Arthur Achleitner

Celsissimus


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Ährenfeld im Winde vor dem Gebieter, dessen Feueraugen indes nach dem Frauengemach schielten, und mit ebenso überraschender wie gewinnender Liebenswürdigkeit sprach Wolf Dietrich: „Meinen Dank allen für den freundlichen Empfang! Doch ich bitte, zuerst die Damen! Nicht will ich die Ursache sein einer Verzögerung, und Frauen soll man niemals warten lassen!“

      Auf einen Wink des Fürsten schritt der Kämmerling an die offene Thür des

       Frauenwartegemaches und sprach: „Seine Hochfürstliche Gnaden lassen die

       Damen bitten, in den großen Saal zu treten!“

      Scheu und doch neugierig, geschmeichelt und doch ängstlich zugleich wollte von den Frauen keine vortreten, und für die jungen Mädchen schickte sich ein Vortritt überhaupt nicht.

      „Nicht um die Welt und Gastein dazu geh' ich voraus!“ wisperte die verdatterte Bürgermeisterin in einer schier unüberwindbaren Scheu vor dem Auge Wolf Dietrichs. Um aber an der Ehre des Vortrittes doch einigermaßen Anteil zu haben, auf daß sothane Ehre in der Verwandtschaft bleibe, gab Frau Alt der Nichte Salome einen ebenso freundlichen wie verständlichen Stoß mit der knöcherigen Faust und tuschelte dazu: „Geh du voraus, dein Kleid verträgt es!“

      „Wenn Ihr glaubt, Muhme, ich fürchte mich nicht und wüßte auch keinen Grund zu Angst und Sorge!“ erwiderte leise die schöne Salome, und schritt durch die offene Thür in den Hauptsaal; hinterdrein zappelten nun die Frauen und Töchter und guckten sich die Augen und Hälse wund nach dem jungen Fürsten in der spanischen Tracht.

      Noch ehe Salome die Lippen geöffnet, um den Dank von Salzburgs Damen für das gnädige Erscheinen des Landesherrn darzubringen, war Wolf Dietrich in seiner impulsiven Art dem schönen Fräulein entgegengegangen, und lebhaft rief der Fürst: „Ah, welches Glück lacht mir entgegen, des Festes Königin erscheint, und sie wolle auch meine Huldigung entgegennehmen!“ Mit eleganter Wendung griff Wolf Dietrich nach dem zierlichen Händchen Salomes und drückte galant die Lippen darauf.

      „Hochfürstliche Gnaden!“ stammelte überrascht die schöne Salome und wollte die Hand zurückziehen.

      „Nicht doch, bellissima! Gewährt die Gnade, daß des Stiftes Salzburg Herr der Schönheit huldigt! Euren Arm, Donna, und nun wollen wir geruhen, das Fest zu eröffnen!“

      Salome hatte sich gefaßt, die chevalereske Huldigung schmeichelte ihrem Sinn wie die offenkundige Auszeichnung; Salome wußte, daß sie strahlend schön, begehrenswert wie keine zweite Dame unter Salzburgs Mädchen ist, und in diesem Triumph legte das Fräulein, holdselig lächelnd, den vollen runden Arm in jenen des jungen Fürsten. Das Paar schritt nun durch den Saal, die Musikanten spielten eine flotte Weise dazu, die überraschten Patrizier und deren Frauen, Söhne und Töchter thaten das klügste, indem sie sich paarweise anschlossen und in der Ronde hinterdrein schritten. Gelegenheit zum schwätzen war dabei reichlich genug vorhanden, die Mündchen der Damen schnurrten wie Spinnrädchen. Neues genug bringt der neue Herr in alle Kreise. Ohne vorherigen Cercle ein Fest zu eröffnen, sich ein Fräulein herauszufischen, und das zur Festeskönigin erküren und auszurufen, welch neues, ungewöhnliches Vorgehen! Wenn der Fürst da doch wenigstens die eigene Tochter herausgefischt hätte! Aber so schlankweg die Salome Alt, die ohnehin sich geriert, als stamme sie aus fürstlichem Geblüt! Es muß ihr ja der Neid lassen, daß sie schön ist, hübscher als alle andere, aber weil das unbestreitbare Thatsache ist, wäre es besser, wenn sich die Alt-Tochter mehr im Hintergrund verhielte! Und dieser fabelhafte Luxus in der Kleidung! Eine Prinzessin hat kaum so viel Perlen zu tragen!

      Salomes Vater, Herr Wilhelm Alt, war mit sich selber nicht recht einig, als er mit der Schwägerin, der Muhme Salomes, dahinschritt. Die seiner Tochter widerfahrene Auszeichnung schmeichelte zum Teil ja gewiß auch dem Vater, besonders da Wolf Dietrichs Art sonst hochmütig ist und der junge Gebieter viel auf höfische Formen hält. Aber eben die so plötzliche Durchbrechung der Etikette will dem stolzen Kaufherrn nicht gefallen, sie verletzt durch ihre Außerordentlichkeit. Einem Stachel gleich wirkt auch die von Wilhelm Alt wohl beobachtete Scene, wie der Bruder-Bürgermeister von den Herren des fürstlichen Gefolges an die Stiegenwand gedrückt wurde; die Hofschranzen nehmen sich in ihrem Übermut zu viel heraus, der Bürgerstolz ist verletzt und stolz waren die Salzburger Patrizier von jeher. Was aber thun in diesem ungewöhnlichen Falle? Es ist nicht opportun, als Vater hinzutreten und dem Fürsten die Tochter aus dem Arm zu reißen.

      Die Muhme-Schwägerin trippelte an Wilhelm Alts Seite, schwelgend in Glückseligkeit. Von dem ihrem Gatten widerfahrenen Affront hat sie keine Ahnung, sie hat nur die beglückende Auszeichnung ihrer Nichte durch den stolzen Landesherrn wahrgenommen, mit eigenen Augen gesehen, wie der Gebieter die Hand Salomes geküßt, als wäre die Nichte eine wahrhaftige Prinzessin. Welches Glück, welche Auszeichnung für Salome, für die ganze Familie Alt! Die Muhme sieht die Zukunft in rosigem Lichte. Wer weiß, welche Auszeichnungen ein Verkehr mit dem fürstlichen Hofe, mit dem Erzbischof noch bringen kann! Hat doch Wolf Dietrich die besten Beziehungen zum Vatikan! Verwandt mit Seiner Heiligkeit! Ihn kann es nur ein Wort kosten, und die Muhme erhält den päpstlichen Segen separat, nur für sich! Die Bürgermeisterin erschrak in Gedanken vor der Kühnheit ihrer Hoffnungen, sie erinnerte sich, daß der Gemahl nichts weniger denn solche römische Aspirationen hegt und seine Behaglichkeit höher schätzt als Fürstengunst. Wenn es sich aber heimlich bewerkstelligen ließe, alles und just das brauchte der Bürgermeister ja nicht zu wissen, — der Muhme schwindelte vor diesem Gedanken und unwillkürlich stützte sie sich fester auf den Arm des Schwagers.

      Wer sich am Rundgang nicht beteiligt hatte, die jüngeren Bürger, Junker, auch die Plünderer des Schenktisches, hatten sich an der Saalwand aufgestellt und bildeten eine Gruppe in der Ecke, zu welcher sich der gründlich vergrämte Bürgermeister Alt gesellte, dessen Blicke nicht viel Gutes zu künden schienen. Manches bissige Wort über den Fürsten und sein Charmieren mit Salome fiel in dieser Gruppe, und der Bürgermeister wehrte dessen nicht. In ihm kochte es, die Behandlung auf der Treppe hat sein Blut erhitzt. Nicht minder ärgert es Alt, daß sein Eheweib an des Bruders Seite ersichtlich verklärt, schwimmend in Glückseligkeit, hinterdrein trippelt und durch dieses alberne Nachlaufen das fürstliche Karessieren gewissermaßen sanktioniert. Bürgermeister Alt knurrte: „Dumme Gans! Und Wilhelm könnte auch etwas Besseres thun, als mit der alten Schachtel hinterdrein zu laufen!“

      Einer der Jungen, die vom Südwein zu viel erwischten, krähte mit heiserer Stimme: „Guckt ihn an, den Erzbischof, der tänzelt wie ein spanischer Junker!“

      Und ein anderer, dessen Augen bereits gläsern geworden, brachte schluckend heraus: „Fein — wird—'s im E—e—er—z—st—st—stift!“

      Inzwischen war Wolf Dietrich mit Salome an diese Gruppe herangekommen; der Fürst winkte der Musik, die mit einer Dissonanz jäh abbrach, und sprach, seine Dame im Arm behaltend, den Bürgermeister mit vollendeter Liebenswürdigkeit und Herablassung wohlwollend an: „Lieber Alt! Niente di male! Ihr verzeiht mir wohl, daß ich im Banne der Schönheit auf Eure Meldung und Unordnung nicht gewartet, das Fest mit der Königin in persona eröffnet habe. Salzburgs schönste Mädchenblume rechtfertigt mein Verhalten und erklärt die Begeisterung meiner Gefühle! Glücklich ein Land, in dessen Gefilden solche Blumen blühen, glückliches Salzburg, dessen Herr zu sein mich mit freudigem Stolz erfüllt! Nun, mein lieber Bürgermeister, ist es nach Eurer Absicht, so laßt uns das Mahl beginnen, doch wünsche ich, daß zu Tisch mir des Festes Königin zur Partnerin verbleibe!“

      Der Bürgermeister hatte seinen Ohren nicht getraut, diese huldvolle

       Ansprache warf alle Rachegedanken über den Haufen, sie mußte einen

       Drachen in ein sanftes Lamm verwandeln; zum mindesten, das fühlte der

       Stadtvater deutlich genug, gehört auf solche Huld eine höfliche

       Dankesantwort, die aber im Handumdrehen nicht gedrechselt werden kann,

       denn Herr Ludwig Alt ist kein Geschwindredner und seine Gedanken

       verlangen eine überlegte gemächliche Aneinanderreihung. „Hochfürstliche

       Gnaden haben geruht!“ Das war der erste Anlauf, und nun muß einen

       Augenblick nachgedacht werden, was hinzugefügt