viel, ein altes massives Sofa, einen großen, runden Tisch, ehemals poliert, aber ziemlich abgenützt, einige wenige Stühle, eine Kommode, ein eisernes Bett und vor den Fenstern unscheinbare rotgemusterte Gardinen. Mitten in alle diese überaus fadenscheinige Herrlichkeit schleppte man ein Ungeheuer von einer eisernen Kasse, die obendrein mit einem eigenen Sperrmechanismus versehen war. Gerade, daß sechs kräftige Packer das Ding die Treppe hinauftragen konnten, die unter der Last krachte. Die Witwe hatte damals den Agenten gefragt, was er denn eigentlich betrieb, aber hatte ausweichende Antworten bekommen.
Der alte Mann war ein tadelloser Mieter, er bezahlte präzise und betrug sich in jeder Hinsicht ordentlich. Einmal die Woche kam eine Frau und wusch seine Wäsche. Er bereitete sein Frühstück selbst, die anderen Mahlzeiten nahm er stets in der Stadt ein. Mit der Genauigkeit eines Uhrwerks verlief sein Tag. Um sieben Uhr morgens stand er auf, und um acht Uhr hörte ihn die Witwe immer die Treppe hinunterstolpern. Er blieb dann drei Stunden fort. Zwischen elf und ein Uhr hielt er sich immer in seiner Wohnung auf, und um diese Zeit konnte es oft vorkommen, daß Besuche zu ihm kamen. Viele merkwürdige Besuche übrigens. Es waren Damen und Herren, besser gekleidete und bescheidener gekleidete. Hie und da konnte es vorkommen, daß ein Wagen drüben an der Ecke hielt und ein Herr ausstieg, sich vorsichtig umsah und dann die Treppe zu Agent Jaerven hinaufschlich. Es geschah auch, aber sehr selten, daß die Witwe laute Stimmen aus dem Zimmer des Agenten hörte und Schläge auf den Tisch.
Die Witwe merkte bald, daß es wichtige Geschäfte waren, die der Agent hatte – ja, Geldgeschäfte. Aber was kümmerte sie das, wenn sie nur ihren Zins zu rechter Zeit bekam und er sich sonst in jeder Hinsicht