Wilhelm Hauff

Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte


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wie ein Aal; war ich ihm doch zu mancher seiner nächtlichen Phantasien behülflich, daß es ihm selbst oft angst und bange wurde, und habe ich ihm nicht als sein eigener Doppelgänger über die Schultern geschaut, als er an seinem Kreisler schrieb? als er sich umwandte und den Spuk anschaute, rief er seiner Frau, daß sie sich zu ihm setze, denn es war Mitternacht und seine Lampe brannte trüb. – So, so,> der> war’s? und was wollte er von dir, Ewiger?«>

      »Daß du verkrümmest mit deinem Spott; bist du nicht gleich ewig wie ich, und drückt dich die Zeit nicht auch auf den Rücken? Nenne den Namen nicht mehr, den ich hasse! Was aber den Herrn Kammergerichtsrat Hoffmann betrifft«, fuhr er ruhiger fort, »so geht er umher, um sich die Leute zu betrachten; und wenn er einen findet, der etwas Apartes an sich hat, etwa einen Hieb aus dem Narrenhaus, oder einen Stich aus dem Geisterreich, so freut er sich baß und zeichnet ihn mit Worten oder mit dem Griffel. Und weil er an mir etwas Absonderliches verspürt haben mag, so setzte er sich zu mir, besprach sich mit mir und lud mich ein, ihn in seinem Haus auf dem Gendarmenmarkt zu besuchen.«>

      »So, so? und wo kommst du denn eigentlich her? wenn man fragen darf?«>

      »Recta aus China«, antwortete Ahasverus, »ein langweiliges Nest, es sieht gerade aus, wie vor fünfzehnhundert Jahren, als ich zum erstenmal dort war.«>

      »In China warst du?« fragte ich lachend, »wie kommst du denn zu dem langweiligen Volk, das selbst für den Teufel zu wenig amüsant ist?«>

      »Laß das«, entgegnete jener, »du weißt ja, wie mich die Unruhe durch die Länder treibt; ich habe mir, als die Morgensonne des neuen Jahrhunderts hinter den mongolischen Bergen aufging, den Kopf an die> lange Mauer> von China gerannt, aber es wollte noch nicht mit mir zu Ende gehen, und ich hätte eher ein Loch durch jene Gartenmauer des himmlischen Reiches gestoßen, wie ein alter Aries, als daß der dort oben mir ein Härchen hätte krümmen lassen.«>

      Tränen rollten dem alten Menschen aus den Augen; die müden Augenlider wollten sich schließen, aber der Schwur des Ewigen hält sie offen, bis er schlafen darf, wenn die andern auferstehen. Er hatte lange geschwiegen, und wahrlich, ich konnte den Armen nicht ohne eine Regung von Mitleid ansehen. Er richtete sich wieder auf. – »Satan«, fragte er mit zitternder Stimme, »wieviel Uhr ist’s in der Ewigkeit?«>

      »Es will Abend werden«, gab ich ihm zur Antwort.>

      »O Mitternacht!« stöhnte er, »wann endlich kommen deine kühlen Schatten und senken sich auf mein brennendes Auge? Wann nahest du, Stunde, wo die Gräber sich öffnen, und Raum wird für den> Einen>, der dann ruhen darf?«>

      »Pfui Kuckuck, alter Heuler!« brach ich los, erbost über die weinerlichen Manieren des ewigen Wanderers; »wie magst du nur solch ein poetisches Lamento aufschlagen? glaube mir, du darfst dir gratulieren, daß du noch etwas Apartes hast; manche lustige Seele hat es an einem gewissen Ort viel schlimmer, als du hier auf der Erde; man hat doch hier oben immer noch seinen Spaß, denn die Menschen sorgen dafür, daß die tollen Streiche nicht ausgehen. Wenn ich so viele freie Zeit hätte, wie du, ich wollte das Leben anders genießen. Ma foi, Brüderchen, warum gehst du nicht nach England, wo man jetzt über die galanten Abenteuer einer Königin öffentlich zertiert? Warum nicht nach Spanien, wo es jetzt nächstens losbricht? Warum nicht nach Frankreich, um dein Gaudium daran zu haben, wie man die Wände des Kaisertums überpinselt, und mit alten Gobelins von Louis des Vierzehnten Zeiten, die sie aus dem Exil mitgebracht haben, behängt. Ich kann dich versichern, es sieht gar närrisch aus, denn die Tapete ist überall zu kurz und durch die Risse guckt immer noch ernst und drohend das Kaisertum, wie das Blut des Ermordeten, das man mit keinem Gips auslöschen kann, und das, sooft man es> weiß> anstreicht, immer noch mit der alten> bunten> Farbe durchschlägt!«>

      Der alte Mensch hatte mir aufmerksam zugehört, sein Gesicht war immer heiterer geworden, und er lachte jetzt aus vollem Herzen: »Du bist, wie ich sehe, immer noch der alte«, sagte er, und schüttelte mir die Hand, »weißt jedem etwas aufzuhängen, und wenn er gerade aus Abrahams Schoß käme!«>

      »Warum«, fuhr ich fort, »warum hältst du dich nicht länger und öfter hier in dem guten ehrlichen Deutschland auf? Kann man etwas Possierlicheres sehen, als diese Duodezländer? Das ist alles so – doch stille, da geht einer von der geheimen Polizei umher; man könnte leicht etwas aufschnappen, und den Ewigen Juden und den Teufel als unruhige Köpfe nach Spandau schicken; aber um auf etwas anderes zu kommen, warum bist du denn hier in Berlin?«>

      »Das hat seine eigene Bewandtnis«, antwortete der Jude; »ich bin hier, um einen Dichter zu besuchen.«>

      »Du einen Dichter?!« rief ich verwundert; »wie kömmst du auf diesen Einfall?«>

      »Ich habe vor einiger Zeit ein Ding gelesen, man heißt es Novelle, worin ich die Hauptrolle spielte; es führte zwar den dummen Titel »> Der Ewige Jude>«, im übrigen ist es aber eine schöne Dichtung, die mir wunderbaren Trost brachte! Nun möchte ich den Mann sehen und sprechen, der das wunderliche Ding gemacht hat.«>

      »Und der soll hier wohnen, in Berlin?« fragte ich neugierig, »und wie heißt er denn?«>

      »Er soll hier wohnen, und heißt F. H. Man hat mir auch die Straße genannt, aber mein Gedächtnis ist wie ein Sieb, durch das man Mondschein gießt!«>

      Ich war nicht wenig begierig, wie sich der Ewige Jude bei einem Dichter produzieren würde, und beschloß, ihn zu begleiten. »Höre Alter«, sagte ich zu ihm, »wir sind von jeher auf gutem Fuß miteinander gestanden, und ich hoffe nicht, daß du deine Gesinnungen gegen mich ändern wirst; sonst –«>

      »Zu drohen ist gerade nicht nötig, Herr Satan«, antwortete er, »denn du weißt, ich mache mir wenig aus dir, und kenne deine Schliche hinlänglich, aber deswegen bist du mir doch als alter Bekannter ganz angenehm und recht; warum fragst du denn?«>

      »Nun, du könntest mir die Gefälligkeit erweisen, mich zu dem Dichter, der dich in einer Novelle abkonterfeite, mitzunehmen; willst du nicht?«>

      »Ich sehe zwar nicht ein, was für Interesse du dabei haben kannst«, antwortete der Alte, und sah mich mißtrauisch an; »du könntest irgendeinen Spuk im Sinne haben, und dir vielleicht gar mit bösen Absichten auf des braven Mannes Seele schmeicheln; dies schlage dir übrigens nur aus dem Sinn; denn der schreibt so fromme Novellen, daß der Teufel selbst ihm nichts anhaben kann; – doch meinetwegen kannst du mitgehen.«>

      »Das denke ich auch; was diese Seele betrifft, so kümmere ich mich wenig um Dichter und dergleichen, das ist leichte Ware, welcher der Teufel wenig nachfragt. Es ist bei mir nur Interesse an dem Manne selbst, was mich zu ihm zieht. Übrigens in diesem Kostüm kannst du hier in Berlin keine Visiten machen, Alter!«>

      Der Ewige Jude beschaute mit Wohlgefallen sein abgeschabtes braunes Röcklein mit großen Perlmutterknöpfen, seine lange Weste mit breiten Schößen, seine kurzen, zeisiggrünen Beinkleider, die auf den Knien ins Bräunliche spielten; er setzte das schwarzrote dreieckige Hütchen aufs Ohr, nahm den langen Wanderstab kräftiger in die Hand, stellte sich vor mich hin und fragte:>

      »Bin ich nicht angekleidet stattlich wie König Salomo und zierlich wie der Sohn Isais? Was hast du nur an mir auszusetzen? Freilich trage ich keinen falschen Bart wie du, keine Brille sitzt mir auf der Nase, meine Haare stehen nicht in die Höhe à la Wahnsinn; ich habe meinen Leib in keinen wattierten Rock gepreßt, und um meine Beine schlottern keine ellenweite Beinkleider, wozu freilich Herr Bocksfuß Ursache haben mag –.«>

      »Solche Anzüglichkeiten gehören nicht hieher«, antwortete ich dem alten Juden; »wisse, man muß heutzutage nach der Mode gekleidet sein, wenn man sein Glück machen will, und selbst der Teufel macht davon keine Ausnahme. Aber höre meinen Vorschlag. Ich versehe dich mit einem anständigen Anzug und du stellst dafür meinen Hofmeister vor; auf diese Art können wir leicht Zutritt in Häusern bekommen und wie wollte ich dir’s vergelten, wenn uns dein Dichter in einen ästhetischen Tee einführte.«>

      »Ästhetischer Tee, was ist denn das? in China habe ich manches Maß Tee geschluckt, Blumentee, Kaisertee, Mandarinentee, sogar Kamillentee, aber ästhetischer Tee war nie dabei.«>

      »O