August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal


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gesammelt.«

      »Aber wenn alle bewaffneten Buern zusammenkämen, wie viele würden das sein?«

      »Das weiß ich nicht,« erwiderte Pieter Maritz, indem er ein einfältiges Gesicht machte. »Es sind ihrer zu viele, als daß man sie zählen könnte.«

      »Oho!« rief der Engländer. »Wenn es so viele wären, hätten sie es sich wohl nicht gefallen lassen, von uns unterworfen zu werden.«

      »Wahrscheinlich sind es der englischen Soldaten noch mehr,« erwiderte der Knabe. »Wieviel Mann hat denn wohl die Frau Königin im Kaplande und in Natal?«

      Der Leutnant antwortete nicht, aber er maß den Knaben mit einem argwöhnischen Blicke.

      »Aus welcher Gegend bist du denn? Wo wohnen deine Eltern?« fragte er.

      »Ich bin im Norden geboren,« erwiderte Pieter Maritz. »Die Gemeinde, zu welcher ich gehöre, wohnt nicht in einem festen Dorfe, sondern gehört zu den Trekbuern, das heißt, wir ziehen herum, was in unserer Sprache trekken genannt wird. Wir bleiben, wo es uns gefällt, und ziehen weiter, wenn das Vieh nicht mehr gute Weide hat oder die Jagd schlecht ist.«

      »Ihr seid also eigentlich Vagabonden,« sagte der Engländer, indem er verächtlich herabsah. »Es ist hohe Zeit, daß wir Ordnung in eine solche Gesellschaft bringen.«

      Die Landschaft war inzwischen eine andere geworden, der Charakter der Ebene verlor sich mehr und mehr, und zur linken Hand zeigte sich hügeliges Land, mit einzelnen Gebüschen und von Wasserläufen durchzogen. Pieter Maritz ließ seine scharfen Augen über die Gegend hinschweifen und überlegte.

      »Wie weit werdet Ihr mich mitnehmen, Mynheer?« fragte er.

      »Das wollen wir später sehen,« entgegnete der Engländer.

       »Ich möchte nicht gern ganz bis nach Pretoria.«

      »Du wirst thun, was dir befohlen wird,« sagte der Engländer.

      »Ach, welch ein wunderschönes Pferd habt Ihr, Mynheer!« rief der Knabe aus. »Das habt Ihr wohl von England mitgebracht?«

      Der Leutnant blickte selbstgefällig an seinem Gaul hinunter.

      »Das Pferd kann gewiß sehr schnell laufen,« sagte Pieter Maritz von neuem, »das kann gewiß viel schneller laufen als unsere Bauernpferde.«

      »Dies Tier ist allerdings sehr schnell,« erwiderte der Leutnant. Er hatte dreihundert Pfund Sterling in London für das Pferd bezahlt und konnte sich rühmen, keinen schlechten Handel gemacht zu haben.

      »Kann das Pferd auch gut springen?« fragte Pieter Maritz mit seinem unschuldigsten Gesicht.

      »Natürlich,« versetzte der Engländer. »Nun halte aber deinen Mund. Du hast zu warten, bis man dich fragt, und wenn du nicht gefragt wirst, hast du zu schweigen. So etwas nennt man gute Manier.«

      Pieter Maritz rückte die Büchse und den Patronengurt bequemer auf den Schultern zurecht und drückte leise seine Unterschenkel an Jagers Leib, so daß dieser den Kopf erhob und die Ohren spitzte.

      »Auf die Weise würde mir der Weg wohl langweilig werden,« sagte er dann mit freundlichem Lächeln zu dem Offizier. »Lebt wohl, ich wünsche Euch glückliche Reise!«

      Nach diesen Worten warf er plötzlich sein Pferd zur Seite und jagte in gestrecktem Galopp nach links über das Feld hin.

      »Verdammter Bursche!« rief der Engländer. »Haltet ihn, Leute! Hinter ihm her!«

      Pieter Maritz hörte in seinem Rücken ein gewaltiges Rasseln und Rufen und das Stampfen und Schnauben vieler Pferde. Er blickte über die Schulter zurück und sah die ganze Schar der Dragoner in aufgelöster Ordnung daherkommen, um ihn zu verfolgen. Sie ritten in einer weiten Kette hinter ihm her, und ihre Scharlachröcke leuchteten in der Sonne, so daß es dem Knaben schien, als jagte ein hüpfendes Heer von Feuerflammen über das Gras weg. Allen voran ritt der Leutnant, dessen kohlschwarzes Pferd rasch einen Vorsprung vor den anderen Tieren gewonnen hatte, und er rief den Dragonern zu, sie sollten nicht schießen, er wolle den Burschen lebendig wieder haben.

       Pieter Maritz beugte den Oberkörper auf Jagers Hals vor und schnalzte ermunternd mit der Zunge. Wie ein Wirbelwind stob das treue Tier dahin. Das Futter in Botschabelo und die Ruhe während der drei Tage, wo der Knabe nur zu Spazierritten ausgewesen war, hatten das Pferd neu gekräftigt, und seine Beine schnellten über das Gefilde hin mit einer außergewöhnlichen Behendigkeit. Seitwärts des Weges, den sie geritten waren, floß ein Wässerchen mit flachen Ufern, welches sich an manchen Stellen seeartig erweiterte. Auf eine dieser Stellen, welche er schon vom Wege aus entdeckt hatte, lenkte Pieter Maritz hin. Das Wasser war hier wohl über hundert Schritte breit. Der Knabe jagte hinein und bald verlor das Pferd den Boden unter den Füßen und mußte schwimmen. Mitten im Wasser sah er zurück. Die Dragoner zauderten am Ufer, doch der Unteroffizier und fünf Mann warfen sich ebenfalls in das Wasser, indem sie dem Leutnant folgten. Pieter Maritz kam ans andere Ufer, als die Verfolger noch mitten im Wasser waren. Dann trabte er gelassen weiter. Er wählte sich das am meisten durchschnittene Terrain aus: dorthin, wo die Gebüsche dicht auf unebenem Boden standen, wo Felsblöcke umherlagen und von stachligen Kaktus umgeben waren und wo Bäche die Landschaft durchschnitten — dorthin lenkte er Jager. Jetzt stiegen die Verfolger, deren prächtige Uniformen von Wasser trieften, ebenfalls ans Land, und der Knabe setzte sein Pferd in langen Galopp. Vor ihm rannte eine Herde Springböcke her, die gleich Gummibällen elastisch in weiten Sätzen flohen, und ein Rudel Gnus mit Hörnern gleich den Büffeln und Pferdeschweifen. Nach einem rasenden Ritt, der wohl eine halbe Meile Landes durchmessen hatte, vernahm Pieter Maritz nur noch wenig von dem Lärmen, der ihm zu Anfang im Rücken gewesen war. Er sah wieder zurück und erblickte keinen von den Dragonern mehr auf der Verfolgung. Ganz weit entfernt sah er die Truppe wieder zu einem dunklen Haufen versammelt, und nur noch der Leutnant war hinter ihm. Das schöne schwarze Pferd machte seiner edlen Abstammung Ehre, es kam jetzt eben mit einem weiten Satze über einen tief eingeschnittenen Bach dahergeflogen. Nur etwa zwanzig Schritte war es hinter Jager.

      Pieter Maritz rief seinem Pferde zu, und wie ein Pfeil schoß es vorwärts. Vor ihm lag ein Dickicht von Aloes und buschförmigen Euphorbien, zwischen denen stachelige Mimosen standen, welche Dornen trugen, die Fischangeln ähnlich gestaltet waren. Pieter Maritz erkannte die eigentümliche Form dieser Mimose, der acacia detinens, schon von weitem. Das Gebüsch stand nicht so dicht, daß nicht ein landesgewohntes Tier wie Jager hätte hindurchkommen können, und in der That wand sich Jager, obwohl in vollem Laufe, einem Aale gleich hindurch, indem er die stacheligen Büsche vermied. Aber dem Engländer ging es nicht so gut. Pieter Maritz blickte sich wieder um und mußte lachen, als er einen langen Riß in der Brust des prächtigen Waffenrocks klaffen und den einen Schoß in Fetzen herabhängen sah. Von der Brust des schwarzen Pferdes und an seinen Beinen lief das Blut herab, und der Schweiß rieselte an ihm nieder. Der Engländer hatte die Lippen zusammengepreßt, seine Augen funkelten vor Wut, und sein Gesicht war vor Hitze so rot wie sein Rock.

      Jetzt brach Jager aus dem Dickicht hervor, und gleich hinter ihm kam das schwarze Pferd. Der Boden war hier so eben wie eine Tenne, das Gras kurz, und kein Hindernis auf wohl tausend Schritte Entfernung. Die langen Beine des englischen Rassepferdes gewannen hier Vorteil, und so schnell Jager lief — der Engländer kam, von heftigen Sporenstößen getrieben, jetzt vor, die Nase des Rappen schnob auf Jagers Kruppe, und schon streckte der Offizier die Hand aus, um Pieter Maritz zu ergreifen. Da bog der Knabe aus und lenkte seitwärts. Er fürchtete sich nicht, mit dem Leutnant ins Handgemenge zu kommen; er vertraute darauf, ihn mit dem Hirschfänger fern halten zu können, wenn er wollte, aber es galt die Ehre des Reitens. Noch hatte Jager nicht seine beste Kraft eingesetzt. Auch wollte der Engländer offenbar nicht von seinem Revolver Gebrauch machen. Ritterlichkeit und Eitelkeit verboten dem vornehmen jungen Mann, sich in diesem Wettrennen anderer Waffen als der Schnelligkeit seines Pferdes und seiner bloßen Hand zu bedienen.

      Pieter Maritz' Flucht.

      Einen lauten Ruf der Ermunterung