Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman


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fragte Annette aufgeregt.

      »Das ist Mamis und Papis Freundin«, erklärte Denise.

      »Die Mutter von unserem Patenkind heißt auch Leslie«, sagte Annette, »und unser Patenkind heißt Helmut, und wenn das die gleiche Leslie ist, dann kommt sie mit dem kleinen Helmut zu uns.« Das klang sehr bestimmt. Denise war sprachlos. Aber da kam glücklicherweise ihre Mami, die ihr hoffentlich Antwort auf ihre Fragen geben würde, denn Denise war entschlossen, alles, aber auch alles zu fragen, was ihr unklar war.

      Gisela reichte Annette lächelnd die Hand. »Du bist also Annette Röck«, sagte sie. »Macht es dir etwas aus, noch ein bißchen zu warten? Dein Papi macht Leslie gerade einen Besuch.«

      »Unserer Leslie?« fragte Denise. »Der Kommissar ist das, das ist dein Vater?« stotterte sie.

      »Hmmm«, machte Annette, »aber es ist ebensogut unsere Leslie, meine ich.«

      »Ja, das glaube ich allerdings auch, aber sicher werden wir uns auch anfreunden«, meinte Gisela.

      Und zur gleichen Zeit legte Leslie den Arm um Helmuts Hals und sagte leise:

      »Du bist sehr lieb, aber wir wollen doch abwarten, ob Annette mich auch mag.«

      Sie konnte ja nicht ahnen, wie energisch Annette schon jetzt ihre Rechte auf Leslie und den kleinen Helmut verteidigte. Da kannte sie nichts, so nett auch Gisela mit ihr sprach und ihr Denise gefiel.

      »Du kannst dir ja ein Brüderchen wünschen«, sagte sie zu Denise, »du hast ja eine Mami.«

      *

      Im Hause Norden hatte Frank beim Frühstück eine genaue Schilderung vom Verlauf des gestrigen Abends gegeben, denn dazu war er nicht mehr fähig gewesen, als man ihn heimgebracht hatte.

      »Gebibbert haben sie, und Hunger hatten sie und eine Heidenangst, daß sie daheim Prügel kriegen. So schnell werden die beiden wohl keinen Blödsinn mehr machen«, meinte er.

      »Hoffentlich sind sie ein für allemal kuriert«, sagte Daniel. »So, nun werden wir mal zu eurer Mutti fahren. Jetzt ist gerade die richtige Zeit.«

      Er brachte sie hin, wollte dann Raimund Attenberg einen Besuch machen und sie später wieder abholen.

      Er ermahnte die Kinder aber doch, nicht zu lebhaft zu sein, doch das war überflüssig, denn die Mutti, von Verbänden umhüllt in einem Krankenbett, war ein so ungewohnter Anblick, daß sie kaum ein Wort über die Lippen brachten. Ein bißchen dachten sie natürlich auch daran, daß es noch viel schlimmer hätte kommen können, aber Frau Nowatzki vertrieb solche Gedanken schnell. Zäh und voller Lebensmut war sie, als sie ihre Kinder vor sich sitzen sah und sie ihr erzählten, wie lieb die Nordens wären und wie nett sich plötzlich alle Menschen um sie kümmerten.

      Zu erzählen gab es ja genug, aber immer wieder erkundigten sie sich besorgt, ob es ihr nicht zuviel sei und ob sie nicht lieber schlafen wollte.

      Schlafen könne sie jetzt genug, meinte sie. Sie wollte genau wissen, was sich alles abgespielt hatte.

      Dr. Norden erfuhr bei seinem Besuch bei Raimund Attenberg allerdings auch einige Neuigkeiten, die dem dramatischen Geschehen dieser ereignisreichen Woche eine ganz besondere Würze verliehen. Schließlich geschah es nicht alle Tage, daß sich ein Polizeibeamter in eine Frau verliebte, die er zuerst der Kindesentführung verdächtigt hatte.

      »Natürlich hat er Leslie nicht ernsthaft verdächtigt«, erklärte Gisela. »So was ist ja unmöglich, wenn man sie sieht, aber er ist ja verpflichtet, jeder Spur nachzugehen.«

      »Und so ist es eigentlich unserer Kleinen zu verdanken, wenn Leslie den Mann gefunden hat, bei dem sie wirklich gut aufgehoben ist«, sagte Raimund Attenberg. »Jedes Ding hat zwei Seiten.«

      »Man kann sich freuen, weil alles gut ausgegangen ist«, sagte Gisela leise. »Nachdenken darf ich nicht darüber, was unserem Kind alles hätte geschehen können.«

      »Hinterher brauchen wir uns den Kopf nun auch nicht mehr zu zerbrechen«, sagte ihr Mann. »Wir haben allesamt dazugelernt, und nun bringt uns Denni ganz schön ins Schwitzen mit ihren Fragen.«

      Jetzt kam sie auch hereinspaziert, ein Häkelzeug in der Hand.

      »Ich komme nicht weiter, Mami«, sagte sie. »Du mußt mir zeigen, wie man zunimmt.« Sie strahlte Dr. Norden an. »Ich häkle Schuhchen für Helmut«, verkündete sie. »Mir wäre ja lieber, wenn er Danny heißen würde, weil Denni und Danny lustig klingt, aber wenn sie sowieso nicht bei uns wohnen, soll er halt Helmut heißen. Aber wenn ich mal ein Brüderchen bekomme, nennen wir ihn Danny.«

      »Sie setzt uns die Pistole auf die Brust«, sagte Raimund seufzend.

      Aber es war wieder die reizende, fröhliche, unbeschwerte Denise, und alle Traurigkeit war aus ihren Augen verschwunden. Kinder vergaßen schnell, wenn ihre Welt wieder heil war.

      Raimund Attenberg mußte sich dagegen noch mit seinen körperlichen Schmerzen herumplagen, obwohl sein Seelenleben auch wieder in Ordnung gekommen war. Er fragte nach Mollys Adresse und bekam sie auch, und Molly erlebte noch am gleichen Tag eine Überraschung, die sie überwältigte. Ein Bote brachte ihr eine wunderschöne goldene Armbanduhr, die mit Brillanten besetzt war.

      »Das kann ich doch gar nicht annehmen für die paar Stunden«, stammelte sie, aber ihre Tochter Sabine meinte lachend, daß sie solche Aushilfen ruhig öfter annehmen könne.

      Ein Raimund Attenberg konnte seine Dankbarkeit so zeigen. Frau Nowatzki konnte Dr. Norden nur mit einem Blick aus tränenfeuchten Augen danken, mit ein paar Worten, die aus tiefstem Herzen kamen.

      »Daß Sie sich so um die Kinder kümmern, Herr Doktor«, flüsterte sie, aber er legte ihr schnell den Finger auf die blassen Lippen.

      »Pssst, Kräfte sparen, Frau Nowatzki. Sie brauchen sie. Sie wollen doch schnell wieder auf den Beinen sein.«

      »Werde ich das jemals?« fragte sie stockend.

      »Nun, ein bißchen humpeln werden Sie schon, aber dafür bekommen Sie dann auch einen schönen ruhigen Posten im Büro.«

      Er wußte, wie er mit ihr reden mußte. Sie hatte in allen Lebenslagen Mut bewiesen. Ihr brauchte man keine Wahrheit zu verheimlichen. Sie wuchs mit jeder Anforderung, die an sie gestellt wurde. Und sie erlebte so viel unerwartete Freude in diesen Tagen, daß sie voller Zuversicht war, auch den neuen Lebensabschnitt meistern zu können.

      Dr. Norden hatte schon viel erlebt in seiner Praxis, manch einen, der meinte sterben zu müssen, weil ihn eine Wespe gestochen hatte, andere, die viele Jahre unendliche Schmerzen ertrugen.

      Gewiß konnte eine kleine Ursache unvorhergesehene Folgen haben, aber ein großes Unglück konnte auch zu einem unverhofften Glück werden.

      Das erlebten sie nun gleich zweimal.

      Leslie konnte ihr Glück so wenig begreifen wie Frau Nowatzki. Es kam auf verschiedenen Wegen zu ihnen. Sie kannten sich nicht, waren sich nie begegnet. Das Einzige, was sie gemeinsam hatten, war, daß sie in Krankenhausbetten lagen und fürsorglich betreut wurden. Eine Hauptrolle spielte in Frau Nowatzkis Leben Dr. Daniel Norden, eine Nebenrolle Kommissar Röck. Bei Leslie war es umgekehrt.

      *

      Daniel Norden genoß mit seiner Frau einen sehr geruhsamen Nachmittag. Lenni war mit Danny und Ursel spazierengegangen. Frank wollte mal in der Wohnung nach dem Rechten sehen. Das hatte er der Mutti versprochen. Es mußte gelüftet und Staub gewischt werden. Das konnte er besser als Ursel. Es sollte jedenfalls alles so sein, wie es früher gewesen war, wenn die Mutti zurückkam.

      »Was man so alles erlebt«, sagte Daniel, sinnend in den Garten blickend. »Da meint man manchmal, es könne gar keine Überraschungen mehr geben, weil man irgendwann doch alles schon mal mitgemacht hat.«

      »Und immer wieder ist es doch ein bißchen anders«, sagte Fee.

      »Ein bißchen sehr«, lächelte er. »Aber was wäre das Leben, wenn wir ewigem Gleichmaß ausgeliefert wären.«

      »Das