Patricia Vandenberg

Dr. Norden Jubiläumsbox 5 – Arztroman


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Charlotte hatte Angst um ihren Mann. Doch diesen Gedanken wollte sie nicht zulassen und ging deshalb nicht auf die Worte ihrer Tochter ein.

      »Alles glatt gegangen mit dem Auftrag?«, fragte sie stattdessen und ging hinüber zu ihrem Schreibtisch.

      »Kein Problem!«, winkte Teresa ab. »Du hattest ja alles schon bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Wie immer.«

      »Das ist eben der Service, den die Kunden besonders zu schätzen wissen. Deshalb kommen sie immer wieder in unser Reisebüro«, rechtfertigte sich Charlotte und setzte sich ihrer Tochter gegenüber auf ihren Stuhl.

      Im ersten Augenblick war Teresa versucht, einen Kommentar zu den aufwändig aufbereiteten Reisen abzugeben. Doch dann überlegte sie es sich anders.

      »Übrigens war da ein Anruf von einer Firma. Ein gewisser Herr Antonin hat angefragt, ob ihr das leer stehende Büro vermieten würdet.«

      Empört blickte Charlotte auf.

      »Wie kommt er denn auf die Idee? Und woher weiß er überhaupt, dass wir so einen Raum haben?«

      Ratlos zuckte Teresa mit den Schultern.

      »Keine Ahnung. Aber ehrlich gesagt finde ich die Idee gar nicht so schlecht. Er hat ein richtig gutes Angebot gemacht.«

      Doch davon wollte Charlotte nichts wissen.

      »Kommt überhaupt nicht in Frage! Diese Räume hier sind unsere Existenzgrundlage. Die vermieten wir nicht.«

      Teresa traute ihren Ohren kaum.

      »Na hör mal, seit ich weg bin, wird das Büro nicht mehr genutzt. Das brauchst du doch eh nicht mehr.«

      »Unsere Flaute ist nur vorübergehend. Irgendwann stellen wir wieder eine Kraft ein. Dann brauchen wir das Zimmer und werden die Mieter möglicherweise nicht mehr los.« Entschieden schüttelte Charlotte den Kopf. »Nein, nein. Das kommt überhaupt nicht in Frage.« Um ihrer Tochter zu bedeuten, dass das Gespräch an dieser Stelle für sie beendet war, beugte sie sich wieder über ihren Schreibtisch.

      Doch sie hatte nicht mit Teresas Hartnäckigkeit gerechnet.

      »Mensch, Mama, wann siehst du endlich ein, dass ihr euch mit eurem Konzept in eine Sackgasse manövriert habt? Das Reisebüro wird nie mehr expandieren. Ich hab nicht umsonst hier aufgehört und studiert.«

      Das war das Thema des alten Streits, der immer wieder zwischen den beiden Frauen aufflammte. Angesichts dieser Worte lehnte sich Charlotte im Stuhl zurück und funkelte ihre Tochter wütend an.

      »Natürlich! Ich hab alles falsch gemacht. Wenn ich mir zu fein gewesen wäre, schöne Reisen für meine Kunden auszuarbeiten und stattdessen immer nur die teuersten Pauschalreisen angeboten hätte, dann wären wir längst pleite.«

      Am liebsten hätte Teresa ihrer Mutter wieder mal einen Vortrag über kostendeckendes Wirtschaften gehalten. Da sie aber wusste, dass das ebenso unsinnig war wie gegen Windmühlen anzukämpfen, ließ sie es bleiben und stand auf.

      »Überleg dir das nochmal mit dem Büro. Herr Antonin will am Montag nochmal anrufen.« Sie ging hinüber zur Garderobe und nahm ihren Mantel vom Haken.

      Charlotte sah ihr dabei zu.

      »Was geht dich das überhaupt an?«, stellte sie ihre Tochter aufgebracht zur Rede. »Du bist aus dem Geschäft ausgestiegen.«

      In aller Seelenruhe schlüpfte Teresa in ihren Mantel und drehte sich dann noch einmal um.

      »Ganz genau. Und weißt du, was ein weiterer Grund dafür war?«, fragte sie aufreizend ruhig. »Weil du so stur bist. Und daran hat sich ja offenbar gar nichts geändert. Das betrifft nicht nur das leer stehende Büro, sondern dein ganzes Konzept. Was bringt denn dieser Wahnsinnsauftrag, den ich heute abgewickelte habe? Wenn du den Lohn für die Stunden abziehst, die du mit der Ausarbeitung der Reise beschäftigt warst, bleibt am Ende nichts übrig.«

      »Doch, Geld!«, behauptete Charlotte starrsinnig und erntet dafür ein hämisches Lachen von ihrer Tochter.

      »Das deckt noch nicht mal deine Selbstkosten. Wieso verstehst du das eigentlich nicht? Das, was die Kunden wollen, ist zu kompliziert. Viel zu viel Planungszeit und Recherche. Dass du nicht endlich kapierst, dass die paar Cents nicht reichen, wenn du das Beste für Papa willst. Vermiete das Büro!«, verlangte Teresa noch einmal leidenschaftlich. »Das wäre zumindest ein Anfang.«

      »Warum nicht gleich das ganze Haus?«, fragte Charlotte bissig.

      Doch das, was als Provokation gedacht war, fand durchaus Teresas Zustimmung. Im Mantel stand sie immer noch mitten im Reisebüro und starrte ihre Mutter herausfordernd an.

      »Ja, warum eigentlich nicht?«, fragte sie zurück und brachte ihre Mutter damit überraschend ins Schleudern.

      Mit so einer Antwort hatte Charlotte nicht gerechnet, und entsprechend perplex war sie.

      »Was soll so ein Reisebüro, das deiner Ansicht nach nur ein nettes Hobby ist, schon einbringen?«

      »Das Reisebüro kannst du wirklich vergessen«, stimmte Teresa dieser Ansicht knallhart zu. »Aber der Standort an sich ist interessant. Verkauft Haus und Grundstück an eine Wohnungsbaugesellschaft. Oder an die Firma, die sich für das Büro interessiert. Dann würdet ihr ein hübsches Sümmchen einstreichen, und sämtliche Probleme wären auf einen Schlag gelöst.«

      Diesen schlagkräftigen Argumenten hatte Charlotte nicht viel entgegen zu setzen. Außerdem war sie viel zu erschöpft, die Sorgen um Bernhard waren zu groß, als dass sie sich noch länger gegen die unabänderlichen Tatsachen hätte zur Wehr setzen können.

      »Es geht uns nicht gerade rosig, das stimmt«, räumte sie müde ein und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Aber wir alle zusammen könnten den Laden wieder zum Laufen bringen«, tat sie ihre Hoffnung mit erstaunlich friedfertiger Stimme kund.

      Doch wenn sie gehofft hatte, Teresa überzeugen zu können, so hatte sie sich geirrt. Unwillig schüttelte ihre Tochter den Kopf.

      »Die großen Reiseveranstalter, das Internet, die machen uns alle platt. Egal, wie knapp wir kalkulieren. Gegen die haben wir einfach keine Chance«, gab Teresa zurück. »Und dass du ein liebevolles Programm mit allen Details ausarbeitest statt einfach einen Reiseführer mitzugeben, das ist den Kunden doch egal.«

      »Aber was, wenn du hier Chefin wärst?«, machte Charlotte wieder einmal einen Versuch, ihre Tochter zur Rückkehr zu bewegen. »Du hättest freie Hand.«

      Dieses neuerliche Angebot machte Teresa nur wütend, zeigte es doch, wie wenig ihre Mutter das annahm, was sie ihr sagte.

      »Du kannst dir doch nicht allen Ernstes wünschen, dass deine eigene Tochter hier vor sich hin dümpelt und irgendwann versauert?«, fragte sie scharf. »Dann hätte ich ja gleich hierbleiben können … Nein, ich will mehr.« Sie hatte die Hände in die Taschen gesteckt und starrte Charlotte herausfordernd an.

      »Du willst große Karriere machen, schon klar«, seufzte ihre Mutter, die endlich einsah, dass es keinen Sinn hatte, noch länger zu diskutieren. »Das, was wir geschaffen haben, genügt dir nicht.«

      Einen Moment lang stand Teresa noch im Büro. Ihr Mund bewegte sich lautlos. Doch kein Wort kam über ihre Lippen. Und auch Charlotte hatte nichts mehr zu sagen, sodass sich Teresa schließlich umdrehte und grußlos das Reisebüro verließ.

      *

      »Danny, Tatjana, wie schön, dass ihr uns wieder mal Gesellschaft leistet«, freute sich Fee, als sich das junge Paar an diesem Abend im Hause Norden einfand.

      Da Tatjana keine eigene Familie in Deutschland hatte, hatte sie kurzerhand Dannys Angehörige adoptiert. Zum Glück für alle Beteiligten war die Sympathie gegenseitig und die beiden gern gesehene Gäste und nicht nur bei den Kindern beliebt. Auch Daniel und Fee schätzten und bewunderten die schlagfertige und lebenstüchtige Tatjana, die ihr Leben trotz eines schweren Schicksalsschlags und ihrer Sehbehinderung mit Bravour meisterte.

      »Wir