Arthur Achleitner

Celsissimus


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Erregung, die sich in Rufen des Erstaunens, im Gemurmel und Tuscheln grimmigsten Neides äußerte.

      Salome, ein Mädchen mittlerer Größe von kaum zwanzig Lenzen, war soeben in den für die Frauen reservierten Raum getreten; lächelnd begrüßte sie die Damen, nickte den Mädchen zu und schritt langsam zur Bürgermeisterin, die sich ob der Pracht solcher Kleidung nicht zu fassen wußte, wiewohl sie wahrlich weiß, daß Salome über Prachtgewänder dank der Freigebigkeit des Vaters zu verfügen hat. Ein bezaubernder Liebreiz ist über das runde Madonnenantlitz des Mädchens ausgegossen, der schlanke Wuchs weist das herrlichste Ebenmaß auf mit einer Fülle reizendster Formen, die ein Männerauge in hellstes Entzücken versetzen muß. Blendend weiß die reine Stirne, von blonden Löckchen umrahmt, die Zähnchen schimmernd gleich Perlen, das goldige Haar aufleuchtend im Licht der vielen Kerzen, Kinderaugen lieb und rein, rundes Kinn, ein Wesen so sanft, unschuldsvoll und lockend, und dennoch bescheidener Art, die es vermeidet, das eigene schöne Ich irgendwie in den Vordergrund zu drängen. Ein leises Rot liegt wie angehaucht auf Salomes zarten Wangen, ein Lächeln inneren Triumphes auf den leicht geöffneten Lippen. Fürstlich muß die Erscheinung des Mädchens genannt werden im weiten blauen, mit Nörzpelz gefütterten Atlasrock, besetzt mit goldenen und silbernen Schnüren, um den Hals eine vierfache Perlenkette, am Halsausschnitt die steife Spitzenkrause, die Ärmel verbrämt mit golddurchwirktem Tuch.

      „Gott zum Gruß, liebwerte Muhme!“ lispelte Salome und erwies der

       Bürgermeisterin gebührende Reverenz.

      Frau Alt brachte den Mund nicht zu vor Überraschung und mußte erst verschnaufen, bis sie zu stammeln vermochte: „Salome! Wie eine Fürstin siehst du aus! Gott straf' mich peinlich, so dein Rock nicht die fünfhundert Lot Perlen hat und in die tausend Thaler kostet!“

      „Gefällt Euch das Kleid nicht? Das thät' mich schmerzen, der gute Vater ist zufrieden, und das macht mich immer glücklich!“

      „Schon, gewiß auch! Aber Perlen, so viel Perlen für eine junge Maid! Das ist zu viel des Guten, Kind! Und Perlen bringen dereinst Zähren, das hat mein Ahnl schon gesagt!“

      „Des will ich warten, Muhme!“ lachte silberhell die schöne Salome, „ich habe Zeit und fürchte mich nicht davor. Doch wenn Ihr verlaubet, will die anderen Frauen ich begrüßen!“

      Indes Salome einer Fürstin gleich und doch bürgerlich bescheiden den Frauen zuschritt, ward es immer lauter am Schenktisch drüben, wo der hastig geschluckte starke Südwein die Geister bereits zu entfesseln begann, und sowohl Stadtrat Thalhammer wie der ob seines Festbieres besorgte Vater Puchner herbeigeeilt waren, um weiteren Beraubungen der Getränkevorräte vorzubeugen. Ihr Veto und der Hinweis, daß die köstlichen Weine für das fürstliche Gefolge, nicht aber für Schmarotzer bestimmt seien, rief lebhaften Protest der naschhaften Bürgersöhne hervor, und besonders der noch ziemlich jugendliche Ratssohn Lechner opponierte lauter als schicklich war, gegen sothane Bemutterung. „Festgäste sind wir alle und in der Trinkstube zum trinken da, es bleibt sich gleich, ob wir unser Deputat vor oder erst nach dem Mahle trinken. Und auf diesen Wein wird der Fürst wohl nicht reflektieren, der hat besseren Tropfen im Keller des Keutschachhofes, besseren, sag' ich, als dieser Raifel, und der Höpfwein gar, der hat einen Stich!“

      Nun war es zu Ende mit der Ruhe Thalhammers, den eine Verschimpfung von Weinen, die seine Zunge als fürtrefflich erkieset, beleidigte. „Die Pest hat er, so diese Weine stichig sind! Sauf' er Wasser vom Gerhardsberg, das giebt Ihm den Verstand wieder, so einer überhaupt vorhanden war! Und die Rumorknechte schick' ich ihm auf den Hals!“

      „Die laßt nur hübsch zu Hause! Wir sind in unserer Trinkstube, die ist städtisch und gehört uns Bürgern! Wollt Ihr beten, geht in den Dom, ist Platz genug darin, für Euch und den Erzbischof!“

      „Wollt Ihr gleich stille sein!“ mischte sich Vater Puchner dazwischen, dem nicht ganz wohl ward bei so respektwidriger Erwähnung des noch dazu eben erwarteten Landesfürsten. „Wollet Ihr gröhlen, wartet bessere Gelegenheit ab! Kein Wort aber mehr über den erleuchteten erlauchten Herrn!“

      Dem Lechner saß der Weinteufel aber schon im Gehirn und er polterte unbekümmert los: „Erleuchtet, hehe! Der neue Herr mit dem seltsam Wappen! Wißt Ihr, Bierwanst, was der Wölfen Dieter im Schilde führt? Ich will es Euch sagen: eine schwarze Kugel im weißen Felde! Das ist die Finsternis! Wir werden es noch erleben, ein Wetter wird gehen über das Erzstift! Bringt Euren Schmeerbauch zu rechten Zeiten weg, der Erlauchte könnte Euch darauftreten, daß Ihr zwillt!“

      Bestürzt rief Rat Thalhammer: „Haltet ein, Ihr schwätzt Euch um den Kopf! Der neue Herr vergeht keinen Spaß von solcher Seite und läßt uns entgelten, was der Weindunst aus Euch spricht!“

      Grimmig pfauchte Lechner: „So laßt Euch auf den Köpfen tanzen, daß es staubt, Ihr Memmen! Ich fürcht' ihn nicht, den Wölfen Dieter samt seinen Degen! Haha! Ein Kirchenfürst, der spanisch herumstolziert gleich einem geckenhaften Junker!“

      Lärmender Tusch unterbrach diese Scene; auf ein Zeichen des

       Bürgermeisters hatten die Musikanten eingeht, den ins Haus getretenen

       Landesherrn anzublasen.

      Die mit Tannengrün und den Farben Salzburgs geschmückte Treppe herauf stieg Wolf Dietrich, gefolgt von den Würdenträgern seines Hofes. Der Gestalt nach war der Erzbischof und Landesfürst schmächtig, fast klein zu nennen, unschön die Züge seines Gesichtes mit kleinen, doch lebhaften Augen, deren Blick es jedoch verstand, sich Respekt zu verschaffen und den keiner auf die Dauer aushielt. Eine Unruhe lagerte über diesem Antlitz, ein Gedankenreichtum, etwas undefinierbar Gewaltiges, jeden Augenblick bereit, überraschend loszubrechen. Kaum dreißigjährig ging von diesem Manne ein Wille aus, der an die Vollkraft des reifen Mannes, an eine unbeugsame Willensstärke gemahnte, die Gestalt Wolf Dietrichs atmete Hochmut, trotz der kleinen Erscheinung, und gemahnte keineswegs an einen duldsamen Kirchenfürsten. Aristokrat von der Sohle bis zum Scheitel vereinigte Wolf Dietrich die Eigenschaften schwäbischen und lombardischen Blutes in sich; ein frischer, junger Mann „geschwinden Sinnes und Verstandes und auch hohen Geistes“, der infolge seiner Studien im collegium Germanicum zu Rom, seiner Erziehung im Palazzo seines Oheims Marx Dietrich von Hohenems, als Großneffe des regierenden Papstes, an Bildung den Landadel turmhoch überragte und sechs Sprachen beherrschte.

      Wolf Dietrich trug spanische Tracht, den Federhut, wie ihn Rudolf II. liebte, das Rappier stets an der Seite, wenn er nicht des Chorrocks und Baretts benötigte, und einen kostbaren schwarzen Mantel um die Schultern geschlagen. In dieser Kleidung war der schwäbische Landjunker von Raittenau am Bodensee sicher nicht zu erkennen, und der mit 29 Jahren zum Fürst-Erzbischof vom Stifte Salzburg erwählte Herr von Raittenau liebte es auch nicht, an seine schwäbische Abkunft erinnert zu werden, wiewohl die Kriegsthaten des Vaters Hans Werner ruhmreich genug gewesen. Seine Mutter Helena war eine Nichte Pius' IV. aus dem Geschlechte der Hohenems, ihr medizäisches Blut wallte in Wolf Dietrich heiß und stürmisch auf zu Rom wie — verspürbar allenthalben zu Salzburg.

      Mit dem ihm eigenen stechenden Blicke musterte Wolf Dietrich die Dekoration im Treppenhause und stieg langsam empor, haltmachend vor dem in tiefster Verbeugung gehenden Bürgermeister Alt, der ehrerbietigst Seine Hochfürstliche Gnaden begrüßte, ohne den gekrümmten Rücken zu heben, und den Willkomm gleichzeitig mit dem Dank für das huldvolle Erscheinen des gnädigen Fürsten stammelte.

      Ein hochmütiger Blick flog über des Bürgermeisters Rücken hinweg zu den Saalthüren, durch welche heller Kerzenschimmer herausflutete, es schien, als suchten Wolf Dietrichs Augen eine bestimmte Peinlichkeit.

      „So mögen denn Ew. Hochfürstliche Gnaden geruhen, den Schritt zu setzen in das vor Freude erzitternde Haus bemeldter Stadt, die das Glück hat….“

      „Will nicht hoffen! Liebe ‚zitternde‘ Häuser nicht! Soll ich aber den Fuß in den Saal setzen, mag Er Raum dazu geben!“ sprach ironisch lächelnd der junge Fürst, worauf sich der Bürgermeister erschrocken mit seinem gutgenährten Bäuchlein an die Stiegenmauer drückte. Wolf Dietrich schritt an ihm vorüber, und Alt wollte eben dem Fürsten folgen, da drückte ihn die energische Hand des Kammerherrn hinweg, das fürstliche Gefolge blieb dem Gebieter auf den Fersen. Bis auch noch