stehen. Jede Veränderung an einem Element bewirkt gleichzeitig Veränderungen an allen übrigen Elementen. Das gilt zwar nicht für alle technischen Systeme, aber für lebendige Systeme, also auch für Menschen, ihre Organisationen und Unternehmen.
Wenn also in einem Unternehmenssystem alles mit allem in ständiger Wechselbeziehung steht, müssen wir uns von einer lieb gewordenen Gewohnheit lösen: dem Ursache-Wirkung-Denken.
In den Netzwerken lebendiger Systeme erfolgt nicht immer zuerst die Ursache und dann die Wirkung. Es kann auch eine Wirkung eintreten, deren Ursache wir nicht finden.
Denn diese Wirkung kann aus einer Ursache resultieren, die gleichzeitig, aber für uns unsichtbar, an anderer Stelle auftritt und selbst Wirkung einer dritten Ursache ist. Von der guten alten Kausalkette kommen wir also zu einem zirkulären Bild, in dem Ereignisse synchron an verschiedenen Orten auftreten und zu Ergebnissen führen.
Systemische Wechselwirkung
Die Suche nach dem Schuldigen bringt nichts
Die vielerorts immer noch beliebte Suche nach Verantwortlichen oder Schuldigen an einer Misere greift einfach deshalb zu kurz, weil sie das Problem nicht löst. Denn in systemischer Betrachtungsweise muss der »Schuldige« eben durchaus nicht der Verursacher sein, sondern könnte ebenso gut als ein Symptomträger des Systems fungieren. In dem Fall wäre sein »schuldhaftes« Verhalten eine Auswirkung verborgener systemischer Zusammenhänge. Den »Schuldigen« zu feuern wäre also eine »Lösung«, die nach dem Muster funktioniert: »Wenn die rote Öl-Warnlampe während der Fahrt aufleuchtet, bitte die Glühbirne entfernen und weiterfahren!«
Wie systemische Wechselwirkungen funktionieren, veranschaulicht der Organisationsberater Grochowiak am Beispiel eines Froschteichs:
»Denken wir etwa an einen Teich und betrachten die Populationsdichte der dort ansässigen Frösche. Sie wird genau in dem Maße wachsen, in dem für die Frösche ausreichend Nahrung vorhanden ist. Nimmt die Zahl der Frösche nun in Folge des reichen Nahrungsangebotes zu, so verringert sich die zur Verfügung stehende Menge an Nahrung, was in der Folge eine Verringerung der Froschpopulation nach sich zieht. Ist nun die Zahl der Frösche auf ein niedrigeres Niveau gesunken, wird sich das Nahrungsangebot wieder vergrößern, so dass die Zahl der Frösche wieder wachsen kann – und der Kreislauf kann von neuem einsetzen« (Grochowiak/ Castella/ Klein S. 13).
Das Offensichtliche ist am schwersten zu sehen
Es bliebe noch anzumerken, dass Frösche mitunter ein Problem haben, unter dem auch wir Menschen leiden können: Sie erkennen ihre Nahrung nicht immer! So kann ein Frosch eine Fliege nur erkennen und fangen, wenn sie fliegt. Sitzt sie aber still neben ihm, bleibt sie unbehelligt. Daher könnte ein Frosch, umgeben von den schönsten Fliegen, verhungern, wenn diese nur bewegungsfaul genug sind. Wir tun also gut daran, am Beispiel der Frösche zu lernen, die Lösung nicht zu übersehen, die unmittelbar vor unserer Nase sitzt. Genau dies aber fällt bekanntlich besonders schwer: das Offensichtliche zu erkennen!
Systemische Abbildung statt analytischer Beschreibung …
Für die Lösung komplexer systemischer Probleme müssen Unternehmensführer und Berater ihre Wahrnehmungsgewohnheiten ändern und sich von linearen, kausalen Beschreibungen und Erklärungen lösen. Hier hilft die Aufstellungsmethode, klassische Beratungsansätze zu ergänzen, indem sie ein Unternehmen nicht analytisch beschreibt, sondern systemisch abbildet.
Mit ihrer Hilfe können Sie auf einfache Weise einen Überblick über eine Ist-Situation erhalten. Erfolgsblockierende Spannungen, die etwa zwischen Produktion und Vertrieb oder Geschäftsleitung und einer Auslandstochter entstehen, werden sofort sichtbar. Sie erkennen, ob die Positionierung einer Abteilung oder Person im Gesamtunternehmen richtig ist bzw. in welche Richtung sie verändert werden müsste, damit das Ganze besser funktioniert.
… lässt Problemlösungen offensichtlich werden
»So einfach kann es doch nicht sein!«, entgegnen uns manche Kunden, wenn ihnen systemische Zusammenhänge klar werden. »Dann hätten wir ja jahrelang viel Geld und Zeit investiert, ohne das Problem wirklich zu lösen!« Solch eine Erkenntnis ist schmerzhaft und auch in anderen Bereichen bekannt. So sind heute beispielsweise in der Logistiksteuerung einfache, preiswerte Softwarelösungen möglich, wo früher hoher Aufwand mit oft unbefriedigendem Erfolg betrieben wurde. Aber die »Macht der Gewohnheit« bewirkt, dass Unternehmen manchmal jahrelang zögern, eine solche Lösung zu akzeptieren. Oft tun sie das nicht aufgrund wirtschaftlicher oder technischer Bedenken. Vielmehr scheinen auch innovative Manager bisweilen durch eine merkwürdige Scheu vor dem Neuen befangen zu sein.
Warum werden Menschen, die ihre Risikofreude und ihren unternehmerischen Geist vielfach unter Beweis gestellt haben, plötzlich zu Bedenkenträgern? Sie folgen einem Instinkt, einem »Bauchgefühl«, das sich auf die Auswirkungen einer Umstrukturierung im systemischen Ganzen des Unternehmens bezieht. Denn so sehr innovative Software auch technische Abläufe erleichtern mag, so fatal kann die Auswirkung ihrer Einführung auf der zwischenmenschlichen, systemischen Ebene sein. Um solche Turbulenzen zu vermeiden, sollte eine wichtige Restrukturierungsmaßnahme deshalb immer von einem systemischen Check begleitet werden. Befürworter einer neuen Technologie oder verkürzter Entscheidungswege verzweifeln manchmal an der Halbherzigkeit, mit der eine Neuerung eingeführt wird. Weil sie die Situation nur linear und analytisch betrachten, übersehen sie aber die erfolgsentscheidende systemische Ebene.
Die systemische Ebene ist erfolgsentscheidend
Es ist natürlich wichtig, ein Unternehmen technologisch zu optimieren. Die »Musik« aber spielt woanders. Denn auch im IT-Zeitalter sind Unternehmen menschliche Gebilde und funktionieren, wie alle zwischenmenschlichen Systeme, einfach, folgerichtig und konsequent – ähnlich wie ein biologischer Organismus. Auch unsere Körper sind komplexe organische Systeme, die unter anderem bestimmte Arten von Nahrung, ein bestimmtes Maß an Bewegung und eine bestimmte Menge an Flüssigkeit benötigen und auf Zivilisationsgifte, besonders in Verbindung mit Stress, gereizt antworten. Wer die systemischen Gesetze seines Körpers kennt und berücksichtigt, hat es, wie wir alle wissen, bedeutend leichter als jemand, der sich über sie hinwegsetzt. Ähnlich verhält es sich mit unseren zwischenmenschlichen Systemen. Auch hier haben wir eine Wahl: Wir können uns bemühen, ihre Gesetzmäßigkeiten zu verstehen und zu befolgen – oder sie um kurzfristiger Vorteile willen missachten –, und die Folgen später ausbaden.
Menschliche Systeme arbeiten nach machtvollen unbewussten Gesetzen
Auch im »Organismus Unternehmen«, im Unternehmenssystem also, gibt es ein verborgenes Wissen darüber, was nützt und was schadet. Dieses Wissen gehört nicht einem Einzelnen und beruht nicht auf Expertenanalyse. Vielmehr ist es in einer Art Informationsfeld vorhanden. Was dieses Informationsfeld genau ist und wie es funktioniert, ist noch nicht vollständig erforscht. Trotzdem können wir bereits von seinen Wirkungen profitieren. Es ist ähnlich wie beim Internet: Auch wenn Sie nicht wissen, was genau das Internet ist und wie es funktioniert, können Sie es bereits nutzen, wenn Ihnen jemand erklärt, was Sie tun müssen, um sich einzuwählen. Sie können dann eine Flut von Informationen jederzeit, von jedem Ort aus, abrufen.
Mit systemischer Aufstellung zapfen Sie das Informationsfeld Ihres Unternehmenssystems an. Sie wählen sich in das Netzwerk ein, in dem alle relevanten Informationen über das Beziehungsgefüge im Unternehmen fließen.
Wie wirkt nun so ein Informationsfeld praktisch? Es wirkt unbewusst. Weil das Systemwissen inaktiv bleibt, also von den beteiligten Personen nicht bewusst genutzt wird, nehmen sie es meist als »Ahnungen« oder »Bauchgefühle« wahr. So weiß etwa in einem Unternehmen z. B. der Produktionschef nicht, was gerade zwischen dem Vertrieb und einem Kunden abläuft, obwohl es ihn unmittelbar betrifft.
Nehmen wir an, der Vertrieb habe einem wichtigen Kunden soeben eine größere Lieferung innerhalb von vier Wochen zugesagt, obwohl die Produktion nach ihrer Planung dafür zwei Monate benötigte. Zwar ist das Geschäft ohne Wissen und außerhalb der Sichtweite des Produktionsleiters