Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman


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hatte, und dazu hatte ihn seine Mutter ausnahmsweise mal nicht mit Engelszungen überreden müssen.

      »Du siehst vielleicht toll aus, Papi«, sagte Annette anerkennend. »Viel schicker als die Kommissare im Fernsehen.«

      »Du sollst dir doch keine Krimis ansehen, Schätzchen«, sagte er geistesabwesend.

      »Bloß mal so«, sagte Annette. »Omi meint, daß die manchmal keine Ahnung haben, wie es in Wirklichkeit ist. Und Omi meint auch, daß es gut ist, wenn Kinder kritisch sind. Sie erlaubt es auch nur, wenn es vor sieben Uhr ist. Ich finde die Filme sowieso blöd.«

      Er horchte auf.

      »Du hast ja sowieso richtig gesagt«, staunte er.

      »Ich muß doch jetzt aufpassen, daß mein Brüderchen alles richtig lernt«, sagte sie eifrig. »Nun mach schon, Papi, fahr endlich los.«

      Elf Uhr, hatte Dr. Leitner gesagt. Ihm wollte die Zeit auch nicht vergehen. Er war schon eine halbe Stunde vorher in der Klinik, und Leslie war noch bei der Nachuntersuchung.

      Helmut lief mit der Babytasche hin und her, bis es dann endlich soweit war, daß er Leslie in die Arme nehmen konnte.

      Der Kleine wurde warm eingepackt. An alles hatte Margarete Röck gedacht, auch an die Schwestern, für die Helmut ein großes Paket ins Schwesternzimmer gestellt hatte.«

      »Alles in Ordnung, mein Liebes?« fragte er mit bewegter Stimme.

      »Alles«, erwiderte Leslie und gab ihm einen innigen Kuß. Die Frauenklinik hatte ein modernes Märchen erlebt. Der Abschied war entsprechend.

      Dr. Leitner begleitete sie bis zum Ausgang. Auch in dieser schnellebigen Zeit gab es noch Liebe. Wie beglückend das doch war.

      Er vergaß im Augenblick, wie einsam er sich manchmal fühlte, denn als er sich umdrehte, blickte er in Schwester Claudias Augen und las in diesen ein Staunen – oder auch noch etwas anderes, das er nicht ergründen konnte.

      »So etwas gibt es auch noch«, sagte sie gedankenvoll. Dann lächelte sie verlegen. »Entschuldigung«, fügte sie hinzu.

      »Wofür?« fragte er

      »Es waren meine ganz persönlichen Gedanken.«

      »Warum sollten Sie die nicht aussprechen? Ich dachte das auch.« Er überwand seine Hemmungen. »Gefällt es Ihnen bei uns, Schwester Claudia?«

      »Ja, sehr.«

      »Sie machen sehr oft Dienst, wie ich festgestellt habe.«

      Sie errötete. »Ich würde gern mal ein ganzes Wochenende freihaben, wenn es möglich ist«, sagte sie.

      »Das wird doch zu machen sein.« Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Wenn Sie private Sorgen haben, können Sie es mir sagen. Ich habe festgestellt, daß Sie in den letzten Tagen sehr ernst sind.«

      Und er hatte auch darüber nachgedacht, ob daran ein Mann schuld sein könnte.

      »Meine kleine Schwester ist krank«, erwiderte Schwester Claudia leise. »Sie ist in einem Internat. Sie hat nur mich.«

      »Warum haben Sie das nicht schon früher gesagt?« fragte er bestürzt.

      »Ich habe bisher nicht erlebt, daß jemand dafür Verständnis hat.«

      »Wie alt ist Ihre Schwester?« fragte er.

      »Vierzehn.«

      »Und was fehlt ihr?«

      »Das weiß man noch nicht. Deswegen möchte ich mich selbst darum kümmern.«

      »Das tun Sie aber sofort. Es wird sich eine Vertretung finden lassen.«

      »Danke, Herr Doktor«, sagte sie leise.

      »Einen Augenblick noch«, sagte Dr. Leitner. »Sorgen Sie allein für Ihre Schwester?«

      Sie nickte. Jetzt sah sie ihn nicht an. Sie hatte den Kopf gesenkt.

      »Warum haben Sie das nicht angegeben? Sie hätten doch Anspruch auf eine Beihilfe? Wir werden das regeln, wenn Sie zurück sind. Lieber Gott, bin ich denn so furchterregend?«

      »Ich bin erst so kurze Zeit hier«, erwiderte sie stockend. Dann legte sich doch ein Lächeln um ihren Mund. »Furchterregend sind Sie gewiß nicht, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf.«

      »Und in Ehrfurcht braucht niemand vor mir zu erstarren«, sagte er, aber dann verschwand er schnell in seinem Zimmer.

      *

      Helmut Röck fuhr indessen ganz vorsichtig durch die Straßen. Das Baby schlief in der warmgepolsterten Tasche. Leslie saß neben dieser auf dem Rücksitz. Die freudige Erregung auf das Kommende hatte sie beide stumm gemacht.

      Leslie stand ja das Zusammentreffen mit Annette bevor.

      Für beide war es dann ein ganz großer Augenblick, als sie sich gegenüberstanden. Leslie streckte die Hände aus, das Kind legte seine kleinen hinein, dann umarmten sie sich.

      »Mein liebes kleines Mädchen«, flüsterte Leslie.

      »Ich freue mich so«, sagte Annette und drückte sich ganz eng in diese liebevollen Arme, die sie umschlossen. »Darf ich gleich Mami sagen, oder muß ich noch warten?«

      »Es ist so schön, daß du mich liebhaben willst!« Tränen rannen über Leslies Wangen.

      »Aber weinen darfst du nicht«, flüsterte Annette. »Du sollst dich freuen.«

      Und dann mußte sie das Baby betrachten. Sie tat es aus angemessener Entfernung, wie es die Omi gesagt hatte.

      »Ich würde ihm ja gerne ein Bussi geben«, sagte Annette, »aber man muß sehr vorsichtig sein mit so einem kleinen Wesen, hat Omi gesagt. Ich will auch nichts falsch machen. Ihr könnt euch auf mich verlassen.«

      »Das wissen wir«, sagte Helmut. Und dann setzte sich Annette auch brav neben die Wiege, in der schon sie gelegen hatte, und Helmut konnte Leslie das Haus zeigen, in dem sie nun zu Hause sein würde.

      Diskret hatte Margarete Röck sich zurückgezogen, nachdem Leslie die moderne Küche bewundert hatte.

      »Du kannst ja noch so manches ändern nach deinem Geschmack«, sagte Helmut.

      »Ich finde alles sehr hübsch«, sagte sie leise. »Ich werde ein richtiges Zuhause haben. Wie kann ich dir nur danken?«

      Er küßte sie zärtlich. »Du bist bei mir. Es ist wunderschön, Leslie. Ich bin dankbar. Du wirst bald meine Frau sein, und ich werde eine ganze Menge Zeit haben, damit du dich auch richtig an mich gewöhnen kannst. Ich habe noch vom letzten Jahr Urlaub zu bekommen und den neuen kann ich gleich anschließend nehmen. Und dann– hoffentlich gefällt dir das – werde ich einen Schreibtischposten übernehmen. Eine Stufe klettere ich aufwärts.«

      »Das ist weniger wichtig, aber der Schreibtischposten gefällt mir sehr. Ich werde nicht dauernd Angst um dich haben müssen. Das ist ein herrliches Hochzeitsgeschenk, Liebster.«

      Sie sanken sich in die Arme, erfüllt von einem berauschenden Glücksgefühl. Und tatsächlich hätten sie in diesen Minuten fast das Baby vergessen.

      Aber Annette wachte ja über dessen Wohlergehen. Zaghaft kam sie herein.

      »Darf ich mal stören?« fragte sie. »Unser Baby weint, aber es weint so leise, daß man es kaum hört. Meint ihr nicht, daß es Hunger hat?«

      »Wenn wir dich nicht hätten«, sagte Leslie. »Ja, jetzt braucht es sein Fläschchen.«

      »Später kann ich es ihm dann ja geben, wenn ich genau Bescheid weiß«, sagte Annette. »Dann brauche ich euch nicht mehr zu stören.«

      »Du bist ein Schatz«, sagte Leslie weich. »Aber du störst uns nie.«

      »Jetzt bist du erst mal Papis Schatz«, erwiderte Annette darauf. »Und das ist auch recht so.« Aber dann hörte man den Kleinen doch. Er hatte eine ganz kräftige Stimme, wenn ihm das Warten zu lange wurde.