Ich bin aber ganz gesund wiedergekommen.«
»Ja, so gesund«, sagte Magda bitter, »dass du in der Nacht nach deiner Ankunft alle meine Flaschen in der Speisekammer leer getrunken hast. Und seitdem bist du auch nicht eine Minute nüchtern gewesen. Ich sehe aber, du willst nicht zu deinem Wort stehen.«
»Zu meinem Wort schon, aber in dieser Sache habe ich dir nie mein Wort gegeben, so nicht.«
»Aber, Erwin«, fing Magda wieder an, doch jetzt sanft, »warum sträubst du dich denn so, dich einmal vom Arzt untersuchen zu lassen? Wenn es so ist, wie du sagst, und der Arzt bestätigt es, so ist ja alles gut … Ist es aber nicht so …«
»Nun, was ist dann?«, sagte ich spöttisch.
»… dann muss eben irgendetwas für deine Gesundheit geschehen. Denn du bist krank, Erwin, du bist so krank, wie du noch gar nicht ahnst …«
»Ach«, sagte ich gelangweilt, »lass das doch. So kriegst du mich auch nicht rum. Du redest sanft mit mir, aber deinen Augen sehe ich es an, dass du es böse mit mir meinst. Ich lasse mich aber nicht von meiner Frau kommandieren, sie mag so tüchtig sein, wie sie will.«
»Ich will dich gar nicht kommandieren …«
»Bitte: erst löst du meine Abschlüsse, dann soll ich zum Arzt gehen, weil du dir Torheiten einbildest, und schließlich möchtest du hier wohl meinen Chefplatz einnehmen, was? In meinem Sessel hattest du es dir in meiner Abwesenheit ja schon recht bequem gemacht, nicht wahr?«
»Nun gut«, sagte sie, und jetzt flammten ihre Augen wirklich böse auf, und in ihrer Stimme war keine Spur von Sanftheit mehr, »du willst nicht. Du willst nichts als trinken und Schaden stiften. Ich lasse es aber nicht zu, dass du mich und die Firma ruinierst. Ruiniere dich selbst nur, soviel du willst. Dann muss ich eben andere Schritte ergreifen.«
»Ergreife nur, ergreife nur«, sagte ich spöttisch, »du wirst ja sehen, wie du dabei hereinfällst. – Würdest du übrigens vielleicht die Güte haben, mir zu sagen, welche Schritte du etwa vorhast?« Mein Spott hatte sie ganz außer sich gebracht.
»Jawohl werde ich es dir sagen«, rief sie zornig, »zuerst werde ich mich von dir scheiden lassen …«
»Sieh mal an!« lachte ich. »Also von mir scheiden lassen! Ich wüsste nicht, dass ich dir schon einen Scheidungsgrund gegeben hätte. Aber was nicht ist, kann noch werden. – Und was hast du noch vor?«
Aber sie wollte nicht mehr. »Du wirst schon sehen«, sagte sie und setzte sich wieder an ihren Tisch und zu ihren Papieren.
»Ich kann es auch abwarten«, antwortete ich. Ich nahm die Kognakflasche und legte sie zu dem noch ungegessenen Frühstück in die Aktentasche. »Mach dir immerhin schon klar, dass nach dem Gesetz alles mir gehört, da du nichts mit in die Ehe eingebracht hast: Haus und Einrichtung und Firma, alles mein!«
Ich lachte, als ich ihre zornige Protestbewegung sah.
»Ja, erkundige dich erst einmal bei einem Anwalt, dann wirst du dir die Scheidung noch gewaltig überlegen. Und nun«, sagte ich und nahm meinen Hut vom Riegel, »überlasse ich dir erst einmal leihweise meine Firma. Sei recht fleißig, liebe Magda, und löse recht viele vorteilhafte Abschlüsse auf … Na, was denn? Willst du mir jetzt einen Scheidungsgrund geben?!«
Mein Spott hatte sie ganz rasend gemacht. Sie hatte das nächste, was ihr zur Hand war, einen Tintenlöscher, ergriffen und nach mir geschleudert. Ich hatte gerade noch ausweichen können. Sie sah mich schneeweiß und wutzitternd an. Ich hielt es für besser, sie jetzt nicht noch weiter zu reizen, stellte den Löscher auf seinen Platz zurück und verließ Kontor und Firma.
11
Ich war auch fest entschlossen, so bald nicht wieder dorthin zurückzukehren. Mochte sie ruhig eine Weile dort allein weiterwursteln, ich machte ihnen ja doch nichts zu Dank. Der ganze Kram langweilte mich schon lange, jetzt hatte ich eine bessere und interessantere Aufgabe gefunden, die meiner augenblicklichen Stimmung viel eher entsprach: mein Kampf gegen Magda! Sie sollte sich nur an mir versuchen, es würde mir direkt Spaß machen, ihr zu beweisen, wie viel klüger und gesetzeskundiger ich war als sie!
Ich war wieder auf der Wanderung, meine Aktentasche unterm Arm, durch einen schönen, aber schon recht heißen Tag am Ausgang des Frühlings. Die Königin des Alkohols – ich hatte sie viel zu lange vergessen. Langweilig war die jedenfalls nicht. Außerdem musste ich mir endlich meine Schuhe zurückholen. Niemand sollte mir nachsagen können, dass ich in der Trunkenheit meine Kleidung durch halb Europa verstreute. Niemand, nicht einmal Magda.
Es war ja so ziemlich klar, was diese tüchtige Dame, mit der ich bisher verheiratet gewesen war, beabsichtigte. Scheidung, nun schön, aber Scheidung ging nicht so schnell; vor einer Scheidung mussten auch erst einige Vorbereitungen getroffen werden, zum Beispiel eine Untersuchung durch den Arzt.
Magda stand sich sehr gut mit Dr. Mansfeld, schon seit vielen Jahren. Er hatte sie immer behandelt, wenn sie krank gewesen war, ich kannte ihn weniger, mir hatte eigentlich noch nie etwas gefehlt. Sie würde ihn schon zu ihrer Auffassung überreden, und dann sollte vermutlich so etwas kommen wie Entmündigung und Unterbringung in einer Trinkerheilstätte. Das würde ihr so passen, der guten Magda: der Mann sitzt in einer Anstalt, natürlich möglichst dritter Klasse, und sie wirtschaftet in und mit seinem Eigentum, leitet die Firma.
Aber es gab andere Ärzte, berühmtere und tüchtigere als der gute alte Dr. Mansfeld, der schließlich und endlich nur ein einfacher praktischer Arzt war; gleich in den nächsten Tagen schon würde ich zu einem oder mehreren von ihnen gehen und mir Atteste über meine völlige Gesundheit geben lassen. Mit einem solchen Ziel vor Augen würde es leicht sein, ein oder zwei Tage vor dem Arztbesuch überhaupt nichts zu trinken.
Sie würde schon sehen, mit wem sie da angebunden hatte, die gute Magda; trotz fünfzehn Jahren Ehe kannte sie ihren Mann noch lange nicht! Jedenfalls: Ehe ich ihr mein Eigentum überließ, steckte ich ihr lieber die Villa über dem Kopf an, das war klar.
So etwa gingen meine Meditationen während meines heißen Weges in jenen Dorfgasthof, und das Ausmalen bis in alle Details hinein kürzte mir die Zeit auf das Angenehmste. Ich konnte zum Beispiel lange dabei verweilen, wie ich in irgendeiner Zelle der Trinkerheilanstalt mit eiskaltem Wasser geängstigt und mit schlechtem Essen gefüttert wurde, während Magda in unserem hübschen Speisezimmer ein Kalbskotelett mit Stangenspargel aß. Dann kamen mir fast die Tränen der Rührung über mein schlimmes Los und Magdas Ungerechtigkeit in die Augen.
Zwischendurch verfütterte ich, da ich wie meist in der letzten Zeit nicht den geringsten Hunger