folgte eine Beratung der Offiziere und irgend welche Entscheidungen, die ich nicht genau verstand, da ich nur die Ergebnisse sah, daß wir einen widrigen Wind zu einem günstigen machten und südwärts steuerten.
Am zehnten Nachmittag fiel ein dicker, feuchter, weißer Nebel, daß man von einem Ende des Schiffes nicht bis zum anderen sehen konnte. Den ganzen Nachmittag sah ich, so oft ich über das Deck ging, Männer und Offiziere über das Bollwerk gelehnt, angestrengt horchen – »auf Brecher«, hieß es; und obwohl ich nicht einmal das Wort verstand, fühlte ich Gefahr in der Luft liegen und war aufgeregt.
Gegen zehn Uhr nachts, ich bediente eben Herrn Riach und den Kapitän beim Nachtmahl, stieß das Schiff mit großem Krach gegen irgend etwas und wir hörten Stimmen rufen. Meine zwei Herren sprangen auf ihre Beine.
»Aufgefahren!« sagte Herr Riach.
»Nein, Herr,« sagte der Kapitän, »wir haben nur ein Boot in den Grund gebohrt.«
Und sie eilten hinaus.
Der Kapitän hatte recht. Wir waren im Nebel an ein Boot angefahren, hatten es zertrümmert und es war sofort mit der ganzen Mannschaft gesunken, bis auf einen einzigen Mann. Dieser Mann war (wie ich nachträglich hörte) als Passagier am Steuer gesessen, während die übrigen auf ihren Bänken ruderten. Im Augenblick des Zusammenstoßes wurde das Steuer in die Luft geworfen und der Mann, da er die Hände frei hatte, war in die Höhe gesprungen und hatte am Bugspriet des Schiffes festen Halt gefaßt. Dies zeigte, daß er viel Glück hatte, große Geschicklichkeit besaß und über ungewöhnliche Kraft verfügte, sich solcherart aus einer so gräßlichen Lage retten zu können. Doch als der Kapitän ihn in die Offizierskajüte hereinführte und ich sein Antlitz zum erstenmal erblickte, sah er so kühl aus wie ich.
Er war etwas klein von Gestalt, aber gut gebaut und so flink wie eine Ziege. Sein Gesicht trug einen guten, offenen Ausdruck, war aber sehr sonnverbrannt, blatternarbig und voll Sommersprossen. Seine Augen waren ungewöhnlich hell und tanzten eigenartig wie in einem Wahn, was beängstigend und einnehmend zugleich war. Und als er seinen großen Mantel abnahm, legte er ein Paar schöne, silberbeschlagene Pistolen auf den Tisch und ich sah, daß er mit einem großen Schwert umgürtet war. Er hatte ein vornehmes Benehmen und dankte dem Kapitän in höflichen Worten. Alles zusammen hatte ich den Eindruck, daß ich diesen Mann lieber zum Freund als zum Feind hätte.
Auch der Kapitän stellte seine Beobachtungen an, aber ihn interessierten die Kleider mehr als der Mann. Und wirklich sah er, sobald er den Mantel abgelegt hatte, nur allzu prächtig aus für die Kajüte eines Handelsschiffes: Er trug einen Federhut, eine rote Weste, Hosen aus schwarzem Sammet und einen blauen Rock mit Silberknöpfen und schönen Silberborten; kostbare Kleider, nur einigermaßen mitgenommen durch den Nebel und dadurch, daß man anscheinend in ihnen geschlafen hatte.
»Es tut mir leid, Herr, wegen des Bootes«, sagte der Kapitän.
»Es sind ein paar wackere Leute untergegangen«, sagte der Fremde, »und ich wollte lieber die auf festem Lande wiedersehen als zwanzig Boote.«
»Freunde von Euch?« sagte Hoseason.
»In Eurem Lande gibt es solche Freunde nicht«, lautete die Antwort. »Sie wären für mich gestorben wie Hunde.«
»Gut, Herr,« sagte der Kapitän, ihn immer noch beobachtend, »es gibt mehr Menschen auf der Welt als Boote, sie zu fassen.«
»Das ist wahr«, rief der andere, »und Ihr scheint ein Mann von durchdringendem Verstand zu sein.«
»Ich war in Frankreich, Herr«, sagte der Kapitän und es war klar, daß er mit diesen Worten mehr sagen wollte, als es den Anschein hatte.
»So, Herr,« sagte der andere, »was das anbelangt, das tat gar mancher.«
»Sicherlich, Herr,« sagte der Kapitän, »und schöne Gewänder.«
»Oho!« sagte der Fremde, »bläst der Wind von da?« Und er legte schnell die Hand an seine Pistolen.
»Seid nicht voreilig«, sagte der Kapitän. »Stellt kein Unheil an, so lange Ihr nicht dazu gezwungen seid. Ihr tragt einen französischen Soldatenrock um Eure Schultern und eine schottische Zunge im Kopfe, soviel ist sicher. Aber das ist in diesen Tagen bei manchem ehrlichen Kerl so und ich muß sagen, es sind die schlechtesten nicht.«
»So?« sagte der Herr im feinen Mantel, »gehört Ihr der anständigen Partei an?« (was heißen sollte, ob er ein Jakobite wäre, denn bei dergleichen Spaltungen nimmt jede Partei den Namen der Anständigkeit für sich in Anspruch). »Ja, Herr,« antwortete der Kapitän, »ich bin ein waschechter, blauer Protestant und danke Gott dafür.« (Es war das erste Wort über Religion, das ich je von ihm gehört habe, aber ich erfuhr nachträglich, daß er an Land ein fleißiger Kirchenbesucher wäre.) »Trotz alledem«, sagte er, »tut es mir leid, wenn ich einen anderen mit dem Rücken gegen die Wand stehen sehe.«
»So, tut Euch das leid?« fragte der Jakobite. »Nun Herr, um ganz aufrichtig mit Euch zu sein, ich bin einer jener ehrenwerten Herren, die in den Jahren fünfundvierzig und sechsundvierzig ins Elend geraten sind, und (um noch aufrichtiger mit Euch zu sein) wenn ich irgend einem der rotröckigen Edelleute in die Hände gefallen wäre, wäre es mir wahrscheinlich schlecht ergangen. Jetzt, Herr, wollte ich nach Frankreich und ein französisches Schiff kreuzte hier herum, um mich aufzunehmen. Im Nebel ist es wohl an uns vorbeigefahren – wie ich von Herzen wünschte, Ihr hättet es getan! Das beste, was ich Euch sagen kann, ist folgendes: Wenn Ihr mich dort ans Ufer setzen könnt', wohin ich gehen wollte, so habe ich das Nötige bei mir, um Euch für Eure Mühe reichlich zu entschädigen.«
»Nach Frankreich?« sagte der Kapitän, »nein, Herr, das kann ich nicht tun. Aber dorthin, woher Ihr gekommen seid – darüber läßt sich reden.« Dann erblickte er mich unglückseligerweise in der Ecke und schickte mich stracks in die Küche, um für den Herrn ein Nachtmahl zu bringen. Ich verlor keine Zeit, kann ich Euch versichern, und als ich in die Kajüte zurückkam, sah ich, daß der Herr sich einen Geldgürtel vom Leibe geschnallt hatte und ein oder zwei Guineen auf den Tisch streute. Der Kapitän blickte erst auf die Guineen, dann nach dem Gürtel, dann in das Gesicht des Herrn und er schien mir sehr aufgeregt.
»Hälfte davon«, rief er, »und ich bin Euer.«
Der andere strich das Geld ein und nahm den Gürtel wieder um. »Ich habe Euch gesagt, Herr,« sagte er, »daß kein Deut davon mir gehört. Es gehört meinem Hauptmann« – er lüftete bei diesen Worten seinen Hut. »Und wenn ich auch ein dummer Bote wäre, wollte ich nicht ein paar davon gerne hergeben, um den Rest sicher abliefern zu können, so müßte ich doch wahrhaftig ein feiger Hund sein, wollte ich mein eigenes Gerippe gar zu teuer verkaufen. Dreißig Guineen auf der Seeseite oder sechzig wenn Ihr mich am Linnhe-Loch absetzen wollt. Schlagt ein oder tut was Ihr wollt.«
»Gut,« sagte Hoseason, »und wenn ich Euch den Soldaten ausliefere?«
»Das hieße wie ein Dummkopf handeln«, sagte der andere. »Mein Hauptmann, Herr, laßt Euch das sagen, hat sich sein Glück, wie jeder ehrliche Mann in Schottland, verwirkt. Seine Besitzungen sind in den Händen des Mannes, den man König Georg nennt. Es ist Sache seiner Beamten, die Steuern einzutreiben oder zu versuchen, sie einzutreiben. Aber zu Schottlands Ehre sei es gesagt, die armen Pächter gedenken ihres Herrn, der in der Verbannung weilt. Und dieses Geld hier ist ein Teil jener Steuern, die König Georg sucht. Nun, Herr, Ihr scheint mir ein Mann zu sein, der die Dinge richtig begreift. Bringt Ihr dieses Geld in den Besitz der Regierung, wie viel davon wird auf Euch kommen?«
»Wenig genug, sicherlich!« sagte Hoseason und dann fügte er trocken hinzu: »Wenn Sie etwas davon erführen; aber ich glaube, wollt ich es nur versuchen, so könnte ich meine Zunge schon im Zaume halten.«
»Ja, aber ich werde Euch dabei überlisten!« rief der Herr. »Wollt Ihr mich betrügen, so zahl' ich's Euch heim. Wenn Hand an mich gelegt wird, dann sollen Sie erfahren, wessen Geld es ist.«
»Gut,« antwortete der Kapitän, »was geschehen muß, geschehe! Sechzig Guineen und alles ist in Ordnung. Hier ist meine Hand drauf!«
»Und hier ist meine!« sagte der andere. Daraufhin