Medici fünfzig Jahre alt geworden; aber so oft einer aus diesem Hause den Schauplatz verließ, trat allemal ein anderer wieder auf, freilich mit sehr verschiedenem Maße von Talenten ausgerüstet, und mit abwechselndem Glücke. Jetzt traf die Reihe den Julius, der zuerst als Cardinal und bald darauf als Papst Clemens der Siebente Haupt der Familie ward. Von ihm hing nunmehr das Schicksal der Republik ab. Eine Partei, die aus den vorzüglichsten jungen Männern von Florenz bestand, mit denen Macchiavelli in der intimsten Verbindung lebte, und zu deren Belehrung er seine Betrachtungen über den Livius geschrieben, die zweien derselben, dem Zanobi Buondelmonti und Cosimo Ruccellai, zuge[pg 13]eignet sind, – dieser Club, der von den Gärten Ruccellai, wo er sich versammelte, benannt ward, machte Pläne zu einer Herstellung der Republik, die dem Cardinale Giulio vorgelegt wurden. Die Hoffnung, die man auf seine anscheinende Mäßigung gebaut hatte, ward vereitelt. Er bewies auch hier die furchtsame verschlossene Falschheit, die sein ganzes Leben charakterisirt. Er hatte nie die Absicht gehegt, zu willfahren, oder er änderte seine Entschließung, als er sah, wohin die Pläne, die man ihm angab, führen würden. Aber der Patriotismus jener Freunde der Freiheit war ernstlich gemeint. Sie machten (1523) Anstalt, ihren Entwurf mit Gewalt auszuführen, und den Cardinal, der im Wege stand, wegzuräumen. Die Verschwörung ward entdeckt. Luigi Alamanni und Jacopo da Diaceto verloren das Leben auf dem Blutgerüste. Zanobi Buondelmonti, ein andrer Ludovico Alamanni, (dem Macchiavelli sein Leben des Castruccio Castracani zugeeignet hat), Batista della Palla, Anton Bruccioli und einige ihrer Anhänger geringeren Standes wurden verbannt. Macchiavelli war ebenfalls in diese Unternehmung verwickelt: er entfloh.4 Die Medici fühlten sich noch nicht stark genug, den republikanischen Geist der Florentiner zu unterdrücken: sie versuchten es, ihn einzuschläfern, indem sie die letzten Vorfälle möglichst geschwind vergessen ließen. Der Cardinal fürchtete Erbitterung zu erregen, die seinen Absichten auf den päpstlichen Stuhl hinderlich gewesen wäre. Als er diesen ein Jahr darauf wirklich bestieg, suchte Macchiavelli sich wieder an ihn anzuschließen, und erhielt Aufträge von Wichtigkeit, von ihm und von der florentinischen Regierung. Wenige Jahre darauf erlaubten die Umstände noch einen Versuch zur Wiederherstellung der Republik zu machen. 1527 wurden die Medici aufs Neue vertrieben und die Freiheit proclamirt. Macchiavelli erschien sogleich in seiner Vaterstadt. Allein die Bemühungen seiner Freunde Zanobi Buondelmonti und Luigi Alamanni, ihn in den Rath von [pg 14]zehn Männern wählen zu lassen, dem die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten übergeben werden sollte, wurden durch die allgemeine Abneigung vereitelt, die das Volk gegen den Rathgeber der Medici und den Verfasser des Buchs vom Fürsten gefaßt hatte. Vergeblich suchte er die Schrift zu unterdrücken, welche seine Gesinnungen so verdächtig machte.5 Der Verdruß über die fehlgeschlagenen Versuche, sich wieder zu heben, hatte vermuthlich Antheil an seinem Tode, der bald darauf erfolgte.
Die Republik, die der Enthusiasmus des Volks unter günstigen Umständen errichtet hatte, unterlag nach zwei Jahren der vereinten Macht des Papstes und des Kaisers. Nachdem Clemens der Siebente sie durch Unterstützung Karl des Fünften bezwungen hatte und mit ihr nach Gefallen walten konnte, erneuerten die Freunde des Macchiavelli zum letzten Male ihre Bemühungen. Sie baten den Papst, neben der ersten Stelle in der Republik, die er seinem angeblichen Neffen Alessandro zuwenden wollte, die Hauptzüge einer republikanischen Verfassung bestehen zu lassen, welche schon Macchiavelli dem Papste Leo X. empfohlen hatte. Das Wesentliche dieses Entwurfs, wodurch die Bürger einen wirklichen Antheil an der Verwaltung des Staats erhalten hätten, verwarf Clemens: den Anschein behielt er anfangs bei, nahm bald aber auch dieses Schattenbild eines Gemeinwesens weg. Alessandro ward 1531 unumschränkter Herr, und genoß seine Größe als ein ächtes Kind des [pg 15]Glücks, das weder durch Talente, noch durch eigne, seien es rühmliche, seien es ruchlose Unternehmungen, sondern blos durch die Macht eines Andern erhoben war. Mit Dirnen und Buhlknaben, wie Tacitus vom Domitian sagt, spielte er den Fürsten, zog Schmausereien und Maskenbälle fürstlichen Beschäftigungen vor, zu denen es ihm mehr an Lust als an Geschicklichkeit fehlte, und erhielt nach fünf Jahren von einem Vetter Lorenzino von Medici den Lohn seiner Nichtswürdigkeit, ohne daß dieser Mord den florentinischen Republikanern zu Gute gekommen wäre. Ein andrer Medici, Cosmus, ward 1536 zum Herzoge ausgerufen, und nach einem Siege über die republikanische Partei, die sich zum letzten Male unter Anführung des Filippo Strozzi erhob, wirklicher Beherrscher von Florenz. Dieser beruhigte endlich das Volk: er bezähmte die Widerspenstigen, besänftigte die Gemüther, lähmte jede gefährliche Kraft, schmeichelte dem Talente, beschenkte, versorgte, ehrte Alle, die berechtigte oder unberechtigte Ansprüche machten;6 und erstickte damit das ganze Geschlecht vorzüglicher Männer aller Art, wodurch Florenz bis auf seine Zeiten als der hellste Stern in der neuern Geschichte der Cultur des menschlichen Geistes geglänzt hatte.
In die Mitte dieser Periode fällt das Leben des Macchiavelli (von 1469 bis 1527). In der an Talenten, Künsten und Wissenschaften aller Art reichen Stadt, in einem Volke, das sich durch den lebhaftesten Verstand und die heftigsten Leidenschaften auszeichnete, unter den Stürmen einer unsichern Verfassung und den häufigen Katastrophen derselben war er selbst unaufhörlich thätig. Die Geschäftswelt hatte ihn gebildet. Der eignen Erfahrung verdankte er es, daß er aus den großen Schriftstellern des Alterthums mehr lernte, als Andere darin finden. Sie gab seinem Urtheile über die frühere Geschichte und über [pg 16]die Ereignisse seiner Zeit die treffende Schärfe, die man immer mehr bewundert, je mehr man seine Bemerkungen mit dem vergleicht, was seinem Vaterlande nach seinem Tode widerfuhr. Die Verhältnisse, in die er verwickelt war, hatten ihm das Innere der Republiken und die Geheimnisse der Fürsten aufgedeckt. Er verstand sich auf die Politik jeder Partei. Man findet ihn aber auch in den entgegengesetztesten Factionen.
Er liebte die Verfassung, in der er geboren und so lange Zeit auf die glänzendste Art thätig gewesen war. Aber er mochte wol in gewissen Augenblicken daran verzweifeln, eine dauernde Republik in Florenz hergestellt zu sehen. Er zeigt selbst im siebzehnten Kapitel des dritten Buchs seiner „Discorsi“, daß ein verdorbenes Volk sich schwerlich bei der Freiheit erhalten könne; und im folgenden Kapitel, daß es eben so schwer sei, die verlorne Freiheit wieder herzustellen. Er sagt es gerade heraus, einem solchen Volke sei es besser, daß sich seine Staatsverfassung der Alleinherrschaft eines Einzigen nähere: und die Anwendung auf sein Vaterland liegt nahe genug!
Im Anfange des siebenten Buchs seiner Geschichte bemerkt er, daß die innern Uneinigkeiten das Leben der Republiken ausmachen, und ihre Stärke vermehren, so lange sie nicht in Anhang einzelner Häupter oder Familien ausarten; sobald aber dieses eintritt, den Staat schwächen und das Wesen der Republik vernichten. In Florenz, sagt er selbst, waren alle innern Zwistigkeiten von dieser verderblichen Art. „Daher wissen die Florentiner die Freiheit nicht zu behaupten, und können die Knechtschaft nicht ertragen.“
In der That, wenn man die innere Geschichte von Florenz überdenkt, deren letzte Katastrophen oben angegeben sind, so findet man, daß die Republik in den schlechten Zeiten nur elende Anarchie, in den besseren maskirte Monarchie gewesen war.
Von der frühern Zeit sagt Macchiavelli im Anfange des dritten Buchs seiner Geschichte: „Die innern Uneinigkeiten, welche in Rom Wetteifer und Streit erregten, sind in Florenz sehr frühe in Factionen und innern Krieg aus[pg 17]geartet. In Rom veranlaßten sie neue Gesetze, um abzuhelfen: in Florenz endigten sie stets mit Mord und Verbannung angesehener Bürger. In Rom dienten sie dazu, daß einzelne große Häupter sich erhoben. In Florenz haben sie Alles gleich gemacht. In Rom wollte das Volk der größten Ehren gleich dem Adel theilhaft werden. In Florenz wollte es ausschließlich herrschen. Die neuen erzwungenen Gesetze waren daher ungerecht gegen den Adel. In Rom wurden die Niedriggebornen immer edler und fähiger, die Stellen zu bekleiden, nach denen sie strebten. Durch ihre zunehmende Kraft und Talente ward der Staat groß. In Florenz wurden die Edlen aus den öffentlichen Aemtern vertrieben, und mußten dem niedrigen Volke gleich werden, um zu jenen zu gelangen. Die edeln Eigenschaften, wodurch die Männer aus dem Volke in Rom den Edelgebornen gleich zu werden trachteten, wurden in Florenz auch im Adel ausgelöscht. So ward der Staat immer niedriger und verächtlicher. So wie Rom durch den Uebermuth der Bürger dahin gerieth, daß es nicht mehr ohne einen Herrn bestehen konnte, so kam es mit Florenz dahin, daß jede Verfassung durch eine geschickte Hand aufgedrungen werden konnte.“
Die alten Zwistigkeiten des Adels mit dem Volke, von denen Macchiavelli hier redet, endigten um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts mit der Tyrannei des Herzogs von Athen,7 der den Florentinern durch