Scott Meyer

ABENTEUER LASS NACH


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      »Ach, ich weiß nicht. Das wäre natürlich der Idealfall, aber ganz ehrlich, wenn ihr alle elendig zugrunde geht, hat das Spiel seinen Zweck auch erfüllt. Ich weiß sowieso schon, wie es ausgehen wird. Ich habe es geschrieben. Außerdem, Tyler, nur weil ich damit rechne, dass jemand bis zum Ende durchkommt, heißt das noch lange nicht, dass ich davon ausgehe, dass du derjenige bist. Tatsache ist, ich wollte mich eigentlich nur an Philip, Jimmy und Gary rächen. Du und Jeff seid nur hier, weil ich wusste, dass ihr befreundet seid. Ich dachte mir, euch beide sterben zu sehen, würde sie anspornen.«

      »Du willst sagen, ich sei entbehrlich«, stellte Tyler fest.

      »Im Gegenteil«, erläuterte Todd. »Wenn jemand entbehrlich ist, ist es dir egal, ob derjenige stirbt. Ich dagegen erwarte von dir, dass du stirbst. Ich weiß nicht, ob es ein Wort dafür gibt. Vielleicht ›Opferlamm‹. Es wird mir allerdings nicht leidtun, wenn du nicht mehr da bist. Übrigens, ein Stück den Weg runter werdet ihr auf eine Gruppe toter Jäger stoßen, die ihr fleddern könnt, um an warme Sachen und Waffen zukommen. Nichts Besonderes. Nur ein paar Schwerter, Schilde und Tierhäute. Das sollte euch helfen, mit der Kälte und den Bergwölfen fertig zu werden.«

      »Was hat die Gruppe Jäger denn umgebracht?«, erkundigte sich Tyler.

      Todd antwortete: »Bergwölfe.«

      Jimmy bemerkte: »Das spricht nicht gerade für die Effektivität der Waffen.«

      »Nein, das tut es nicht«, stimmte Todd ihm mit ein bisschen zu viel Begeisterung zu.

      »Was, wenn wir uns weigern?«, fragte Philip. »Was, wenn wir einfach nur dasitzen und warten, dass du aufgibst?«

      »Ihr werdet entweder erfrieren oder von Bergwölfen gefressen. Ich werde meine Rache so oder so bekommen.«

      Philip bohrte weiter: »Was passiert, falls wir das Abenteuer zu Ende bringen?«

      »Bis zur Schlucht des sicheren Verderbens? Ihr lernt die Identität des Auserwählten kennen. Der Mann, der frei sein wird«, erwiderte Todd.

      »Ein Mann«, sagte Philip.

      »Falls überhaupt einer von euch die Schlucht erreicht«, schränkte Todd ein.

      Jimmy fasste zusammen: »Also, die Wahl, die du uns lässt, lautet, nicht kooperieren und sterben oder kooperieren und wahrscheinlich sterben.«

      »Richtig«, gab Todd zu.

      »Das ist kein besonders großer Anreiz«, sagte Jimmy.

      Todd hielt dagegen: »Groß genug.«

      Kapitel 6

      Gwen, Martin und Roy materialisierten vor der Tür zu Brits Unterkunft. Sie standen in einem langen Gang aus makellosem, undurchsichtigem weißen Glas. Der Fußboden bestand aus strukturiertem, rutschfestem weißen Glas, die Türen entlang der Wände waren als Kontrast dazu in gebrochenem Weiß gehalten.

      »Jesses«, kommentierte Roy. »Ich bin drinnen, es ist mitten in der Nacht und ich habe das Gefühl, ich brauche eine Sonnenbrille. Welche Brit besuchen wir hier noch mal?«

      Das war keine dumme Frage. Brit war einzigartig, weil es sie mehr als einmal gab. Konnte man sich das Leben der meisten Menschen als Gerade vorstellen, die sich Richtung Zukunft ausdehnte, so bildete Brits Leben eher eine Schleife. Derzeit befanden sich Vergangenheits-Brit und Zukunfts-Brit in der gleichen Zeit und am gleichen Ort. Eine Situation, die sie mit der gleichen Anmut meisterten wie zwei Geschwister, die sich während einer langen Autofahrt die Rückbank teilen müssen. Brit, die Ältere, war das ältere Ich von Brit, der Jüngeren. Sie erinnerte sich an alles, was Brit, der Jüngeren, jemals passiert war und sorgte dafür, dass Brit, die Jüngere, das auch nie vergaß. Brit, die Jüngere, war das jüngere Ich von Brit, der Älteren. Sie hasste es, ihr Dasein zu teilen, und sorgte dafür, dass Brit, die Ältere, das auch nie vergaß.

      Gwen sagte: »Brit, die Jüngere, wohnt hier. Sie und Philip stehen sich sehr nahe. Sie würde Bescheid wissen wollen, falls er in Schwierigkeiten steckt.« Weder für Martin noch für Roy war das etwas Neues. Philip und Brit, die Jüngere, gingen ziemlich offen mit ihrer Beziehung um und Brit war mehr als einmal zu Besuch in Leadchurch gewesen. Tatsächlich war Gwens Aussage auch nicht für die anderen beiden bestimmt gewesen, sondern für sie selbst. Sie versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie das Richtige tat. Es war schon ziemlich spät. Brit schlief wahrscheinlich schon. Und Gwen hasste es, sie mit schlechten Nachrichten aus dem Bett zu holen.

      Gwen hatte kaum an der Tür geklingelt, da wurde ihnen auch schon geöffnet. Brits Haushälter Nik stand vor ihnen. Er sah gut aus, schlank und braun gebrannt wie eh und je. Nik war vor einigen Jahren schwer verwundet worden. Inzwischen, nach vollständiger Genesung, sah man ihm das nicht mehr an.

      Nik trug anstelle seiner üblichen Uniform ein schlabbriges, weißes Nachthemd, dennoch lächelte er und begrüßte sie: »Ah, hallo! Kommt rein. Sie erwarten euch bereits.«

      Brits Wohnzimmer war so, wie Martin es in Erinnerung hatte: gepflegt, wunderschön und frei von jeglicher Unordnung. Alles in diesem Raum, wie auch sonst fast alles in Atlantis, bestand aus Molekülen reinen, gehärteten Glases oder, bei tragenden Teilen, die größere Stabilität verlangten, aus Diamant. Eine Wand war komplett von einem gebogenen, nahtlosen Fenster eingenommen, welches einen Ausblick auf den Ozean dahinter bot. Sie befanden sich ein gutes Stück unter der Wasseroberfläche. Doch so spät nachts waren die einzigen Fische, die man zu sehen bekam, diejenigen, die nah genug ans Fenster heranschwammen, um vom Licht aus dem Apartment beleuchtet zu werden.

      Brit, die Ältere, und Brit, die Jüngere, saßen auf dem Sofa, äußerlich vollkommen identisch und doch grundverschieden. Brit, die Ältere, wirkte kühl und knackig wie frischer Sellerie. Sie trug eine einfache weiße Tunika, als Kontrast dazu eine schwarze Hose, farblich passend zu ihrem Brillengestell. Ihr schulterlanges, rotes Haar war tadellos gestylt. Neben ihr saß Brit, die Jüngere, in einem schlabbrigen Sweatshirt, Shorts und Wollsocken, die eine Nummer zu groß waren. Ihr schulterlanges, rotes Haar war durcheinander und ihre Brille saß leicht schief auf der Nase. Man hatte sie ganz offensichtlich gerade aus dem Bett geholt und sie war nicht sehr glücklich darüber.

      Gwen bemerkte: »Oh, äh, wir dachten, du wärst alleine.«

      »Ja«, gab Brit, die Jüngere, zu, »dachte ich auch. Ich lag schon im Bett und wollte noch lesen, bis ich einschlafe. Da taucht sie auf und sagt mir, ich würde Besuch bekommen, wollte mir aber nicht sagen, wen oder warum.«

      Brit, die Ältere, tätschelte der Jüngeren das Knie und betonte: »Es war wichtig, dass du wach bist, damit du deine Besucher empfangen kannst. Gwen, Martin, wie immer ein Vergnügen. Auch schön, dich wieder zu sehen, Roy.«

      Roy sagte: »Es tut mir leid, Miss. Ich habe die andere Brit einige Male getroffen, aber ich glaube nicht, dass wir uns ... oh. Ach ja. Richtig.«

      Brit, die Ältere, entgegnete: »Mm hmm. Wie dem auch sei, macht es euch doch bitte bequem. Wir haben wichtige Neuigkeiten zu besprechen.«

      Brit, die Jüngere, machte deutlich: »Dies ist mein Zuhause. Ich spiele die Gastgeberin, vielen Dank.«

      Brit, die Ältere, gab nach: »Natürlich. Es tut mir leid. Es fällt mir nicht ganz leicht, weil das mal meine Wohnung war, als ich noch du war. Dieses Sofa habe ich tatsächlich immer noch. Nur dass es mittlerweile natürlich eine Antiquität ist.« Nick kam von nebenan mit einem Esszimmerstuhl, der, wenn auch wunderschön, weit weniger bequem aussah als die beiden anderen verfügbaren Stühle. Roy bestand darauf, auf ihm Platz zu nehmen, ungeachtet der Tatsache, dass Nik ihn näher bei Gwen abgestellt hatte, und Gwen bereits im Begriff war sich zu setzen.

      Als es sich alle bequem gemacht hatten, sah Brit, die Jüngere, Gwen an und erkundigte sich: »Was gibt‘s?«

      Brit, die Ältere, erklärte: »Sie sind hier, um uns zu sagen, dass Philip entführt wurde.«

      Der Blick von Brit, der Jüngeren, wanderte zwischen Gwens und Martins Gesicht hin und her. »Was? Ist das wahr?«

      »Ja«,