Max Henning

Der Teufel: Sein Mythos und seine Geschichte im Christentum


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dieses Gegensatzes kam, hatte es den gnostischen Dualismus zu überwinden, aus dem es als festgefügte, bischöflich organisierte Kirche hervorging.

      III. Der Teufel in der Kirche bis zu Konstantin dem Großen

       Inhaltsverzeichnis

      Der Kampf gegen den Dualismus der Gnosis.

       Inhaltsverzeichnis

      Wollte das junge Christentum mit seinem neuen Mythos über die hohe Geisteskultur der alten Welt siegen, so mußte es ihn zu einer Art Philosophie umgestalten, die mit der griechisch-römischen Philosophie in Wettstreit treten konnte. Es mußte seinen Glaubensinhalt zu einem geschlossenen Gedankengebäude erheben. Die ersten Versuche hierzu bilden die mannigfachen Systeme der christlichen Gnosis des zweiten Jahrhunderts. Diese christliche Gnosis (Okkultes, tieferes Wissen), eine Fortbildung alexandrinisch-jüdisch-platonischer Religionsphilosophie in Verbindung mit phantastischer, orientalischer, theosophischer Spekulation, die sich neben der Frage, ob Christus nur einen Scheinleib oder einen wirklichen Leib gehabt habe, d. h. ob sich das reine Göttliche mit der Materie beflecken durfte, mit den großen Fragen des Verhältnisses Gottes zur Welt, des Geistes zur Materie und der menschlichen Willensfreiheit befaßte, – diese christliche Gnosis nun bedrohte das Christentum mit einem ihm äußerst gefährlichen Dualismus. Sie erblickte in der Schöpfung der materiellen Welt das Werk eines niederen göttlichen Wesens, des »Demiurgen«, den sie als den »gerechten« alttestamentlichen Gott vom »guten« oder höchsten Gott unterschied, wenn sie nicht gar, wie die Extremsten, in der Welt das Werk des Teufels sah. Sie suchte im allgemeinen die uralte Frage nach dem Ursprung des Bösen und dem Übel in der Welt dadurch zu lösen, daß sie den Entwicklungsprozeß von der Materie (der Hyle) als dem Reich der Finsternis über das Psychische (das Reich des Demiurgen) zum rein Geistigen (Pneumatischen), das sich in Christus geoffenbart hat, sich entfalten ließ. Im Heidentum sah sie das Werk der Materie, im Judentum das Werk des Demiurgen, des Gottes des Gesetzes, in Christus und seinem Reich die Vollendung der Weltentwicklung.

      Hatte das junge Christentum bei seiner Verselbständigung nach der Zerstörung Jerusalems und seiner Lostrennung vom Judentum, die nunmehr erst zur Todfeindschaft mit den Juden führte, seinen Messiasglauben in den drei ersten Evangelien historisiert, indem es im Gegensatz zu den Juden den Messias als bereits gekommen und, nach dem Vorbilde des leidenden Gottesknechts Jesajas, der sterbenden und auferstehenden Gottheilande der antiken Mysterienreligionen und insbesondere unter astralmythologischen Einfluß, als gekreuzigt darstellte und dadurch, den jüdisch-apokalyptischen Phantasien sich entwindend, festen Boden unter den Füßen bekam, so schuf es sich in den frühesten Stadien des Kampfes mit der Gnosis, auch dieser sich entwindend, zu den bereits vorhandenen Evangelien das vierte Evangelium hinzu. Dieses Evangelium barg in sich so viel Gnosis als das Christentum eben noch vertragen konnte – auch das paulinische Schrifttum hatte ja schon viele gnostische Elemente –, vor allem den platonisch-alexandrinischen Logos Gottes, den die urbildliche, unsichtbare Welt in sich zusammenfassenden ewigen göttlichen Gedanken, als den in die Finsternis zur Erlösung der Menschen »im Fleisch« herabgestiegenen Christus. In der weiteren Auseinandersetzung mit der Gnosis, die die Existenz böser, von Gott unabhängiger und nicht von ihm erschaffener Geister lehrte, betonten die ersten großen Kirchenlehrer, insbesondere Tertullian (160–220) und Irenäus (gest. um 202), die Abhängigkeit der Dämonenwelt und des Teufels von Gott. Der Teufel sei gleich den andern Engeln ursprünglich als gut von Gott erschaffen, mit dem freien Willen für das Gute und Böse, genau wie der Mensch. Nach Origenes (185–254) war seine Hauptsünde Hochmut und Anmaßung, die Hybris der Griechen, nach Irenäus, Tertullian und Cyprian (200 bis 258) dagegen, wie schon im Buch der Weisheit Salomos, der Neid auf das Ebenbild Gottes im Menschen. Nach der allegorischen Bibelauslegung wurden nunmehr auch die Stellen Jesaja 14, 12 und Ezechiel Kap. 26, die einen Mythos vom Sturz des Morgensterns (Luzifer) auf die Könige von Babylon und Tyrus anwenden, von Tertullian und Origenes auf den Fall Satans gedeutet. Nach Tatian (zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts) war sein Fall die Strafe für die Verführung der Menschen. Nach Cyprian und Irenäus soll dieser Fall jedoch zwischen der Schöpfung des Menschen und seiner Verführung stattgefunden haben. Durch den Sündenfall aber war der Mensch in die Hände des Teufels gelangt. Wiewohl die Verführung des Menschen doch eigentlich ein Eingreifen Satans in Gottes Sphäre war, erkannte Gott den Rechtsanspruch des Teufels auf den Menschen an. Dieses Rechtsanspruches konnte der Teufel nur dadurch wieder verlustig gehen, daß er zu Unrecht einen sündlosen Menschen tötete. Dieser vollständig sündlose Mensch war der Messias (Christus). Sein Blut tilgte den Rechtsanspruch des Teufels, der nun zur Strafe dafür, daß er einen sündlosen Menschen wie einen sündhaften behandeln wollte, gefangen gesetzt wurde. Origenes läßt den Teufel ausdrücklich von Gott getäuscht werden, indem Gott seihst den Teufel in seiner Dummheit benutzte, um durch Tötung Jesu den Tod und damit des Teufels Macht zu vernichten. Spätere Kirchenlehrer, wie Gregor von Nyssa, reden sogar von einem Betrug des Teufels seitens Gottes. Die Menschheit Jesu sei der Köder gewesen, den Gott ausgeworfen habe, um daran den Teufel wie einen Fisch anbeißen zu lassen.

      In jedem Falle hatte der Tod Christi eine doppelte Bedeutung erhalten, sowohl als Versöhnungsopfer für Gott wie auch als Lösegeld für den Teufel. Trotz aller theologischen Künste hatte damit der Teufel seine bedeutende Stellung behalten. Er war von Gott in dem Streit um die menschliche Seele als gleichberechtigter Partner anerkannt.

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