Alarmabteilung) drei Tage lang in der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig rund 900 Tonnen Unrat durchkämmten, konnte Thomas’ Körper nicht mehr gefunden werden – letztendlich ist er wohl inmitten von Unmengen an Abfall verbrannt worden.
Jürgen P. lenkte den Verdacht zunächst auf einen Bekannten, indem er in dessen Kellerabteil die blutigen Kleider des Toten deponierte. Auch das E-Mail mit der Lösegeldforderung, das zu einem Zeitpunkt verfasst wurde, als der 12-jährige Junge schon einige Stunden lang nicht mehr lebte, sollte offensichtlich von dem Verbrechen ablenken und die Fahnder an der Nase herum- und auf eine falsche Spur führen.
Der Mörder von Thomas Klinger ist im Juni 2003 in einem Indizienprozess, in dem es keinen Beweis, keine Leiche gab, zu 15 Jahren Haft verurteilt und aufgrund einer diagnostizierten schweren Persönlichkeitsstörung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden.
Romano Felice – Ein Fall wie aus einem Kriminalroman
Er spürt anfangs nicht, dass man ihm ein Messer in den Leib gerammt hat, fällt rücklings auf den Boden und fragt sich, warum der andere ihn niedergestoßen hat. Er fühlt den kalten Boden unter sich und versucht, sich wieder aufzurappeln, was ihm aber nicht gelingt. Da bekommt er einen Hocker zu fassen. Mühevoll hantelt er sich daran hoch und steht nach gefühlten zehn Minuten, als würden die Geschehnisse in Zeitlupe ablaufen, wieder auf den Beinen. Als er seinen Angreifer erblickt, nimmt er seine ganze Kraft zusammen und wirft den Stuhl nach ihm. Sein Oberkörper schmerzt, ein Brennen macht sich breit. Dann die Gewissheit: Blut, überall Blut. Werde ich das überleben?
Der Mann fragt sich, wie es wohl sei, zu sterben, während sich die Schmerzen in seinem Körper ausbreiten, die zuvor im Adrenalinrausch nicht zu spüren waren. Würde er einen Tunnel mit einem hellen Licht am Ende wahrnehmen und danach seine toten Freunde und Verwandten wiedersehen?
Romano Felice gleitet auf den Boden zurück und schließt die Augen … Warum lässt sie das zu? Sie hat mich wohl nie geliebt, denkt der Mann, bevor er das Bewusstsein verliert.
Das neue Jahrtausend war gerade einmal dreieinhalb Monate alt, als der spektakuläre Fall Klarfeld mit einer ganz gewöhnlichen Anzeige wegen Abgängigkeit begann. Was nach Routine aussah, entpuppte sich bald als eines der grausamsten Verbrechen, die Österreich je gesehen hatte.
Der 56-jährige Romano Felice Klarfeld war ein Beamter der alten Schule. Als Postamtsdirektor und Disziplinarverteidiger genoss der verheiratete Vater einer erwachsenen Tochter hohes Ansehen. Nachdem der engagierte Gewerkschafter am Morgen des 19. April 2000 nicht zur Arbeit erschienen und am Nachmittag einem Disziplinarverfahren unentschuldigt ferngeblieben war, begannen die Zahnräder zu laufen und die Fahnder nahmen die Ermittlungen auf.
Die folgenden Nachforschungen und Recherchen brachten dann allerdings eine andere Seite des allseits beliebten Postbeamten ans Tageslicht, als die des treu sorgenden Familienmenschen. Felice Romano pflegte nämlich Kontakte ins Rotlichtmilieu der Stadt, ein absolutes Tabu für einen Beamten. Die Untersuchungen ergaben außerdem, dass der Mann eine Geliebte hatte – eine Prostituierte, die mithilfe von Romano Klarfeld aus dem Milieu aussteigen wollte. Der Hals über Kopf in die Frau verliebte Klarfeld soll seiner Angebeteten überdies finanziell unter die Arme gegriffen haben, als diese sich ihren Traum erfüllte: ein eigenes Pub. Antonie M. war um viele Jahre jünger als ihr Liebhaber – und bildhübsch. Doch schon bald fielen erste Schatten auf die geheime Beziehung des biederen Beamten mit dem schönen Callgirl.
Meine Kollegen wussten schon bald, dass sie es hier nicht mit einer simplen Abgängigkeit zu tun hatten. Sie nahmen Antonie M. ins Visier und fanden nach kurzer Zeit heraus, dass sie sich neben Klarfeld noch weitere Liebhaber hielt. Zahlreiche im Einsatz befindliche BeamtInnen durchsuchten das Pub der ehemaligen Prostituierten – ohne Erfolg. War die Frau also tatsächlich unschuldig am Verschwinden ihres Sugar-Daddys?
Doch gerade als die Untersuchungen für abgeschlossen erklärt werden sollten, erregte eine kaputte Bodenfliese das Aufsehen der Kriminalbeamten. Antonie M. erklärte, dass ein Bierfass auf die Kachel gefallen war, was durchaus plausibel klang.
Die Ermittler recherchierten weiter und waren mehr denn je davon überzeugt, dass der Abgängige nicht einfach aus einer Laune heraus freiwillig verschwunden war. Natürlich wurden im Zuge der Ermittlungen auch die Finanzen des Mannes ins Visier genommen, doch es ließen sich keine Unregelmäßigkeiten oder auffällige Kontobewegungen feststellen, die ein Abtauchen der Person erklärt hätten.
Immer wieder wurden zwischendurch Verwandte und Bekannte, und auch Gemahlin und Tochter von Romano Felice vernommen. Aber auch in dieser Richtung liefen die Bemühungen, den aufgrund des hohen Ansehens des Beamten heiklen Fall zu klären, ins Leere.
Bald darauf geriet jedoch einer der Geliebten von Antonie M., Karl W., ein Gärtner aus Niederösterreich, unter dringenden Tatverdacht. Die BeamtInnen luden ihn vor und befragten ihn eingehend. Der Mann hatte den routinierten Ermittlern des Gewaltreferates schon nach kurzer Zeit nichts mehr entgegenzusetzen und brach schließlich im Kreuzverhör zusammen. Er »legte nieder«, wie es im Polizeijargon heißt.
Karl W. gestand, am 18. April 2000 in Antonies Pub gewesen und mit einem seiner Rivalen in Streit geraten zu sein. In einer Kurzschlusshandlung hatte er Klarfeld mit einem Messer einen Herzstich versetzt. Dieser hätte die Verletzung angeblich erst gar nicht bemerkt und geglaubt, gestoßen worden zu sein. »Warum schubst du mich?«, sollen Romano Klarfelds letzte Worte gewesen sein, nachdem er sich noch einmal aufrichten und einen Stuhl nach seinem Widersacher hatte werfen können.
Nachdem Klarfeld im Pub – vor den Augen seiner Geliebten – verstorben war, wurde sein Leichnam von dem 40-jährigen Gärtner mit einer Laubsäge in sieben Teile zersägt, danach die Beine und Arme, der Kopf und der zweigeteilte Oberkörper nahe einer Tierverwertungsanlage verscharrt.
Eine forensische Untersuchung im Pub mittels Luminol zeigte zahlreiche, im ganzen Lokal verteilte Blutspuren. Die meisten davon befanden sich rund um die kaputte Bodenfliese, für deren Zerbersten Antonie M. nach der Konfrontation mit dem Geständnis von Karl W. den Ermittlern den wahren Grund lieferte: Der schwer verletzte Romano Klarfeld hatte sie mit dem Barhocker beschädigt, bevor er diesen nach seinem Mörder warf.
Karl W. wurde zu einer 17-jährigen Haftstrafe verurteilt. Über Antonie M. verhängten die Geschworenen wegen Beitragstäterschaft eine Strafe von 13 Jahren.
Die Urteile gegen W. und M. bildeten das Ende eines Falles, der zeigt, dass hinter jeder Abgängigkeit mehr stecken kann, als das bloße Verschwinden eines Menschen.
Hier war – ganz wie in einem klassischen Kriminalroman – der Gärtner der Mörder.
Cold Cases als ungelöste Rätsel
Am schlimmsten für einen Abgängigenfahnder sind immer die Fälle, die er nicht zu Ende bringen kann. Wenn ein Akt offen bleibt, ist es, als säße einem ein winziger Stachel im Fleisch, der sich nicht entfernen lässt – es tut nicht wirklich weh, ist aber lästig.
Jeder Mensch trachtet ja danach, Rätsel zu lösen und Geheimnisse zu lüften, noch dazu, wenn sie spannend und mysteriös sind. Und nichts anderes machen Fahnder, die sich auf die Spur eines Abgängigen begeben – sie analysieren die gegebene Situation, versuchen, rätselhafte Ereignisse aufzuklären und das Geheimnis, das es aufgrund seines Verschwindens im Leben des Vermissten gegeben haben muss, zu ergründen, um die Person wiederfinden zu können. Hier nun fünf besonders schwierige Fälle, die noch immer ungelöst sind.
Mirko – Game over
Mirko hat seine Entscheidung getroffen. Es war nicht einfach gewesen, diesen Schritt überhaupt in Erwägung zu ziehen, doch ist man sich erst einmal sicher, dass es keinen anderen Ausweg gibt, geht der Rest wie von alleine. Mirko würde für immer verschwinden und nie wieder zurückkommen. Zu groß ist die Last, die auf seinen Schultern liegt, zu gering die Liebe in der Welt, von der er kaum noch etwas spürt. Es hat keinen Sinn zu hoffen, dass irgendwann einmal alles besser wird, denn das würde nicht