Lilly Grünberg

Nuancen der Lust


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und trampelte in spielerischem Unmut mit den Füßen hin und her.

      Marvin gab seinem Freund ein Zeichen, etwas zu sagen.

      »Still! Du bekommst, was du verdienst.«

      Evas Antwort war ein knurrender Laut der Ungeduld. Sie zerrte an den Fesseln und stampfte fester auf. »Mach’s mir endlich!«

      Steffen kicherte, als er sah, was Marvin aus einer Schublade geholt hatte. Dieser packte Evas linkes Fußgelenk und schlang eine Fesselbandage darum, dann zog er ihren Fuß nach außen und sicherte diese Position mit Kette und Karabinerhaken an einem Holm des Andreaskreuzes. Als er mit Evas zweitem Bein genauso verfuhr, stöhnte sie laut auf.

      »Nein, nein …«

      »Glaubst du immer noch, du bist in der Position, etwas zu verlangen?«, lachte Steffen mit einem zynischen Unterton, der Marvin nicht gefiel. Sein Freund war in solchen Dingen so sensibel wie ein Holzpfosten. Marvin legte den Finger auf den Mund und Steffen zuckte gleichgültig mit den Schultern, wobei er seinem Freund den Dildo reichte.

      »Bitte«, flehte Eva. »Bitte, ich verlange gar nichts. Aber ich halte das nicht länger aus. Bitte, gib mir einen Orgasmus.«

      Aha, sie hätte die Lektion wahrscheinlich auch ohne Steffens Kommentar verstanden. Ihre Schamlippen glänzten so sehr vom Lustsaft, dass dieser bereits in einem dünnen Rinnsal an der Innenseite ihrer Schenkel herablief, und Marvins Verlangen wurde noch größer, als er ihr den Dildo wieder hineinschob. Wenn er mit ihr alleine wäre – er würde seinen eigenen Drang nicht zurückhalten. So wie sie jetzt vor ihm stand, würde er sie nehmen. Gefesselt, gespreizt, ausgeliefert. Es gab für ihn nichts Aufregenderes, als wenn eine Frau sich auf dieses Spiel einließ, und sich ihm vertrauensvoll völlig auslieferte. Schnell und tief penetrierte er Eva jetzt mit dem Dildo, steigerte das Tempo noch mehr, und hielt kurz inne.

      »Nein, bitte, bitte hör nicht auf!« Ihr Befehlston hatte gelitten. Es klang schon eher nach einer Bitte, bestimmt konnte sie das aber noch besser. Wenn sie sich künftig auf ein Spiel mit ihm einlassen würde. Wollte er das? Sein Herz raste vor Verlangen.

      Marvin stieß den Dildo wieder tiefer und schneller hinein, bis Eva kurz darauf mit einem langgezogenen Aufschrei kam. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, es ihr gleich noch einmal zu besorgen und sie zu einem weiteren Höhepunkt zu treiben. Der Vorteil der Frauen, zu mehreren Orgasmen fähig zu sein, wie beneidenswert. Aber im Beisein des Freundes konnte er sie unmöglich nehmen. Marvin unterdrückte ein Stöhnen. Nein, er würde Eva nicht nehmen. Noch war sie nicht SEIN, noch wusste sie nicht einmal, dass es ihn gab.

      Ein Schmatzen war zu hören, als er den Dildo langsam herauszog. Evas Kopf war ein wenig nach vorne geneigt und ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus Zufriedenheit und Erschöpfung. Wären sie ein Paar, würde er ihre Fesseln lösen und sie liebevoll in seine Arme nehmen, um den Rausch der Erregung langsam ausklingen zu lassen.

      Als er Steffens Arm auf seinem spürte und dieser ihm den Dildo abnahm und weglegte, wurde ihm bewusst, wie sehr sein Schwanz schmerzte. Evas nackter Körper hatte ihn mehr erregt, als er sich hatte eingestehen wollen. Steffen schaute ihm kurz auf die Hose, verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen, zeigte ihm seine Zigarettenpackung und schlich dann auf Zehenspitzen hinaus.

      Marvins Puls raste. Es wäre das erste Mal, dass er mit einer Frau Sex hätte, die ihn nicht kannte und die er nicht kannte, und die nicht einmal ahnte, dass er nicht derjenige war, den sie bezahlt hatte. Eigentlich hatte er nur Steffen ein wenig helfen und anleiten wollen und nun hatte sich diese Sache anders entwickelt, als er geahnt hatte.

      Vermutlich war es nicht richtig, aber sein Verlangen war zu groß. Es bedurfte nur weniger Handgriffe, Gürtel und Reißverschluss zu öffnen, und die Hose fallen zu lassen. Er löste die Fessel an Evas linkem Bein, griff unter ihren Oberschenkel und hob ihr Bein hoch. Als er mit seiner Eichel an ihre Schamlippen stupste, presste sie ein tiefes »Ja!« hervor. Dann stieß er seinen Schwanz in ihre warme Spalte, klatschte seine freie Hand auf ihren Po und presste sie fest an sich.

      »Ja«, stöhnte sie nochmal auffordernd und hob den Kopf ein wenig mehr, als versuchten ihre Augen hinter der Maske sein Gesicht zu erforschen. »Nimm mich.«

      Hätte Eva Einwände, wenn sie wüsste, dass er nicht Steffen war? Ihre Muschi war so feucht, dass es ein Genuss war, seinen Schwanz wieder und wieder tief in sie hinein zu stoßen. Ihr Stöhnen stachelte ihn an, schneller zu werden, seine Finger fester in ihren Po zu drücken, und im nächsten Moment wurden sie von ihrem Orgasmus überwältigt, fast zeitgleich, stöhnend, beinahe schreiend, gemeinsam um Atem ringend. Ihre Lippen suchten die seinen, und obwohl sie beide kaum genügend Luft hatten, um nicht ohnmächtig zu werden, erlagen sie einem leidenschaftlichen Kuss, als wäre dies als Krönung ihrer sexuellen Vereinigung unabdingbar.

      Nur mit Mühe gelang es Marvin sich von ihren Lippen und ihrem Körper zu lösen, und sich wieder anzuziehen. Es war wie das Auftauchen aus einem Nebel mit einer kurzzeitigen Orientierungslosigkeit. Vor allem widersprach dies völlig seinem Verständnis für das Ausklingenlassen. Wäre Eva seine Gefährtin, würde er ihr jetzt in aller Ruhe die Fesseln abnehmen und es sich dann mit ihr, Arm in Arm und in eine Decke gehüllt, auf dem Sofa gemütlich machen.

      Körperliche Befriedigung hatten sie beide eben erhalten. Die seelische Befriedigung jedoch fehlte. Einen letzten Blick auf Eva werfend, die ein wenig kraftlos in den Fesseln hing, schnappte er sich seine Jacke und verließ das Studio.

      »Alles klar?«, fragte Steffen, der unten vor dem Eingang stand und rauchte.

      Marvin nickte. »Zwei Straßen weiter ist ’ne Bar. Treffen wir uns dort?«

      Steffen warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. »Klar. So in ’ner Viertelstunde. Bis denn.«

      Während Marvin am Tresen bei einem kühlen Pils auf seinen Freund wartete, dachte er nach. Was als Hilfestellung gemeint gewesen war, beschäftigte ihn nun mehr, als er gewollt hatte. Zwar hatte er zuvor die Möglichkeit erwogen, aktiv einzugreifen. Aber es war daraus sehr viel mehr geworden. In seinem Kopf manifestierte sich von Minute zu Minute konkreter ein Plan, der vielleicht ein wenig verrückt und riskant war. Als Steffen endlich eintraf, war Marvin jedoch bereits fest entschlossen, seine Idee durchzusetzen.

      »Ein Helles!«, rief Steffen dem Barkeeper ungeduldig zu, der am Ende des Tresens stand und Gläser ins Regal sortierte. Dann setzte er sich auf den Barhocker neben Marvin und schlug diesem kumpelhaft auf die Schulter. »Mann, soviel hast du doch gar nicht anders gemacht, als ich.«

      Ach ja? Das sehe ich anders.

      Steffen nickte dem Barkeeper zu, der das Bierglas vor ihm abstellte und drehte sich dann zu Marvin, um mit ihm anzustoßen. »Prost, alter Junge, auf eine gelungene Session.« Gut ein Viertel der Glasfüllung verschwand mit einem Zug in seinem Mund. Er leckte sich den Schaum von den Lippen. »Aaaah, tut das gut. Und wie geht’s jetzt weiter?«

      »Das kann ich dir sagen. Du musst einsehen, dass du Eva nicht geben kannst, was sie braucht. Die richtige Mischung aus Belohnung und Strafe, aus Zärtlichkeit und Schmerz. Und Dominanz. Echte Dominanz. Das kann man nicht spielen. Das muss man in sich tragen.«

      »Mag sein. Und was schlägst du vor?«

      »Ich bezahle deine Schulden, damit bist du aus der Nummer raus und überlässt mir Eva.«

      »Wie bitte? Du redest von ihr wie von einer Ware. Das ist doch allein ihre Entscheidung, wen sie zur Befriedigung ihrer Neigungen engagiert.«

      »Du hast natürlich recht, aber glaub mir, sie wird nichts dagegen einzuwenden haben. Wenn wir es richtig anfangen.«

      Es hatte noch zwei Gläser Wein und einiger Argumente bedurft, ehe Steffen sich mit Marvins Plan einverstanden erklärte. Sein größtes Problem war dabei gar nicht, dass er sich Sorgen darüber machte, wie Eva reagieren würde, sondern Marvin vorwarf, warum dieser ihm nie von seinen Neigungen erzählt hatte. Soviel zum Thema langjährige Männerfreundschaft. Wobei Steffen sich anhören musste, dass er Marvin von seinem Nebendienst nichts erzählt