zeigte auf einen Stuhl ihm gegenüber am Ende der Tafel, Delinquent setzte sich, Magnificus winkte wieder und der Pedell trat ab.>
Noch immer tiefe Stille; der Sekretär legt das Papier zum Protokoll zurecht, und schneidet Federn; ein alter Professor läßt seine ungeheure Dose herumgehen. Jeder der Herren nimmt eine Prise bedächtlich und mit Beugung des Hauptes, Doktor Saper, mein nächster Nachbar, schnupft und präsentiert mir die Dose, läßt aber das teure Magazin, von einem abwehrenden Blick Magnifici erschreckt, mit polterndem Geräusch zu Boden fallen.>
»Alle Hagel, Herr Doktor«, schrie der alte Professor, alle Achtung beiseite setzend.>
»O Jerum«, ächzte der Sekretär und warf das Federmesser weg, denn er hatte sich aus Schrecken in den Finger geschnitten.>
»Bitte untertänigst!« stammelte der erschrockene Doktor Saper.>
Diese alle sprachen auf einmal durcheinander und der letztere kniete auf den Boden nieder und wollte mit der Papierschere, die er in der Eile ergriffen hatte, den verschütteten Tabak aufschaufeln.>
Magnificus aber ergriff die große Glocke und schellte dreimal; der Pedell trat eilig und bestürzt herein, und fragte, was zu Befehl sei, und Magnificus mit einem verbindlichen Lächeln zu Doktor Saper hinüber sprach: »Lassen Sie es gut sein, Lieber, er taugt doch nichts mehr; da wir aber in dieser Sitzung einiges Tabaks benötigt sein werden, glaube ich dafür stimmen zu müssen, daß frischer ad locum gebracht werde.«>
Doktor Saper zog schnell sein Beutelein, reichte dem Pedell einige Groschen, und befahl ihm, eilends drei Lot Schnupftabak zu bringen. Dieser enteilte dem Saal; vor dem Haus fand er, wie ich nachher erfuhr, die halbe Universität versammelt, denn meine Verhaftung war schnell bekannt geworden, und alles drängte sich zu, um das Nähere zu erfahren. Man kann sich daher die Spannung der Gemüter denken, als man den Pedell aus der Türe stürzen sah; die vordersten hielten ihn fest und fragten und drängten ihn, wohin er so eilig versendet werde, und kaum konnte man sich in seine Beteurung finden, daß er eilends drei Lot Schnupftabak holen müsse.>
Aber im Saal war nach der Entfernung des Götterboten die vorige, anständige Stille eingetreten. Magnificus faßte mich mit einem Blick voll Hoheit, und begann:>
»Es ist uns von einer höchstpreuslichen Zentral-Untersuchungskommission der Auftrag zugekommen, auf gewisse geheime Umtriebe und Verbindungen, so sich auf unserer Universität seit einiger Zeit entsponnen haben sollen, unser Augenmerk zu richten. Wir sind nun nach reiflicher Prüfung der Umstände vollkommen darüber einverstanden, daß Sie, Herr von Barbe, sich höchst verdächtig gemacht haben, solche Verhältnisse unter unserer akademischen Jugend dahier herbeigeführt und angesponnen zu haben. Hm! Was sagen Sie dazu, Herr von Barbe?«>
»Was ich dazu sage? Bis jetzt noch nichts, ich erwarte geziemend die Beweise, die mein Leben und Betragen einer solchen Beschuldigung verdächtig machen.«>
»Die Beweise?« antwortete erstaunt der Rektor, »Sie verlangen Beweise? ist das der Respekt vor einem akademischen Senate? Man führe selbst den Beweis, daß man nicht im sträflichen Verdacht der Demagogie ist.«>
»Mit gütiger Erlaubnis, Euer Magnifizenz«, entgegnete der Dekan der Juristen, »Inquisit kann, wenn er eines Verdachtes angeklagt ist,> in alle Wege verlangen>, daß ihm die Gründe des Verdachtes genannt werden.«>
Dem medizinischen Rektor stand der Angstschweiß auf der Stirne; man sah ihm an, daß er mit Mühe die Beweisgründe in seinem Haupte hin-und herwälze. Wie ein Bote vom Himmel erschien ihm daher der Pedell mit der Dose und berichtete zugleich mit ängstlicher Stimme, »daß die Studierenden in großer Anzahl sich vor dem Universitätsgebäude zusammengerottet haben und ein verdächtiges Gemurmel durch die Reihen laufe, das mit einem Pereat oder Scheibeneinwerfen zu bedrohen scheine.«>
Kaum hatte er ausgesprochen, so stürzte eine Magd herein, und richtete von der Frau Magnificussin an den Herrn Magnificus ein Kompliment aus, und er möchte doch sich nach Haus salvieren, weil die Studenten allerhand verdächtige Bewegungen machen.>
»Ist das nicht der klarste Beweis gegen Ihre geheimen Umtriebe, lieber Herr von Barbe?« sprach die Magnifizenz in kläglichem Tone. »Aber der Aufruhr steigt, videant Consules ne quid detrimenti – man nehme seine Maßregeln; – daß auch der Teufel gerade in meine Amtsführung alle fatalen Händel bringen muß! – Domine Collega, Herr Doktor Pfeffer, was stimmen Sie?«>
»Es ist eigentlich noch kein Votum zur Abstimmung vorgebracht und zur Reife gediehen, ich rate aber, Herrn von Barbe bis auf weiteres zu entlassen, und ihm –«>
»Richtig, gut«, rief der Rektor, »Sie können abtreten, wertgeschätzter junger Freund, beruhigen Sie Ihre Kameraden, Sie sehen selbst, wie glimpflich wir mit Ihnen verfahren sind, und zu einer gelegeneren Stunde werden wir uns wieder die Ehre ausbitten; damit aber die Sache kein solches Aufsehen mehr erregt – weiß Gott, der Aufruhr steigt, ich höre ›pereat‹ – so kommen Sie morgen abend alle zum Tee zu mir, Sie auch, lieber Barbe, da denn die Sachen weiter besprochen werden können.«>
Ich konnte mich kaum enthalten, den ängstlichen Herren ins Gesicht zu lachen. Sie saßen da, wie von Gott verlassen, und wünschten sich in Abrahams Schoß, das heißt in den ruhigen Hafen ihres weiten Lehnstuhls.>
»Was steht nicht von einer erhitzten Jugend zu erwarten?« klagten sie; »seitdem etzliche Lehrer von den Kathedern gestiegen sind, und sich unter diese himmelstürmende Zyklopen gemischt haben, ist keine Ehrfurcht, kein Respekt mehr da. Man muß befürchten, wie schlechte Schauspieler ausgepfiffen oder am hellen Tage insultiert zu werden.«>
»Vom Erstechen will ich gar nicht reden«, sagte ein anderer, »es sollte eigentlich jeder Literatus, der nicht allewege ein gut Gewissen hat, einen Brustharnisch unter dem Kamisol tragen.«>
Indessen die Philister also klagten, dankte ich meinen Kommilitonen für ihre Aufmerksamkeit für mich, sagte ihnen, daß sie nachts viel bessere Gelegenheit zum Fenstereinwerfen haben, und bewog sie durch Bitten und Vorstellungen, daß sie abzogen. Sie marschierten in geschlossenen Reihen durch das erschreckte Städtchen, und sangen ihr »ça ira, ça ira«, nämlich: »Die Burschenfreiheit lebe« und das erhabene »Rautsch, rautsch, rautschitschi, Revolution!«>
Ich ging wieder in den Saal zurück und sagte den noch versammelten Herren, daß sie gar nichts zu befürchten haben, weil ich die Herren Studiosen vermocht habe, nach Hause zu gehen. Beschämung und Zorn rötete jetzt die bleichen Gesichter, und mein bißchen Psychologie mußte mich ganz getäuscht haben, wenn mich die Herren nicht ihre Angst entgelten ließen. Und gewiß! meine Ahnung hatte mich nicht betrogen. Magnificus ging ans Fenster, um sich selbst zu überzeugen, daß die Aufrührer abgezogen seien; dann wendete er sich mit erhabener Miene zu mir, und er, der noch vor einer Viertelstunde »mein wertgeschätzter Freund« zu mir sagte, herrschte mir jetzt zu: »Wir können das Verhör weiter fortführen, Delinquent mag sich setzen!«>
So sind die Menschen; nichts vergißt der Höhere so leicht, als daß der Niedere ihm in der Stunde der Not zu Hülfe eilte, nichts sucht er sogar eifriger zu vergessen, als jene Not, wenn er sich dabei eine Blöße gegeben, deren er sich zu schämen hat.>
Nach der Miene des Magnificus richteten sich auch die seiner Kollegen. Sie behandelten mich grob und mürrisch. Der Rektor entwickelte mit großer Gelehrsamkeit den ersten Anklagepunkt.>
»Demagog kömmt her von> äçìïò und áãåéí. Das eine hei>ßt Volk, das andere führen oder verführen. Wer ist nach diesem Begriff mehr Demagog, als Sie? Haben wir nicht in Erfahrung gebracht, daß Sie die jungen Leute zum Trinken verleiteten? Daß Sie neue Lieder und Kartenspiele hieher verpflanzten? Auch von andern Orten werden diese Sachen als die sichersten Symptome der Demagogie angeführt; folglich sind Sie ein Demagog.« –>
Mit triumphierendem Lächeln wandte er sich zu seinen Kollegen; »Habe ich nicht recht, Doktor Pfeffer? Nicht recht, Herr Professor Saper?« »Vollkommen, Euer Magnifizenz«, versicherten jene und schnupften.>
»Zweitens, jetzt kommt der andere Punkt«, fuhr der Mediziner fort; »das Turnen ist