Max Henning

Der Teufel: Sein Mythos und seine Geschichte im Christentum


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ungeheuern heiligen Schriftenliteratur der Mazdayasnareligion allein die in der Bibliothek zu Alexandria katalogisierten Werke zwei Millionen Zeilen umfaßt haben sollen.

      Immerhin aber bleibt noch ein wesentlicher Unterschied zwischen Ahriman und dem Teufel auch hier bestehen. Der jüdische Monotheismus konnte den Teufel als Träger des Bösen nicht zu einem mit Gott um die Weltherrschaft ringenden widergöttlichen Wesen erheben. Daher hören wir auch noch nichts von einem widergöttlichen Reiche Satans, das mit Gott und seinen Engelscharen im Kampfe liegt. Endlich erscheint der Teufel nur als Verführer und Bewirker des physischen Übels, des Todes als höchsten. Das Alte Testament und seine Apokryphen wissen noch nichts vom Kampf des moralisch Guten und Bösen in der Menschenbrust, in der sich nach der hochstehenden Anschauung des Parsismus ebenfalls der Kampf zwischen Ormuzd und Ahriman abspielt.

      II. Der Teufel im Neuen Testament

       Inhaltsverzeichnis

      Ein ganz anderes Bild gewährt uns dagegen das neutestamentliche Schrifttum. Hier hat der Teufel plötzlich sein Haupt furchtbar gen Himmel gereckt und ist zum »Fürsten« und »Gott dieser Welt« geworden, zu dessen Bekämpfung und Vernichtung der Messias vom Himmel her als wunderbar erzeugter Jungfrauensohn, als »Sohn Gottes«, auf Erden erschienen ist. Wir ersehen daraus, daß die Vorstellung vom Teufel jahrhundertelang im Volksglauben gewuchert haben mußte, um mit einem Schlage so allbeherrschend in Erscheinung treten zu können, und daß uns im Alten Testament nur kümmerliche Spuren von ihr erhalten sind. Ebenso aber wie der Teufelsglaube hatte der Messiasglaube eine Jahrhunderte währende Entwicklung durchmachen müssen, um schließlich in seiner Gegensätzlichkeit zum Teufelsglauben die Weltherrschaft antreten zu können. Ursprünglich nur der von der Prophetie verheißene theokratische Idealkönig Israels, war der Messias, namentlich in der apokryphen, außerkanonischen, Literatur zu einem uranfänglichen Engelwesen bei Gott geworden, als das er uns auch in der paulinischen und johanneischen Literatur des Neuen Testaments entgegentritt. Im übrigen schillert er, sowohl in der jüdisch-apokryphen wie auch der neutestamentlichen Literatur zwischen beiden Extremen, dem »Sohne Davids« und dem »Sohne Gottes«. Ebenso aber hatte sich auch die Vorstellung vom leidenden Messias auf Grund des jesajanischen freiwillig leidenden Gottesknechtes (Kap. 52, 13 – Kap. 54) ausgebildet. Und nicht nur der Volksglaube, besonders seit der Zeit der Drangsale unter dem römischen Joch, sondern auch die apokalyptische jüdische Schriftstellerei jener Zeit als Fortsetzung der alten Prophetie lebte und webte in der messianischen Hoffnung, die sich auch bei ihr in den mannigfachsten, von einem zum andern Extrem schillernden Formen kundgab. Die Offenbarung Johannis, wahrscheinlich in den letzten Jahren des Kaisers Domitian, am Ausgang des ersten christlichen Jahrhunderts, geschrieben, hat uns im 12. Kapitel ein außerordentlich wertvolles Stück dieser jüdischen Apokalyptik (geheimen göttlichen Offenbarung) aus der Zeit der Zerstörung Jerusalems, nur oberflächlich verchristlicht, erhalten. Wir führen es im folgenden an nach der von Joh. Weiß herausgegebenen Übersetzung der Schriften des Neuen Testaments mit Einklammerung der christlichen Einschaltungen:

      »Und ein gewaltiges Zeichen erschien am Himmel: Ein Weib, bekleidet mit der Sonne, und der Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupte ein Kranz von zwölf Sternen, schwanger war sie und schrie in ihren Wehen des Gebärens. Und ein anderes Zeichen erschien am Himmel und siehe, ein gewaltiger feuerroter Drache mit sieben Häuptern und zehn Hörnern und auf seinen Häuptern sieben Diademe, der fegte mit seinem Schweif ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde. Und der Drache stand vor dem Weibe, das gebären sollte, um, wenn es geboren, ihr Kind zu verschlingen. Und es gebar einen Knaben, der soll ›die Heiden weiden mit ehernem Stabe‹; und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und zu seinem Thron. Und das Weib floh in die Wüste, wo es eine von Gott bereitete Stätte hat; dort wird man sie am Leben erhalten 1260 Tage lang.

      [Und es erhob sich ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und der Drache kämpfte und seine Engel, aber sie hielten nicht stand und mußten weichen aus dem Himmel. Da ward gestürzt der große Drache, die uralte Schlange, der da heißt ›Teufel‹ und ›Satan‹, der den ganzen Erdkreis verführt; gestürzt ward er zur Erde, und seine Engel wurden mit ihm gestürzt. Und ich hörte einen lauten Ruf im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und die Herrschaft unserm Gott zugefallen und die Gewalt seinem Gesalbten. Denn gestürzt ist der Ankläger unserer Brüder, der sie vor Gott verklagte Tag und Nacht. (Und sie haben ihn überwunden durch das Blut des Lammes und das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tode.) Deshalb freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen! Wehe der Erde und dem Meer, denn der Teufel ist zu euch herabgestiegen; er tobt in gewaltigem Grimm, weil er weiß, wie kurz seine Frist ist!

      Und als der Drache sah, daß er zur Erde gestürzt war, verfolgte er das Weib, das den Knaben geboren hatte.] Und es wurden dem Weibe die zwei Schwingen des großen Adlers gegeben, um in die Wüste zu fliehen an ihre Stätte, dort wird sie am Leben erhalten, eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit‹. 3 ½ Jahre = 1260 Tage, das Jahr zu 360 Tagen gerechnet. Und die Schlange schleuderte aus ihrem Maule Wasser hinter dem Weibe her wie ein Strom, um das Weib in dem Strom zu ersäufen. Aber die Erde kam dem Weibe zu Hilfe, und die Erde öffnete ihren Mund und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Munde geboren hatte. Da entbrannte der Drache vor Wut gegen das Weib und ging hin, um zu kämpfen gegen die übrigen ihres Samens, die da halten die Gebote Gottes (und das Zeugnis Jesu haben.)«

      Auf der silbernen Mondsichel schwebend, von Sonnenglanz umstrahlt, das Sternendiadem auf dem Haupte, so hat Murillo seine berühmte Madonna nach dieser Schilderung gemalt. Aber hier ist keine irdische Jungfrau Maria die Mutter des Messias. Eine Himmelsgöttin steht vor uns, und der Mythos, der von ihr erzählt wird, ist der messianisierte ägyptische Seth- und griechische Pythonmythos. Auch Leto, die Mutter des Apollo, wurde, als sie ihr von Zeus empfangenes Kind gebären sollte, vom Pythondrachen verfolgt, weil er durch ihren Sohn sterben sollte. Auf ihrer Zufluchtsstätte, der Insel Delos, wohin sie vom Nordwind getragen wurde, gebar sie Apollo, der vier Tage nach seiner Geburt den Drachen erlegte. Der jüdische Apokalyptiker verwendet den alten Mythos, der bei den verschiedensten Völkern in mannigfachen Formen umlief und hinter dem der Naturvorgang des verschwindenden und im Neumond wiedergeborenen Mondes steht, zu einer gewaltigen Vision, in der er die Himmelsgöttin zur symbolischen Gestalt des idealen Israel, des »himmlischen Zion«, umbildet, das – ein seliger Trost in dem Verzweiflungskampf des jüdischen Volks gegen die römische Weltmacht – den himmlischen Messias bereits geboren hat. Der christliche Apokalyptiker deutet die Gestalt des idealen Israel wiederum zur idealen Christusgemeinde um. Der Teufel aber, der große Drache, die uralte Schlange, ist in einer Person die alte Paradiesesschlange und der Urdrache des babylonischen Schöpfungsmythos, der bei der Schöpfung gebändigt ist, aber am Ende der Tage wieder hervorbricht. Obwohl er noch als Ankläger der Brüder vor Gott erscheinen darf, ist er doch ganz ausgesprochen auch der widergöttliche Ahriman, nach dessen Sturz Gott erst die volle Herrschaft im Himmel hat. Zu dieser Stellung konnte der Satan nur in einer Zeit aufsteigen, in der sich unter dem Joch der römischen Zwingherrschaft alle messianischen Verheißungen und Hoffnungen als eine große Täuschung erwiesen hatten.

      Aber mit seinem Sturz ist Satans Macht noch nicht gebrochen. Auf der Erde tobt er in gewaltigem Grimme weiter, und zwar in den Verfolgungen der römischen Weltmacht, wie das in den folgenden Kapiteln geschildert wird, und überdies in dem zweiten furchtbaren Tier, dem Antichristen als Lügenprophet, bis das Gericht über Babylon-Rom, »die Mutter der Buhler und aller Greuel der Welt«, stattgefunden hat, die Messiasschlacht geschlagen, der Drachen, die alte Schlange, auf tausend Jahre gebunden und in der Unterwelt versiegelt ist, um dann im Endgericht in den See voll Feuer und Schwefel geworfen und dort gepeinigt zu werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und mit ihm der Tod und der Hades (das Totenreich), die Feigen und die, die vom Glauben abfallen, die mit Greuel Befleckten und die Mörder und Buhler, Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, während sich dagegen der neue Himmel und die neue Erde und das neue Jerusalem mit allen Gläubigen in bräutlich-lichter Schönheit für alle Ewigkeit erhebt.

      Auch diese letzten, von der jüdischen Apokalyptik übernommenen Schilderungen, in denen wir den Messias gänzlich vermissen, weisen handgreiflich in die parsistische Vorstellungswelt