Robert Louis Stevenson

Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson


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an den Tisch nieder und hieß mich, sie laden.

      »Und das ist auch eine bessere Beschäftigung, will ich dir sagen, für einen Herrn von edler Geburt,« sagte er »als Teller abwaschen und Schnapsgläser reichen, noch dazu für ein paar schmutzige Matrosen.«

      Daraufhin stellte er sich in die Mitte, das Gesicht der Tür zugewandt und zog sein großes Schwert, um zu probieren wie viel Raum er hätte es zu schwingen.

      »Ich darf mich nicht von der Stelle rühren«, sagte er kopfschüttelnd, »und das ist schade. Und jetzt fahr' du nur fort mit dem Laden der Pistolen und gib auf mich Acht.«

      Ich sagte ihm, daß ich gut aufpassen wollte. Es schnürte mir die Brust zusammen, meine Kehle war ausgetrocknet, es wurde mir finster vor den Augen; der Gedanke an die Menge derer, die da gleich zu uns hereinstürzen würden, machte mein Herz beben und die Wellen, die ich rings um das Schiff waschen hörte und die, wie ich glaubte, noch vor Morgen meinen toten Körper empfangen würden, rauschten seltsam durch meine Gedanken.

      »Erstens,« sagte er, »wie viele sind gegen uns?«

      Ich zählte sie auf und meine Gedanken waren so zerfahren, daß ich zweimal zählen mußte. »Fünfzehn«, sagte ich. Alan pfiff. »Gut,« sagte er, »daran läßt sich nichts ändern. Und jetzt folge mir. Es ist meine Sache, die Türe zu halten, wo ich den Hauptkampf erwarte. Darein misch' dich nicht. Und merke dir, nach dieser Seite hin feuerst du nicht, außer wenn sie mich niedermachen. Ich habe lieber zehn Feinde vor mir, als hinter mir einen Freund wie dich, der Pistolen abfeuert.«

      Ich sagte ihm, daß ich wirklich kein großer Schütze wäre.

      »Und das ist sehr tapfer gesprochen«, rief er voll Bewunderung meiner Aufrichtigkeit. »Gar manch ein Herrchen hätte nicht gewagt es einzugestehen.«

      »Aber außerdem Herr«, sagte ich, »ist noch die Tür hinter Euch da, die sie vielleicht einbrechen könnten.«

      »Ja,« sagte er, »und das ist ein Teil deiner Arbeit. Sobald die Pistolen geladen sind, mußt du augenblicklich in dieses Bett hinaufklettern, von wo aus du's nah zum Fenster hast, und wenn sie Hand an die Tür legen, mußt du schießen. Aber das ist noch nicht alles. Wir wollen ein Stückchen von einem Soldaten aus dir machen, David. Was hast du noch zu bewachen?«

      »Das Dachfenster«, sagte ich. »Aber wirklich, Herr Stewart, da müßte ich ja auf zwei Seiten Augen haben, wenn ich auf beides aufpassen sollte. Denn, wenn ich mit dem Gesicht dem einen zugewendet bin, stehe ich mit dem Rücken zum andern.«

      »Ja, das ist ganz richtig,« sagte Alan, »aber hast du denn keine Ohren im Kopf?«

      »Richtig«, rief ich aus. »Ich müßte ja das Glas krachen hören.«

      »Du hast einige Rudimente von Verstand«, sagte Herr Alan spöttisch.

      Kapitel X

       Die Belagerung der Offizierskajüte

       Inhaltsverzeichnis

      Aber jetzt war die Zeit unseres Waffenstillstandes zu Ende. Die Männer auf Deck hatten so lange auf mein Kommen gewartet, bis sie ungeduldig geworden waren und kaum hatte Alan ausgesprochen, steckte der Kapitän auch schon den Kopf zur offenen Tür herein.

      »Halt«, schrie Alan und hielt ihm die Spitze des Schwertes entgegen.

      Der Kapitän stand still ohne zu zucken und ohne auch nur einen Schritt zurückzuweichen.

      »Ein nacktes Schwert,« sagte er, »das ist eine seltsame Erwiderung meiner Gastfreundschaft.«

      »Seht mich an!« rief Alan. »Ich stamme von Königen ab. Ich trage eines Königs Namen. Mein Zeichen ist die Eiche. Seht Ihr mein Schwert? Es schlug schon manchen Whigs das Haupt von den Schultern, mehr als Ihr Zehen habt an Euren Füßen. Ruft das Gesindel hinter Euch zusammen, Herr, und greift mich an! Je eher der Kampf beginnt um so eher werdet Ihr dieses Eisen in Eurem Körper spüren.«

      Der Kapitän sagte nichts zu Alan, aber er sah zu mir herüber und mit einem häßlichen Blick sagte er: »David, das will ich mir merken.« Und der schnarrende Ton seiner Stimme ging mir durch Mark und Bein.

      Im nächsten Augenblick war er fort.

      »Und jetzt«, sagte Alan, »mag deine Hand deinen Kopf schützen, denn jetzt kommt der Angriff.«

      Alan zog für den Fall, daß sie unter seinem Schwert durchschlüpfen sollten, einen Dolch, den er in der linken Hand hielt. Ich für mein Teil kletterte mit einem Arm voll Pistolen und so etwas wie einem schweren Herzen in das obere Bett hinauf, wo ich Wache halten sollte. Ich konnte nur einen kleinen Teil des Decks überblicken, aber für unsere Zwecke genügte es. Die See war ruhig und der Wind beständig, so daß er die Segel still hielt. Es herrschte vollkommene Ruhe auf dem Schiff und ich konnte daher deutlich ein Stimmengeflüster vernehmen. Einen Augenblick später hörte ich das Klirren von Eisen und ich erriet, daß sie die Säbel herausschafften und einen davon fallen gelassen hatten; dann war alles wieder still.

      Ich weiß nicht, ob ich Angst hatte, was man so nennt. Aber mein Herz schlug wie das eines Vogels, schnell und schwach; es wurde mir dunkel vor den Augen, und ich versuchte immer wieder, es wegzuwischen, und es kam immer wieder. Ich hatte gar keine Hoffnung, nur dumpfe Verzweiflung empfand ich und eine Art Wut gegen alle Welt, so daß es mich danach verlangte, mein Leben so teuer wie nur irgend möglich zu verkaufen. Ich versuchte auch zu beten, erinnere ich mich. Aber in der Hast der Gedanken – wie einer mitten im Laufen – konnte ich die Worte nicht finden.

      Dann geschah alles ganz plötzlich; Füßegetrampel und Brüllen, dann ein Schrei von Alan und der Klang von Schlägen, und jemand der aufschrie wie im Schmerz. Ich sah über meine Schulter zurück und erblickte Herrn Shuan in der Türöffnung, der mit Alan focht.

      »Der hat den Buben erschlagen«, rief ich.

      »Paß auf dein Fenster auf«, sagte Alan und mich diesem wieder zuwendend, sah ich eben noch, wie Alan dem Steuermann das Schwert in den Leib rannte.

      Es war keineswegs zu früh, daß ich mich meiner Aufgabe wieder zuwendete. Denn kaum war mein Kopf wieder am Fenster, als fünf Männer vorbeiliefen, die eine Reservesegelstange als Brechramme herbeitrugen, um die Tür einzudrücken. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Pistole abgeschossen und nicht häufig ein Gewehr und am allerwenigsten gegen einen Mitmenschen. Aber jetzt oder niemals! Und eben als sie die Stange hoben, rief ich: »Nehmt das!« und schoß in ihre Mitte.

      Ich mußte wohl einen von ihnen getroffen haben, denn er schrie auf, wich einen Schritt zurück und die übrigen blieben wie betroffen stehen. Ehe sie Zeit hatten, sich zu erholen, schoß ich eine zweite Kugel über ihre Köpfe hin. Und beim dritten Schuß (der ebenso weit fehl ging wie der zweite) warf die ganze Gesellschaft die Stange weg und rannte davon.

      Dann blickte ich wieder in die Kajüte zurück. Das ganze Zimmer war voll Rauch von meiner Schießerei, und in meinen Ohren dröhnte noch das Krachen der Schüsse. Aber da stand Alan so wie zuvor, nur war sein Schwert jetzt bis zum Heft voll Blut und er selbst so geschwellt von Triumph, so herrlich in seiner ganzen Haltung, daß er unbesiegbar zu sein schien. Gerade vor ihm auf dem Boden lag Herr Shuan auf Händen und Knien, Blut rann aus seinem Munde und er sank mit schrecklich bleichem Antlitz immer tiefer und tiefer. Eben als ich hinsah, erfaßten ihn einige von den hinter ihm Stehenden an den Füßen und zogen ihn buchstäblich aus der Kajüte.

      »Da habt Ihr einen Eurer Whigs«, rief Alan und dann zu mir gewendet, fragte er, ob ich viele getroffen hätte.

      Ich sagte ihm, daß ich einen gestreift habe und glaube, es wäre der Kapitän gewesen.

      »Und ich habe zwei erledigt«, sagte er. »Nein, es ist noch nicht genug Blut geflossen; sie werden wieder zurückkommen. Auf deinen Posten, David! Das war nur ein Schluck vor der Mahlzeit.«

      Ich setzte mich wieder in Positur, lud die drei Pistolen, die ich abgefeuert hatte und hielt mit Augen und Ohren Wache.