Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman


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      In seinem Blick war etwas, was sie irritierte. Er beunruhigte sie, aber vielleicht kam das daher, weil Jan selbst vielleicht unsicher wirkte.

      Sie ging schnell an ihm vorbei zu Sebastian Rodens Zimmer.

      *

      »Hast du dich sehr erschrocken, Kindchen?«, fragte der Kranke mit schwacher Stimme. »Es wird schon wieder. Ein bisschen muss ich noch bleiben.«

      »Sprich bitte nicht so, Onkel Sebastian«, bat Katja mit einem unterdrückten Schluchzen.

      Er griff nach ihrer Hand.

      »Man weiß nie, wann die Stunde kommt, Katja«, flüsterte er. »Hast du mit Jan gesprochen?«

      »Noch nicht sehr viel«, erwiderte Katja.

      »Sprich viel mit ihm. Du wirst feststellen, dass er anders ist als Heinz. Ich wünsche so sehr, dass du eine Roden wirst. Es würde mich glücklich machen.«

      Katjas Augen weiteten sich. Ihr Herz begann schneller zu klopfen.

      Wusste Onkel Sebastian, was er sagte? Fantasierte er? Seine Stimme tönte wieder an ihr Ohr.

      »Wenn ich das noch erleben könnte, wäre ich froh. Du hast mich doch gern, und Jan ist mir sehr ähnlich. Das weiß ich erst jetzt. Man muss ihn nur richtig kennen«

      »Wir werden noch öfter miteinander sprechen, Onkel Sebastian«, äußerte Katja beklommen. »Er ist sehr klug und wohl auch sehr zuverlässig.«

      »Das ist er. – Vielleicht wird Heinz kommen«, fuhr er nach sekundenlangem Schweigen fort. »Du wirst ihn wohl nicht treffen wollen.«

      »Nein, das möchte ich nicht.«

      Der alte Herr nickte.

      »Er braucht nicht zu wissen, was ich dir alles erzählt habe.«

      »Ich wollte eine Freundin besuchen, die ich in Kanada kennenlernte«, berichtete Katja. »Nur ein paar Tage.«

      »Tu das, und dann komm zurück. Lange wird Heinz bestimmt nicht bleiben, und heute wird er nicht gleich kommen. Frühestens übermorgen. Bleib noch solange.«

      »Gern, Onkel Sebastian.«

      Erschöpft schlief der Kranke wieder ein. Katja blieb noch einige Zeit an seinem Bett sitzen, dann kam Malwine.

      »Es ist Zeit zum Abendessen, Püppi«, sagte sie.

      *

      Beim Essen hatten Katja und Jan nur ein paar Worte gewechselt, und als sie sich dann im Wohnzimmer gegenübersaßen, kam das Gespräch auch nur stockend in Gang.

      »Möchtest du Musik hören, Katja?«, fragte Jan.

      »Klassische schon«, erwiderte sie.

      »Ich höre keine andere.« Er legte das Forellenquintett auf. »Vielleicht wird Heinz kommen«, bemerkte er beiläufig.

      Katja nickte und blickte zu Boden.

      »Ich werde ein paar Tage zu meiner Freundin nach Hohenborn fahren«, erklärte sie unvermittelt. »Würdest du mich dort anrufen, wenn es Onkel Sebastian wieder schlechter gehen sollte?«

      »Gern.« Seine Stimme war tonlos, und eine unausgesprochene Frage stand in seinen Augen.

      »Du wirst doch bei ihm bleiben, auch wenn Heinz hier ist?«, fragte sie.

      »Ja, gewiss. Ich wohne jetzt hier. Ich bin schon mit Sack und Pack umgezogen.«

      Er versuchte, seiner Stimme einen leichten Klang zu geben, doch das gelang ihm nicht so recht.

      »Warum warst du so lange nicht daheim, Jan?«, fragte Katja mit einiger Selbstüberwindung.

      »Dafür gibt es mancherlei Gründe«, erwiderte er. »Wenn ein Mann ein gewisses Alter erreicht hat, sollte er sich auf eigene Füße stellen. Ich finde, man muss seinen Eltern beweisen, dass man es kann. Ich wollte nicht nur der Sohn eines reichen Vaters sein. Wahrscheinlich bin ich missverstanden worden. Ich habe wohl nicht die Art, die richtigen Worte zu finden, die meine Einstellung erklären könnten. Ja, Katja, ich bin schon oft missverstanden worden, aber darüber wollen wir nicht reden. Ich habe vor meinem Vater immer die größte Hochachtung gehabt.«

      »Und Liebe?«, fragte Katja.

      »Liebe ist ein großes Wort und unter Männern nicht üblich. Ich fühle mich Vater verbunden, sehr tief verbunden. Erzähle mir jetzt von dir. Du hast Michael besucht, wie ich hörte. Geht es ihm gut?«

      »Er ist zufrieden. Er hat eine reizende Frau und zwei goldige Kinder.«

      »Heinz war zur gleichen Zeit in Kanada«, äußerte Jan beiläufig.

      »Ja, ich habe ihn getroffen«, erwiderte Katja ausweichend, »ein paarmal. Er hatte andere Verpflichtungen.«

      Darauf ging Jan nicht ein. Man konnte von seinem Gesicht nichts ablesen. Es war verschlossen, und Katja dachte, dass es wohl sehr schwer sein müsse, seine Gefühle zu ergründen. Dennoch wirkte seine Nähe beruhigend.

      Sie lauschten nun einige Zeit stumm der Musik. Ab und zu fühlte Katja Jans Blick auf sich ruhen, und einmal begegneten sich ihre Augen.

      »Ich will offen sein, Katja«, sagte Jan heiser. »Es ist Vaters sehnlichster Wunsch, dass ich dich heirate. Könntest du dich mit diesem Gedanken vertraut machen?«

      Sie hielt den Atem an. Es klang wie ein geschäftlicher Vorschlag, aber dennoch fühlte sie sich nicht verletzt. Was sollte sie erwarten, nachdem sie sich gerade erst begegnet waren?

      »Verzeih, dass ich es so direkt ausgesprochen habe. Ich hätte nichts dagegen, Vater diesen Wunsch zu erfüllen. Bist du irgendwie gebunden?«

      »Nein«, erwiderte Katja bebend. »Ich bin nur überrascht.«

      »Vielleicht denkst du einmal darüber nach«, meinte Jan mit einem flüchtigen Lächeln. »Ich habe dir ja schon gesagt, dass es mir schwerfällt, die richtigen Worte für manche Erklärungen zu finden. Ich mag dich gern«, fügte er dann hinzu.

      Katja verschlang die Hände ineinander und bemühte sich, ihrer inneren Erregung Herr zu werden. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte sie.

      »Ich erwarte auch nicht, dass du mir sofort eine Antwort gibst.«

      »Und wenn ich ja sagen würde, was denkst du dann?«, fragte Katja leise.

      Die Musik schwieg. Jan erhob sich und stellte das Stereogerät ab.

      »Ich wäre glücklich«, sagte er, nachdem er sich langsam umgedreht hatte, und damit stürzte er sie in so große Verwirrung, dass sie gar nicht mehr wusste, was sie sagen und denken sollte.

      Er ergriff ihre Hand und zog sie an seine Lippen.

      »Man kann eine Ehe auch auf gegenseitigem Vertrauen aufbauen, Katja«, erklärte er eindringlich.

      Und sicher ist das eine bessere Basis als blinde Verliebtheit, dachte sie.

      »Ich lasse dir Zeit, Kleinchen«, sagte Jan mit dunkler Stimme.

      Ihr Gesicht war in dunkle Glut getaucht, als sie ihn anblickte.

      »Ich werde dir die Antwort geben, wenn ich zurück bin«, flüsterte sie.

      *

      Am späten Nachmittag des nächsten Tages fuhr Katja heim. Mit Jan hatte sie nur wenig gesprochen.

      Sie waren beide befangen, aber als sie sich verabschiedete, hielt er ihre Hand fest und küsste sie auf die Wange. Es war wohl eine spontane Reaktion, weil sie ihn so hilflos anblickte.

      »Ich glaube nicht, dass Heinz kommen wird«, hatte Lalli gesagt, und sie hatte damit wohl den Wunsch ausdrücken wollen, dass Katja bleiben solle.

      Doch Katja wollte ihm keinesfalls begegnen, und bei Heinz war nichts ausgeschlossen. Sie traute ihm zu, dass er gerade jetzt, da sein Vater so krank war, mit allen Mitteln versuchen würde, ihn für sich einzunehmen.