Karl Marx

Das Kapital (Alle 3 Bände)


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Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, innerhalb der kapitalistischen Produktion, bezweckt, den Teil des Arbeitstags, den der Arbeiter für sich selbst arbeiten muß, zu verkürzen, um grade dadurch den andren Teil des Arbeitstags, den er für den Kapitalisten umsonst arbeiten kann, zu verlängern. Wieweit dies Resultat auch ohne Verwohlfeilerung der Waren erreichbar, wird sich zeigen in den besondren Produktionsmethoden des relativen Mehrwerts, zu deren Betrachtung wir jetzt übergehn.

      Kooperation

       Inhaltsverzeichnis

      Die kapitalistische Produktion beginnt, wie wir sahen, in der Tat erst, wo dasselbe individuelle Kapital eine größere Anzahl Arbeiter gleichzeitig beschäftigt, der Arbeitsprozeß also seinen Umfang erweitert und Produkt auf größrer quantitativer Stufenleiter liefert. Das Wirken einer größern Arbeiteranzahl zur selben Zeit, in demselben Raum (oder, wenn man will, auf demselben Arbeitsfeld), zur Produktion derselben Warensorte, unter dem Kommando desselben Kapitalisten, bildet historisch und begrifflich den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion. Mit Bezug auf die Produktionsweise selbst unterscheidet sich z.B. die Manufaktur in ihren Anfängen kaum anders von der zünftigen Handwerksindustrie als durch die größere Zahl der gleichzeitig von demselben Kapital beschäftigten Arbeiter. Die Werkstatt des Zunftmeisters ist nur erweitert.

      Der Unterschied ist also zunächst bloß quantitativ. Man sah, daß die Masse des Mehrwerts, welche ein gegebnes Kapital produziert, gleich dem Mehrwert, den der einzelne Arbeiter liefert, multipliziert mit der Anzahl der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter. Diese Anzahl ändert an und für sich nichts an der Rate des Mehrwerts oder dem Exploitationsgrad der Arbeitskraft, und mit Bezug auf die Produktion von Warenwert überhaupt scheint jede qualitative Verändrung des Arbeitsprozesses gleichgültig. Es folgt dies aus der Natur des Werts. Vergegenständlicht sich ein zwölfstündiger Arbeitstag in 6 sh., so 1.200 solcher Arbeitstage in 6 sh. × 1.200. In dem einen Fall haben sich 12 × 1.200, in dem andren 12 Arbeitsstunden den Produkten einverleibt. In der Wertproduktion zählen viele immer nur als viele einzelne. Für die Wertproduktion macht es also keinen Unterschied, ob 1.200 Arbeiter vereinzelt produzieren oder vereint unter dem Kommando desselben Kapitals.

      Indes findet doch innerhalb gewisser Grenzen eine Modifikation statt. In Wert vergegenständlichte Arbeit ist Arbeit von gesellschaftlicher Durchschnittsqualität, also die Äußerung einer durchschnittlichen Arbeitskraft. Eine Durchschnittsgröße existiert aber immer nur als Durchschnitt vieler verschiedner Größenindividuen derselben Art. In jedem Industriezweig weicht der individuelle Arbeiter, Peter oder Paul, mehr oder minder vom Durchschnittsarbeiter ab. Diese individuellen Abweichungen, welche mathematisch "Fehler" heißen, kompensieren sich und verschwinden, sobald man eine größere Anzahl Arbeiter zusammennimmt. Der berühmte Sophist und Sykophant Edmund Burke will aus seinen praktischen Erfahrungen als Pächter sogar wissen, daß schon "für ein so geringes Peloton" wie 5 Ackerknechte aller individuelle Unterschied der Arbeit verschwindet, also die ersten besten im Mannesalter befindlichen fünf englischen Ackerknechte zusammengenommen in derselben Zeit grad soviel Arbeit verrichten als beliebige andre fünf englische Ackerknechte. Wie dem auch sei, es ist klar, daß der Gesamtarbeitstag einer größren Anzahl gleichzeitig beschäftigter Arbeiter, dividiert durch die Anzahl der Arbeiter, an und für sich ein Tag gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit ist. Der Arbeitstag des einzelnen sei z.B. zwölfstündig. So bildet der Arbeitstag von 12 gleichzeitig beschäftigten Arbeitern einen Gesamtarbeitstag von 144 Stunden, und obgleich die Arbeit eines jeden des Dutzend mehr oder minder von der gesellschaftlichen Durchschnittsarbeit abweichen, der einzelne daher etwas mehr oder weniger Zeit zu derselben Verrichtung brauchen mag, besitzt der Arbeitstag jedes einzelnen als ein Zwölftel des Gesamtarbeitstags von 144 Stunden die gesellschaftliche Durchschnittsqualität. Für den Kapitalisten aber, der ein Dutzend beschäftigt, existiert der Arbeitstag als Gesamtarbeitstag des Dutzend. Der Arbeitstag jedes einzelnen existiert als aliquoter Teil des Gesamtarbeitstags, ganz unabhängig davon, ob die zwölf einander in die Hand arbeiten oder ob der ganze Zusammenhang ihrer Arbeiten nur darin besteht, daß sie für denselben Kapitalisten arbeiten.

      Werden dagegen von den 12 Arbeitern je zwei von einem kleinen Meister beschäftigt, so wird es zufällig, ob jeder einzelne Meister dieselbe Wertmasse produziert und daher die allgemeine Rate des Mehrwerts realisiert. Es fänden individuelle Abweichungen statt. Verbrauchte ein Arbeiter bedeutend mehr Zeit in der Produktion einer Ware, als gesellschaftlich erheischt ist, wiche die für ihn individuell notwendige Arbeitszeit bedeutend ab von der gesellschaftlich notwendigen oder der Durchschnittsarbeitszeit, so gälte seine Arbeit nicht als Durchschnittsarbeit, seine Arbeitskraft nicht als durchschnittliche Arbeitskraft. Sie verkaufte sich gar nicht oder nur unter dem Durchschnittswert der Arbeitskraft. Ein bestimmtes Minimum der Arbeitsfertigkeit ist also vorausgesetzt, und wir werden später sehn, daß die kapitalistische Produktion Mittel findet, dies Minimum zu messen. Nichtsdestoweniger weicht das Minimum vom Durchschnitt ab, obgleich auf der andren Seite der Durchschnittswert der Arbeitskraft gezahlt werden muß. Von den sechs Kleinmeistern würde der eine daher mehr, der andre weniger als die allgemeine Rate des Mehrwerts herausschlagen. Die Ungleichheiten würden sich für die Gesellschaft kompensieren, aber nicht für den einzelnen Meister. Das Gesetz der Verwertung überhaupt realisiert sich also für den einzelnen Produzenten erst vollständig, sobald er als Kapitalist produziert, viele Arbeiter gleichzeitig anwendet, also von vornherein gesellschaftliche Durchschnittsarbeit in Bewegung setzt.

      Auch bei gleichbleibender Arbeitsweise bewirkt die gleichzeitige Anwendung einer größren Arbeiteranzahl eine Revolution in den gegenständlichen Bedingungen des Arbeitsprozesses. Baulichkeiten, worin viele arbeiten, Lager für Rohmaterial usw., Gefäße, Instrumente, Apparate usw., die vielen gleichzeitig oder abwechselnd dienen, kurz, ein Teil der Produktionsmittel wird jetzt gemeinsam im Arbeitsprozeß konsumiert. Einerseits wird der Tauschwert von Waren, also auch von Produktionsmitteln, durchaus nicht erhöht durch irgendwelche erhöhte Ausbeutung ihres Gebrauchswerts. Andrerseits wächst der Maßstab der gemeinsam gebrauchten Produktionsmittel. Ein Zimmer, worin 20 Weber mit ihren 20 Webstühlen arbeiten, muß weiter gestreckt sein als das Zimmer eines unabhängigen Webers mit zwei Gesellen. Aber die Produktion einer Werkstatt für 20 Personen kostet weniger Arbeit als die von 10 Werkstätten für je zwei Personen, und so wächst überhaupt der Wert massenweise konzentrierter und gemeinsamer Produktionsmittel nicht verhältnismäßig mit ihrem Umfang und ihrem Nutzeffekt. Gemeinsam vernutzte Produktionsmittel geben geringren Wertbestandteil an das einzelne Produkt ab, teils weil der Gesamtwert, den sie abgeben, sich gleichzeitig auf eine größre Produktenmasse verteilt, teils weil sie, im Vergleich zu vereinzelten Produktionsmitteln, zwar mit absolut größrem, aber, ihren Wirkungskreis betrachtet, mit relativ kleinrem Wert in den Produktionsprozeß eintreten. Damit sinkt ein Wertbestandteil des konstanten Kapitals, also proportionell zu seiner Größe auch der Gesamtwert der Ware. Die Wirkung ist dieselbe, als ob die Produktionsmittel der Ware wohlfeiler produziert würden. Diese Ökonomie in der Anwendung der Produktionsmittel entspringt nur aus ihrem gemeinsamen Konsum im Arbeitsprozeß vieler. Und sie erhalten diesen Charakter als Bedingungen gesellschaftlicher Arbeit oder gesellschaftliche Bedingungen der Arbeit im Unterschied von den zersplitterten und relativ kostspieligen Produktionsmitteln vereinzelter selbständiger Arbeiter oder Kleinmeister, selbst wenn die vielen nur räumlich zusammen, nicht miteinander arbeiten. Ein Teil der Arbeitsmittel erwirbt diesen gesellschaftlichen Charakter, bevor ihn der Arbeitsprozeß selbst erwirbt.

      Die Ökonomie der Produktionsmittel ist überhaupt von doppeltem Gesichtspunkt zu betrachten. Das eine Mal, soweit sie Waren verwohlfeilert und dadurch den Wert der Arbeitskraft senkt. Das andre Mal, soweit sie das Verhältnis des Mehrwerts zum vorgeschoßnen Gesamtkapital, d.h. zur Wertsumme seiner konstanten und variablen Bestandteile, verändert. Der letztre Punkt wird erst im ersten Abschnitt des Dritten Buchs dieses Werks erörtert, wohin wir des Zusammenhangs wegen auch manches schon hierher Gehörige verweisen. Der Gang der Analyse gebietet diese Zerreißung des Gegenstands, die zugleich dem Geist der kapitalistischen Produktion entspricht. Da hier nämlich die Arbeitsbedingungen dem Arbeiter selbständig gegenübertreten, erscheint auch ihre Ökonomie als eine besondre Operation, die ihn nichts angeht und daher getrennt ist von den Methoden, welche seine persönliche