Lilly Grünberg

Nuancen der Lust


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sie nicht die Auftraggeberin, sondern eine Hure, die man nach Belieben weiterreicht. War Steffen etwa doch nicht so harmlos? Hatte er ausgelotet, wie heiß sie auf Sex war und auf welche Spiele sie sich einlassen würde, um sie dann in die Fänge eines Zuhälters zu führen? Ein kalter Schauer jagte ihren Rücken hinunter und dämpfte für einen Augenblick ihre Erregung. Der Dildo in ihrem Inneren erschien ihr plötzlich wie ein Feind, der von ihr Besitz ergriffen hatte.

      Ihre Verärgerung und Sorge hielt jedoch nur kurz an, dann überwogen Instinkt und Gefühl. Denn der andere, der ihr als Dom vorgestellt wurde, übertraf Steffen bei weitem an Attraktivität – und an Überlegenheit, das spürte sie sofort. Der Blick, mit dem er ihrer Musterung standhielt, war stolz und selbstbewusst, jedoch ohne den unangenehmen Beigeschmack von Überheblichkeit. Seine Dominanz war beinahe körperlich wahrzunehmen, obwohl keine Berührung stattfand. Wie würde es sein, wenn er – nein, das hatten die beiden nicht ernst gemeint, dass sie tauschen würden. Oder doch?

      Eva wagte kaum zu atmen, als Marvin ihr die Hand zur Begrüßung entgegen streckte. Sein Griff war angenehm fest. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander. Schweiß sammelte sich nun in ihrem Rücken. Ihre Empfindungen wechselten im Sekundentakt und ihr blieb kaum Zeit, sich auf den Platzwechsel der beiden Männer einzustellen.

      Sie hätte aufstehen und gehen können. Immerhin befand sie sich an einem öffentlichen Ort und zumindest innerhalb des Restaurants war sie sicher. Schließlich hatte sie doch beschlossen, das Abenteuer zu wagen, nichts Gefährliches hinter dieser Aktion zu vermuten und ging auf Marvins Forderungen ein. Denn falls, ja falls er wirklich ein Dom war, der wie sie Erfüllung bei dieser Art erotischer Spiele suchte und über ausreichende Erfahrung verfügte, wie man diese sicher und mit dem gewünschten Spaßfaktor gestaltete, dann wäre ihre Begegnung ein Volltreffer.

      Rückblickend war der Abend das Aufregendste gewesen, was Eva seit langem erlebt hatte. Ab dem Augenblick, als Marvin den Kochlöffel gekonnt zweckentfremdete, hatte Eva alle Bedenken abgeworfen und nur noch spontan gehandelt, geleitet von ihren momentanen Empfindungen und Bedürfnissen. Als hätte sie genau auf jemanden wie ihn gewartet, der sie heiß machte, ihr den Orgasmus standhaft verweigerte und hinausschob, verfiel sie in einen Rausch der Sinne, der nach Wiederholung verlangte. Am Schluss wäre sie bereit gewesen, ihn auf allen Vieren kniend um die Gewährung eines Höhepunktes anzuflehen. Das war jedoch nicht nötig gewesen.

      Das Nebensächlichste war das Essen. Gewiss, es war ausgezeichnet gewesen. Es gab nicht das Geringste daran auszusetzen. Aber zwischen den einzelnen Gängen hatte Marvin sie immer wieder aufs Neue erregt, bis sie vor Lust kaum mehr japsen konnte. Sie flehte ihn um einen Höhepunkt an, aber er blieb hart.

      Ehe er sie mit seinem Wagen direkt vor die Haustür brachte, gönnte er sich noch mehrmals den Spaß, sie fremdzusteuern. Sie hatte keine Augen für sein Auto, ob es sich um eine besondere Marke handelte. Gefangen in der Lust ihres Körpers nahm sie auf dem Beifahrersitz Platz und registrierte lediglich, dass die ledernen Schalensitze sehr bequem waren. Kurz darauf wand sie sich atemlos, wimmernd, außer Kontrolle und ihm vollkommen ausgeliefert, wenn er den Vibrator ein- und ausschaltete. Aber auch ohne Penetration war ihre Erregung mittlerweile so intensiv und überreizt, dass sie schließlich mit einem Aufschrei kam, als er die Vibration gerade wieder abschaltete.

      Der Abend hatte ihre Erwartungen bei weitem erfüllt. Marvin wiederholte seine Frage nicht, ob sie ihn als ihren Dom anerkenne. Für ihn schien dies eine logische Schlussfolgerung zu sein. Ganz Gentleman stieg er zuerst aus, ging um den Wagen herum, öffnete die Tür und reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.

      »Wann sehen wir uns wieder?«, wisperte sie benommen.

      Er führte ihre Hand hoch zu seinem Mund und hauchte einen Kuss darauf, wobei er ihr direkt in die Augen sah. »Bald, sehr bald. Wie ich schon sagte, ich werde dich anrufen, wenn ich dich sehen will.«

      Eva schüttelte matt den Kopf. »Ich kann nicht einfach so. Ich habe nur abends oder am Wochenende Zeit.«

      Marvin legte ihr seinen Finger auf den Mund. »Pscht, ich weiß, du bist eine erfolgreiche, vielbeschäftigte Frau. Aber der Reiz liegt doch gerade darin, allzeit bereit zu sein.«

      »Allzeit?«

      »Gewiss. Lass dich überraschen. Es wird dir gefallen. Ach ja, und dieser Spezialslip ist mein Geschenk an dich. Du solltest ihn oft tragen. Am besten ständig. Sei immer bereit, ich könnte in deiner Nähe sein.«

      Eva lachte amüsiert auf. »Du glaubst doch nicht, dass ich die ganze Zeit aufgegeilt herumlaufe? Wie soll ich mich denn dabei auf meine Arbeit konzentrieren?«

      Notgeil. Eva war diesbezüglich vollkommen ehrlich zu sich selbst. Sie war nicht nur erregt, sie verspürte nicht nur noch mehr Lust auf Sex als bisher. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes notgeil. Geil auf Erregung, geil auf Befriedigung, geil darauf, Marvin wieder zu sehen.

      Aus purer Neugierde hatte sie am nächsten Tag seine Anweisung befolgt und den Dildoslip getragen. Es war nicht so, dass sie Marvin ernsthaft als Dom anerkennen und ihm gehorchen wollte. Um eine devote Liebessklavin abzugeben, war sie viel zu stark. Ein Versuch jedoch konnte nicht schaden. War es möglich, sich einen Tag lang normal zu geben und nicht ständig das Gefühl zu haben, sie müsse breitbeinig laufen oder im Sitzen vor Geilheit die Beine spreizen?

      Es war schlimmer als sie befürchtet hatte. Als sie in ihren Wagen einstieg, hatte sie das Gefühl, sie müsse sich augenblicklich überall streicheln. Erregt rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her, was wiederum für einen Orgasmus nicht ausreichte. Na, das würde ja ein aufregender Tag werden.

      Das Wissen um den Dildo und seine spürbare Präsenz brachten sie dermaßen aus dem Konzept, dass sie es nur mit viel Disziplin schaffte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Hätte diese etwas mit einem gewöhnlichen Bürojob zu tun gehabt, wäre es vielleicht ein wenig einfacher gewesen. Aber der Anblick der Dessouskollektionen erinnerte sie ständig an die Empfindungen ihres eigenen Körpers.

      Zu arbeiten und ihren Mitarbeitern konkrete Anweisungen zu erteilen war eine immense Herausforderung. Und die brisante Frage, die sich dabei stellte: Verhielt sie sich auffällig? Beim Meeting mit ihren Mitarbeitern wagte Eva kaum, sich zu bewegen und schaffte es nur aufgrund ihrer langjährigen Professionalität mit halbwegs sicherer Stimme ihre Meinung zu neuen Dessousentwürfen, der Fotoauswahl für die nächste Werbestrecke und anderen Themen zu äußern. Wenn ihre Mitarbeiter wüssten, was ihre Chefin im Moment viel mehr beschäftigte …

      Im Anschluss an die Sitzung suchte sie sofort die Toilettenräume auf und betrachtete sich ausgiebig im Spiegel. Nichts war ihr anzusehen, alles im grünen Bereich. Obwohl – ihre Wangen waren ein wenig rosiger als sonst, ihre Augen glänzten mehr. War das jemandem aufgefallen? Und wenn schon. Man würde das am ehesten ihrem enthusiastischen Engagement zuschreiben.

      Um dem Dauerreiz zu entgehen könnte sie den Slip ausziehen oder sich selbst befriedigen. Nein, ich kneife nicht. Ich halte das durch.

      Irgendwie gelang es ihr, den Tag durchzustehen. Bis zum Abend war sie allerdings so überreizt, dass ihre Nippel vor Verlangen schmerzten, ihre Klitoris sich in immer kürzeren Abständen pochend meldete, ein penetrantes Ziehen in ihrer Vagina nach Erlösung verlangte und ihre Kleidung im Rücken vollkommen durchgeschwitzt war. Auch der Slip fühlte sich feucht und klebrig an, bestimmt war er von ihrem Lustsaft völlig durchtränkt.

      Der erste Weg zuhause führte Eva ins Bad. Schon im Flur zog sie sich aus und ließ ihre Kleidungsstücke einfach an Ort und Stelle fallen. Das musste sowieso alles später in die Waschmaschine. Eine kalte Dusche war jetzt dringend nötig, um wieder zu halbwegs normalem Verstand zu kommen. Mit einem Seufzer der Erleichterung schob sie ihre Finger unter den Bund des Slips, schob ihn über den Po herunter und da, als sie den Dildo langsam heraus zog, geschah es. Die gesamte Erregung und Anspannung des Tages entlud sich innerhalb von Sekunden in einem so heftigen Orgasmus, dass sie sich mit einem Aufschrei krümmte und gerade noch am Badewannenrand aufstützen konnte. Ah, wie gut das tat.

      Die Welle der köstlichen Empfindungen, die ihren Körper von