Robert Louis Stevenson

Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson


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      »Natürlich darf er das,« sagte der Squire. »Nimm deinen Hut – wir wollen uns das Schiff besehen.«

       Pulver und Waffen

       Inhaltsverzeichnis

      Die Hispaniola lag ein ziemliches Stück draußen, und wir kamen unter dem Bugspriet und hinter dem Heck so manches anderen Schiffes vorbei; manchmal berührte der Kiel unseres Bootes ihre Ankertaue, und manchmal fuhren wir unter solchen durch. Schließlich aber lagen wir neben dem Schoner und wurden, als wir an Bord kamen, vom Steuermann, Herrn Arrow, empfangen und begrüßt – einem braun gebrannten alten Schiffer, mit Ringen in den Ohren und mit einem schielenden Auge. Der Squire und er waren offenbar gute Freunde; ich bemerkte jedoch bald, daß zwischen Herrn Trelawney und dem Kapitän nicht das gleiche Verhältnis bestand.

      Der Kapitän war ein Mann mit scharfem Blick, der mit allem an Bord unzufrieden zu sein schien, was er uns übrigens bald selber sagen sollte, denn wir waren kaum in die Kajüte hinuntergegangen, so folgte uns ein Matrose und sagte:

      »Käpp’n Smollett, Herr, wünscht mit Ihnen zu sprechen.«

      »Ich stehe dem Kapitän stets zu Diensten. Laßt ihn hereinkommen,« sagte der Squire.

      Der Kapitän, der seinem Boten gefolgt war, trat sofort ein und machte die Tür hinter sich zu. »Nun, Käpp’n Smollett, was haben Sie zu sagen? Es ist doch alles in Ordnung, hoffe ich: alles schiffsgemäß und seefertig?«

      »Tscha, tscha, Herr,« sagte der Kapitän, »ich glaube, es ist wohl besser, wenn ich ganz offen spreche, selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mir das übelnehmen. Mir gefällt diese Kreuzerfahrt nicht; mir gefallen die Leute nicht; und mir gefällt mein Steuermann nicht. Das ist kurz und bündig.«

      »Vielleicht, Herr, gefällt Ihnen auch das Schiff nicht?« fragte der Squire, sehr ärgerlich, wie ich sehen konnte.

      »Darüber kann ich nichts sagen, Herr, denn ich habe den Schoner noch nicht versucht,« sagte der Kapitän. »Er scheint ein schneidiges Schiff zu sein, mehr kann ich nicht sagen.«

      »Vielleicht, Herr, gefällt Ihnen auch Ihr Auftraggeber nicht?« sagte der Squire.

      Aber hier griff Dr. Livesey ein und sagte:

      »Halt mal, halt! Solche Fragen haben weiter keinen Zweck, als daß sie Unfrieden stiften. Der Kapitän hat entweder zu viel oder zu wenig gesagt, und ich muß ihm erklären, daß ich von ihm Näheres über den Sinn seiner Worte zu hören wünsche. Sie sagen: diese Kreuzerfahrt gefällt Ihnen nicht. Nun, warum denn nicht?«

      »Ich war, Herr, wie wir das nennen, ›auf versiegelte Order‹ angenommen: ich sollte für diesen Herrn das Schiff fahren, wohin er mir befehlen würde, schön und gut. Aber jetzt finde ich, daß jeder Mann vor dem Mast mehr davon weiß als ich selber. Das nenne ich nicht anständig – nun, tun Sie das?«

      »Nein,« sagte Dr. Livesey, »das finde ich auch nicht.«

      »Sodann erfahre ich, daß wir auf Schatzsuche gehen – das heißt: ich erfahre das von meinen eigenen Leuten. Nun, Schatzsuchen ist ein kitzliges Geschäft; Fahrten hinter Schätzen her gefallen mir überhaupt nicht, am wenigsten aber, wenn sie geheim gehalten werden, und wenn – entschuldigen Sie, Herr Trelawney – das Geheimnis schon dem Papagei erzählt worden ist.«

      »Silvers Papagei?« fragte der Squire.

      »Es ist so eine Redensart,« sagte der Kapitän. »Ich will damit sagen: es wird darüber geplappert. Und ich bin der Meinung, von Ihnen, meine Herren, weiß keiner, worum es geht. Aber ich will Ihnen sagen, was ich davon denke: es geht um Leben und Tod, und zwar scharf auf der Kante.«

      »Das ist alles klar, und wie ich glaube, vollkommen richtig,« antwortete Dr. Livesey. »Wir nehmen das Wagnis auf uns; aber wir sind nicht so unwissend, wie Sie von uns glauben. Zweitens sagen Sie: die Mannschaft gefällt Ihnen nicht. Sind es keine guten Seeleute?«

      »Sie gefallen mir nicht, Herr!« antwortete der Kapitän. »And ich bin der Meinung, eigentlich hätte ich meine eigenen Leute mir selber aussuchen sollen.«

      »Vielleicht haben Sie da recht,« erwiderte der Doktor. »Vielleicht hätte mein Freund Sie hinzuziehen sollen; aber wenn er Ihnen dabei überhaupt zu nahe getreten ist, so ist das ohne Absicht geschehen. Drittens: Herr Arrow gefällt Ihnen nicht?«

      »Nein, Herr. Ich glaube, er ist ein guter Seemann; aber er läßt sich der Mannschaft gegenüber zu sehr gehen, um ein guter Offizier sein zu können. Ein Steuermann sollte sich für sich halten, sollte nicht mit den Leuten vor dem Mast trinken!«

      »Wollen Sie damit sagen, daß er trinkt?« rief der Squire.

      »Nein, das nicht,« antwortete der Kapitän; »nur, daß er zu vertraulich mit ihnen ist.«

      »Na, was ist denn das Lange und Kurze davon, Kapitän?« fragte der Doktor. »Sagen Sie uns, was Sie eigentlich wollen.« »Nun, dann also: Meine Herren, sind Sie entschlossen, diese Fahrt zu unternehmen?«

      »Wie Eisen!« rief der Squire.

      »Gut. Sie haben mit großer Geduld Dinge von mir angehört, die ich nicht beweisen konnte; lassen Sie mich bitte Ihnen noch ein paar Worte mehr sagen. Die Leute sind gerade dabei, das Pulver und die Waffen ins Vorderschiff zu bringen. Nun, Sie haben ja einen guten Platz unter der Kajüte; warum die Waffen und das Pulver nicht dorthin bringen? Das ist der erste Punkt. Dann haben Sie vier von Ihren eigenen Leuten mitgebracht, und wie ich höre, sollen einige von diesen in der Vorderback schlafen. Warum wollen Sie sie nicht neben der Kajüte schlafen lassen? Das ist der zweite Punkt.«

      »Sonst noch etwas?« fragte Herr Trelawney.

      »Nur noch ein einziger,« sagte der Kapitän. »Es ist schon zu viel geschwatzt worden.«

      »Viel zuviel!« gab der Doktor zu.

      »Ich will Ihnen sagen, was ich selber gehört habe,« fuhr der Kapitän fort: »Sie haben eine Karte von einer Insel; auf dieser Karte befinden sich Kreuze, um die Stellen anzuzeigen, wo Schätze vergraben sind; und die Insel liegt –« und dann nannte er ganz genau Länge und Breite.

      »Das habe ich niemals einer Menschenseele gesagt!« rief der Squire.

      »Die Mannschaft weiß es, Herr!« antwortete der Kapitän.

      »Livesey, dann müssen Sie oder Hawkins es gesagt haben!« rief der Squire.

      »Es kommt nicht viel darauf an, wer es gewesen ist,« antwortete der Doktor, und ich konnte wohl sehen, daß weder er noch der Kapitän großen Wert auf Herrn Trelawneys Beteuerungen legte. Auch ich tat das sicherlich nicht, denn er war wirklich überaus redselig; aber in diesem Falle glaube ich, sprach er tatsächlich die Wahrheit und hatte wirklich keinem Menschen die Lage der Insel genannt.

      »Nun, meine Herren,« fuhr der Kapitän fort, »ich weiß nicht, wer diese Karte hat; aber ich mache es ausdrücklich zur Bedingung, daß sie sogar vor mir und Arrow geheim gehalten wird. Sonst müßte ich Sie bitten, zurücktreten zu dürfen.«

      »Ich verstehe,« sagte der Doktor. »Sie wünschen, daß wir diese Sache geheim halten, daß wir aus dem hinteren Teil des Schiffes eine Art Festung machen, die mit den eigenen Leuten meines Freundes bemannt ist und wo alle Waffen und der ganze Pulvervorrat des Schiffes sich befinden. Mit anderen Worten: Sie befürchten eine Meuterei.«

      »Herr Doktor!« sagte der Kapitän; »ich habe nicht die Absicht, Sie zu beleidigen, aber ich erkläre Ihnen: Sie haben kein Recht, mir Worte in den Mund zu legen, die ich nicht gesprochen habe! Kein Kapitän, Herr Doktor, hätte das Recht, überhaupt in See zu gehen, wenn er tatsächliche Gründe hätte, so etwas zu sagen. Von Herrn Arrow glaube ich, daß er ein durchaus ehrlicher Mann ist; dasselbe gilt von einigen unter der Mannschaft; vielleicht sind sie sogar alle ehrlich – das weiß ich nicht. Aber