Maria Czigler Bianca

Fürstenkrone Staffel 8 – Adelsroman


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schwang die Beine aus dem Bett und lief zum Fenster. »Verschwinde!«, rief sie wütend hinunter. »Ich will dich nicht sehen. Ich will nicht hören, was du zu sagen hast! Du elender Lügner! Du Mistkerl«

      Philipp schaute zu ihr auf, und sein markantes Gesicht zeigte einen Ausdruck, als ob sie ihn geschlagen hätte. »Katharina, bitte. Lass uns miteinander reden. Ich möchte dir erklären …«

      »Erklären?« Katharina lachte tränenerstickt auf. »Was gibt es da groß zu erklären? Du hast dich mit Fiona Daldorf verlobt, oder?«

      »Ja. Aber …«

      »Kein Aber! Verschwinde. Lass dich hier nie wieder blicken, du Schuft!«

      »Katharina …«

      »Verschwinde, oder ich rufe die Polizei!« Wütend schlug Katharina das Fenster zu. Sie warf sich wieder auf das Bett. Sie hörte Philipp weiter nach ihr rufen und zog sich das Kissen über den Kopf. Nach einer Weile wurde es still.

      *

      »Als ich ihm von Arno erzählt habe, ist der Fürst ganz blass geworden«, berichtete Tante Irene. Sie trank einen Schluck Kaffee und runzelte die Stirn. »Er sah richtig bestürzt aus. Er muss tatsächlich geglaubt haben, Arno wäre dein Partner. Verrate mir einmal, Katharina, was ihr beiden gemacht habt, dass Fürst von Hohenstein einen derart falschen Eindruck bekommen konnte?«

      »Nichts«, sagte Katharina bestimmt. Sie strich energisch Butter auf ein Brötchen. »Wir sind nur spazieren gegangen. Alles ganz harmlos.« Sie warf ihrer Tante einen flüchtigen Blick zu. »Philipp war übrigens gestern Abend hier.«

      »Ach?«, sagte Irene überrascht und griff nach dem Holsteiner Schinken. »Was hat er gesagt?«

      »Ich habe ihn fortgeschickt. Ich habe ihm gedroht, die Polizei zu rufen, wenn er nicht geht.«

      In Irenes grauen Augen blitzte es humorvoll auf. »Das gäbe einen hübschen Skandal. Der Fürst von Hohenstein verhaftet wegen Hausfriedensbruchs.«

      »Geschähe ihm Recht.«

      Irene wurde wieder ernst und sah Katharina eindringlich in die Augen. »Er liebt dich. Da bin ich mir ganz sicher.«

      Katharina schnaubte wütend. »Deswegen hatte er auch nichts Eiligeres zu tun, als sich mit Fiona Daldorf zu verloben.«

      Weil Fiona reich war! Aber das sagte Katharina nicht laut. Was sollte sie von so einem Mann halten? Vermutlich war sie besser ohne ihn dran. Ein Mann, der nur des Geldes wegen heiratete … Trotzdem schmerzte sie jeder Gedanke an Philipp. Sie hatte sich so wohl in seiner Gegenwart gefühlt, so geborgen und geliebt. Katharina seufzte. Sie sollte sich den Fürsten aus dem Kopf schlagen. Je eher desto besser. Er war es nicht wert.

      »Du solltest dich mit ihm aussprechen«, schlug Irene vor.

      »Ich sehe nicht, dass das irgendeinen Sinn hätte«, sagte Katharina so bestimmt, dass die Tante das Thema fallen ließ.

      *

      Katharina ließ ihre Schultern kreisen, um sie zu lockern. Es war schon siebzehn Uhr, und sie saß neben ihrer Tante in deren Büro.

      Die Tür öffnete sich, und Frau Fischer führte einen neuen Mandanten herein. »Frau Lorenzen? Herr Hagen ist hier.«

      Herr Hagen war etwa Mitte bis Ende vierzig und so mager, dass sein Anzug um seinen Körper schlackerte. Er hatte schütteres mausbraunes Haar. Seine Haut wirkte wächsern, und in seinen blassgrauen Augen standen Sorgen.

      Irene und Katharina erhoben sich bei seinem Eintreten. Sie stellten einander vor. Irene fragte, ob Katharina bei dem Gespräch dabei sein dürfe, und Herr Hagen stimmte zu.

      Einladend wies Irene auf den Besucherstuhl vor ihrem Schreibtisch, während sie sich setzte. »Was führt sie zu mir, Herr Hagen?«

      Der Besucher rang seine großen knochigen Hände im Schoß. »Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll«, gestand er. »Ich … ich habe eine große Dummheit begangen. Ich fürchte, ich habe mich strafbar gemacht. Und noch schlimmer: Ich fürchte, ich bin dafür verantwortlich, dass meine Firma Pleite gehen wird. Das heißt«, fügte er erklärend hinzu, »es ist nicht meine Firma. Ich bin da angestellt. Die Rehmann Pharma.«

      Katharina erinnerte sich vage, den Namen irgendwo gehört zu haben, konnte sich aber nicht erinnern, wo.

      »Am besten beginnen Sie ganz von vorn«, sagte Irene beruhigend.

      Herr Hagen atmete einmal tief durch. »Es fing mit der Arbeitslosigkeit meiner Frau an. Oder eigentlich damit, dass wir einen Kredit für unser Haus aufnahmen. Damals arbeitete meine Frau noch, und wir nahmen ihr Einkommen für die Tilgung. Dann ging das Unternehmen in Konkurs. Wir konnten die Raten nicht mehr zahlen. Also gingen wir zur Bank, um zu fragen, welche Möglichkeiten es denn gäbe. Im Frühjahr war das.« Weiter rang Herr Hagen die Hände. »Frau Daldorf prüfte dann unsere Unterlagen …«

      »Moment«, unterbrach Irene. »Sie meinen Fiona Daldorf von der Daldorf-Bank gegenüber?«

      Herr Hagen nickte. »Ja. Sie prüfte, wie gesagt, unsere Unterlagen und sah, dass ich bei der Rehmann Pharma arbeite. In der Qualitätskontrolle. Ich bin der Chef der Abteilung«, fügte er hinzu. »Na, und dann … Ich hätte das ablehnen sollen, ich weiß es. Hinterher ist man immer klüger.«

      »Was hätten Sie ablehnen sollen?« Irene Lorenzen sah ihren Mandanten gespannt an.

      Auf Herrn Hagens schmalen Wangen breitete sich Röte aus. »Frau Daldorf machte einen Vorschlag. Sie würde alle Zinszahlungen erlassen, bis meine Frau wieder Arbeit hätte, wenn … wenn ich dafür die Qualitätskontrolle manipuliere.«

      »Was?«, rief Katharina entsetzt aus. Irene warf ihr einen strengen Blick zu. Es gehörte sich nicht, Mandanten zu unterbrechen. Es gehörte sich noch weniger, sich den eigenen Abscheu anmerken zu lassen. Dabei galt Katharinas Abscheu nicht Herrn Hagen. Sie konnte nachvollziehen, warum er auf Fiona Daldorfs Angebot eingegangen war. Aber einen solchen Vorschlag zu unterbreiten, war bösartig.

      »Warum wollte Frau Daldorf, dass die Qualitätskontrolle manipuliert wurde?«, erkundigte Irene sich ruhig.

      Die Röte auf Herrn Hagens Wangen vertiefte sich. »Das habe ich sie auch gefragt. Sie sagte, sie wolle jemandem eine Lektion erteilen und das niemand zu Schaden kommen würde. Im Gegenteil, ich würde für zwei Familien etwas Gutes bewirken. Ich habe ihr geglaubt.« Die Stimme von Herrn Hagen sank zu einem Flüsterton: »Ich denke, ich wollte ihr glauben.«

      »Wem wollte sie denn eine Lektion erteilen?«, fragte Katharina. Sie merkte erst, dass sie laut gesprochen hatte, als Herr Hagen antwortete:

      »Das hat sie nicht gesagt. Inzwischen glaube ich auch, dass sie mich angelogen hat. Wie auch immer. Ich ging auf ihren Vorschlag ein. Ich wusste mir einfach keinen anderen Rat. Wir konnten die Raten nicht zahlen, meine Frau und ich. Also manipulierte ich die Ergebnisse der Qualitätskontrolle für ein neues Medikament. Damit sah es aus, als sei dieses Medikament verunreinigt. Natürlich konnten die produzierten Medikamente nicht verkauft werden.«

      Herr Hagen räusperte sich. »Medikamentenforschung ist sehr teuer. Daher hatte Herr Rehmann einen Kredit aufnehmen müssen. Den kann er nun nicht zurückzahlen.« Herr Hagen stand auf und ging im Büro auf und ab. »Die Firma steht vor der Pleite, und ich bin schuld daran. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Bei Rehmann Pharma arbeiten über zweihundert Leute.«

      »Nun …«, begann Irene.

      Doch Herr Hagen sprach schon weiter: »Ich fürchte, Frau Daldorf kam es nur darauf an, die Firma in Schwierigkeiten zu bringen. Ich glaube, sie will die Firma günstig aufkaufen. Herr Rehmann würde freiwillig nie verkaufen. Jetzt wird er es müssen. Dann kann Frau Daldorf die Patente für viel Geld veräußern.« Er lachte bitter auf. »Ich würde für zwei Familien etwas Gutes bewirken, hat sie gesagt. Für sie mag das zutreffen. Aber ich und meine Frau, wir sind am Boden zerstört. Wir wissen, wie es ist, wenn jemand seinen Job verliert. Wir stehen uns schlechter als vorher, wenn Rehmann Pleite geht. Und dann noch die Kollegen.« Herr Hagen ließ sich verzweifelt auf seinen Stuhl