Hans Fallada

Hans Fallada – Gesammelte Werke


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Ich bin aber ganz ge­sund wie­der­ge­kom­men.«

      »Ja, so ge­sund«, sag­te Mag­da bit­ter, »dass du in der Nacht nach dei­ner An­kunft alle mei­ne Fla­schen in der Spei­se­kam­mer leer ge­trun­ken hast. Und seit­dem bist du auch nicht eine Mi­nu­te nüch­tern ge­we­sen. Ich sehe aber, du willst nicht zu dei­nem Wort ste­hen.«

      »Zu mei­nem Wort schon, aber in die­ser Sa­che habe ich dir nie mein Wort ge­ge­ben, so nicht.«

      »Aber, Er­win«, fing Mag­da wie­der an, doch jetzt sanft, »warum sträubst du dich denn so, dich ein­mal vom Arzt un­ter­su­chen zu las­sen? Wenn es so ist, wie du sagst, und der Arzt be­stä­tigt es, so ist ja al­les gut … Ist es aber nicht so …«

      »Nun, was ist dann?«, sag­te ich spöt­tisch.

      »… dann muss eben ir­gen­det­was für dei­ne Ge­sund­heit ge­sche­hen. Denn du bist krank, Er­win, du bist so krank, wie du noch gar nicht ahnst …«

      »Ach«, sag­te ich ge­lang­weilt, »lass das doch. So kriegst du mich auch nicht rum. Du re­dest sanft mit mir, aber dei­nen Au­gen sehe ich es an, dass du es böse mit mir meinst. Ich las­se mich aber nicht von mei­ner Frau kom­man­die­ren, sie mag so tüch­tig sein, wie sie will.«

      »Ich will dich gar nicht kom­man­die­ren …«

      »Bit­te: erst löst du mei­ne Ab­schlüs­se, dann soll ich zum Arzt ge­hen, weil du dir Tor­hei­ten ein­bil­dest, und schließ­lich möch­test du hier wohl mei­nen Chef­platz ein­neh­men, was? In mei­nem Ses­sel hat­test du es dir in mei­ner Ab­we­sen­heit ja schon recht be­quem ge­macht, nicht wahr?«

      »Nun gut«, sag­te sie, und jetzt flamm­ten ihre Au­gen wirk­lich böse auf, und in ih­rer Stim­me war kei­ne Spur von Sanft­heit mehr, »du willst nicht. Du willst nichts als trin­ken und Scha­den stif­ten. Ich las­se es aber nicht zu, dass du mich und die Fir­ma rui­nierst. Rui­nie­re dich selbst nur, so­viel du willst. Dann muss ich eben an­de­re Schrit­te er­grei­fen.«

      »Er­grei­fe nur, er­grei­fe nur«, sag­te ich spöt­tisch, »du wirst ja se­hen, wie du da­bei her­ein­fällst. – Wür­dest du üb­ri­gens viel­leicht die Güte ha­ben, mir zu sa­gen, wel­che Schrit­te du etwa vor­hast?« Mein Spott hat­te sie ganz au­ßer sich ge­bracht.

      »Ja­wohl wer­de ich es dir sa­gen«, rief sie zor­nig, »zu­erst wer­de ich mich von dir schei­den las­sen …«

      »Sieh mal an!« lach­te ich. »Also von mir schei­den las­sen! Ich wüss­te nicht, dass ich dir schon einen Schei­dungs­grund ge­ge­ben hät­te. Aber was nicht ist, kann noch wer­den. – Und was hast du noch vor?«

      Aber sie woll­te nicht mehr. »Du wirst schon se­hen«, sag­te sie und setz­te sich wie­der an ih­ren Tisch und zu ih­ren Pa­pie­ren.

      »Ich kann es auch ab­war­ten«, ant­wor­te­te ich. Ich nahm die Ko­gnak­fla­sche und leg­te sie zu dem noch un­ge­ges­se­nen Früh­stück in die Ak­ten­ta­sche. »Mach dir im­mer­hin schon klar, dass nach dem Ge­setz al­les mir ge­hört, da du nichts mit in die Ehe ein­ge­bracht hast: Haus und Ein­rich­tung und Fir­ma, al­les mein!«

      Ich lach­te, als ich ihre zor­ni­ge Pro­test­be­we­gung sah.

      »Ja, er­kun­di­ge dich erst ein­mal bei ei­nem An­walt, dann wirst du dir die Schei­dung noch ge­wal­tig über­le­gen. Und nun«, sag­te ich und nahm mei­nen Hut vom Rie­gel, »über­las­se ich dir erst ein­mal leih­wei­se mei­ne Fir­ma. Sei recht flei­ßig, lie­be Mag­da, und löse recht vie­le vor­teil­haf­te Ab­schlüs­se auf … Na, was denn? Willst du mir jetzt einen Schei­dungs­grund ge­ben?!«

      Mein Spott hat­te sie ganz ra­send ge­macht. Sie hat­te das nächs­te, was ihr zur Hand war, einen Tin­ten­lö­scher, er­grif­fen und nach mir ge­schleu­dert. Ich hat­te ge­ra­de noch aus­wei­chen kön­nen. Sie sah mich schnee­weiß und wut­zit­ternd an. Ich hielt es für bes­ser, sie jetzt nicht noch wei­ter zu rei­zen, stell­te den Lö­scher auf sei­nen Platz zu­rück und ver­ließ Kon­tor und Fir­ma.

      11

      Ich war auch fest ent­schlos­sen, so bald nicht wie­der dort­hin zu­rück­zu­keh­ren. Moch­te sie ru­hig eine Wei­le dort al­lein wei­ter­wurs­teln, ich mach­te ih­nen ja doch nichts zu Dank. Der gan­ze Kram lang­weil­te mich schon lan­ge, jetzt hat­te ich eine bes­se­re und in­ter­essan­te­re Auf­ga­be ge­fun­den, die mei­ner au­gen­blick­li­chen Stim­mung viel eher ent­sprach: mein Kampf ge­gen Mag­da! Sie soll­te sich nur an mir ver­su­chen, es wür­de mir di­rekt Spaß ma­chen, ihr zu be­wei­sen, wie viel klü­ger und ge­set­zes­kun­di­ger ich war als sie!

      Ich war wie­der auf der Wan­de­rung, mei­ne Ak­ten­ta­sche un­term Arm, durch einen schö­nen, aber schon recht hei­ßen Tag am Aus­gang des Früh­lings. Die Kö­ni­gin des Al­ko­hols – ich hat­te sie viel zu lan­ge ver­ges­sen. Lang­wei­lig war die je­den­falls nicht. Au­ßer­dem muss­te ich mir end­lich mei­ne Schu­he zu­rück­ho­len. Nie­mand soll­te mir nach­sa­gen kön­nen, dass ich in der Trun­ken­heit mei­ne Klei­dung durch halb Eu­ro­pa ver­streu­te. Nie­mand, nicht ein­mal Mag­da.

      Es war ja so ziem­lich klar, was die­se tüch­ti­ge Dame, mit der ich bis­her ver­hei­ra­tet ge­we­sen war, be­ab­sich­tig­te. Schei­dung, nun schön, aber Schei­dung ging nicht so schnell; vor ei­ner Schei­dung muss­ten auch erst ei­ni­ge Vor­be­rei­tun­gen ge­trof­fen wer­den, zum Bei­spiel eine Un­ter­su­chung durch den Arzt.

      Mag­da stand sich sehr gut mit Dr. Mans­feld, schon seit vie­len Jah­ren. Er hat­te sie im­mer be­han­delt, wenn sie krank ge­we­sen war, ich kann­te ihn we­ni­ger, mir hat­te ei­gent­lich noch nie et­was ge­fehlt. Sie wür­de ihn schon zu ih­rer Auf­fas­sung über­re­den, und dann soll­te ver­mut­lich so et­was kom­men wie Ent­mün­di­gung und Un­ter­brin­gung in ei­ner Trin­ker­heil­stät­te. Das wür­de ihr so pas­sen, der gu­ten Mag­da: der Mann sitzt in ei­ner An­stalt, na­tür­lich mög­lichst drit­ter Klas­se, und sie wirt­schaf­tet in und mit sei­nem Ei­gen­tum, lei­tet die Fir­ma.

      Aber es gab an­de­re Ärz­te, be­rühm­te­re und tüch­ti­ge­re als der gute alte Dr. Mans­feld, der schließ­lich und end­lich nur ein ein­fa­cher prak­ti­scher Arzt war; gleich in den nächs­ten Ta­gen schon wür­de ich zu ei­nem oder meh­re­ren von ih­nen ge­hen und mir At­tes­te über mei­ne völ­li­ge Ge­sund­heit ge­ben las­sen. Mit ei­nem sol­chen Ziel vor Au­gen wür­de es leicht sein, ein oder zwei Tage vor dem Arzt­be­such über­haupt nichts zu trin­ken.

      Sie wür­de schon se­hen, mit wem sie da an­ge­bun­den hat­te, die gute Mag­da; trotz fünf­zehn Jah­ren Ehe kann­te sie ih­ren Mann noch lan­ge nicht! Je­den­falls: Ehe ich ihr mein Ei­gen­tum über­ließ, steck­te ich ihr lie­ber die Vil­la über dem Kopf an, das war klar.

      So etwa gin­gen mei­ne Me­di­ta­tio­nen wäh­rend mei­nes hei­ßen We­ges in je­nen Dorf­gast­hof, und das Aus­ma­len bis in alle De­tails hin­ein kürz­te mir die Zeit auf das An­ge­nehms­te. Ich konn­te zum Bei­spiel lan­ge da­bei ver­wei­len, wie ich in ir­gend­ei­ner Zel­le der Trin­ker­heil­an­stalt mit eis­kal­tem Was­ser ge­ängs­tigt und mit schlech­tem Es­sen ge­füt­tert wur­de, wäh­rend Mag­da in un­se­rem hüb­schen Spei­se­zim­mer ein Kalbs­ko­te­lett mit Stan­gen­spar­gel aß. Dann ka­men mir fast die Trä­nen der Rüh­rung über mein schlim­mes Los und Mag­das Un­ge­rech­tig­keit in die Au­gen.

      Zwi­schen­durch ver­füt­ter­te ich, da ich wie meist in der letz­ten Zeit nicht den ge­rings­ten Hun­ger