Darüber will ich alles wissen.«
»Um dann festzustellen, dass Orientalistik genau das falsche Studienfach war, was?«, bemerkte Felix frech wie immer.
Gutmütig lachend winkte Tatjana ab und ließ sich auf den Stuhl neben Felix fallen.
»Wer weiß, vielleicht mache ich ja ganz was anderes, wenn ich meine Masterarbeit fertig habe.«
»Da bin ich aber mal gespannt«, entfuhr es Danny, der zum ersten Mal von den Plänen seiner Freundin hörte.
»Ja, Frau Bärwald hat anklingen lassen, dass sie das Geschäft aus Altersgründen demnächst aufgeben will und sich eigentlich nur einen Nachfolger vorstellen kann«, verriet Tatjana der Familie augenzwinkernd. »Respektive eine Nachfolgerin.«
»Du willst die Bäckerei übernehmen?«, fragte Fee so überrascht nach, dass die junge Frau unsicher wurde.
»Hältst du das für eine dumme Idee?«
»Aber nein, ganz im Gegenteil! Ich weiß ja, wie viel Spaß du im Geschäft hast. Mal abgesehen davon, dass jede Art von Essen ohnehin deine Leidenschaft ist.«
»Aber solltest du dazu nicht eine Bäckerlehre gemacht haben?«, brachte Daniel einen vernünftigen Einwand.
»Darüber haben Frau Bärwald und ich auch schon gesprochen«, konnte Tatjana diese Bedenken zerstreuen. »Sie will ja nicht sofort aufhören und ich könnte die Lehrzeit erheblich verkürzen. Aber bevor ich eine Entscheidung treffe, wollte ich natürlich zuerst mit Danny und euch darüber sprechen.«
»Ein leerer Magen studiert nicht gern«, ertönte da eine strenge Stimme aus dem Hintergrund. »Und genauso wenig trifft ein leerer Magen gern Entscheidungen. Deshalb solltet ihr jetzt endlich zugreifen!« Niemand anderer als die Haushälterin Lenni stand in der Tür zum Esszimmer. Sie hatte die Hände in die Hüften gestützt und schickte einen strengen Blick in die Runde. »Oder habt ihr keinen Hunger? Dann räum ich wieder ab!«
»Auf gar keinen Fall!«, entfuhr es Tatjana so entsetzt, dass alle lachten.
Es wäre aber auch ein Jammer gewesen, die ansehnliche Käseplatte mit Trauben und Birnen und die Schüssel mit Salat verkommen zu lassen, die bereits auf dem Tisch standen und auf die hungrigen Mäuler warteten. Und wie der Duft aus der Küche verriet, warteten noch andere Köstlichkeiten darauf, serviert zu werden.
»Die Gefahr, bei Lennis Küche zu verhungern, ist wesentlich geringer, als dick und kugelrund zu werden«, seufzte Felix schließlich satt und zufrieden. Er lehnte sich zurück und klopfte demonstrativ auf seinen flachen Bauch.
»Sport kann Abhilfe schaffen!«, erteilte Dési ihrem älteren Bruder einen wohlmeinenden Rat. »Dabei werden außerdem Glückshormone …«
»Endorphine heißen die«, unterbrach Janni seine Zwillingsschwester vorlaut, um mit seinem neu erlernten Wissen aus der Schule zu prahlen.
Dési schnitt ihm eine Grimasse, und Felix lachte.
»Lenni macht mich auch glücklich«, erklärte er, als der gute Geist der Familie Norden in diesem Augenblick mit Pfannkuchen, gefüllt mit Bananen und garniert mit Schokosauce, hereinkam.
»Der Duft eines Pfannkuchens bindet mehr ans Leben als alle philosophischen Argumente«, erklärte sie und stellte die Platte auf den Tisch. »Das hat schon Lichtenberg gewusst.«
»Hört, hört, unsere liebe Lenni ist unter die Philosophen gegangen«, staunte Daniel Norden nicht schlecht über die Kenntnisse der treuen Haushälterin. »Hoffentlich eröffnen Sie uns jetzt nicht, dass Sie die Stelle kündigen und auf dem zweiten Bildungsweg Philosophie studieren wollen.«
Über diese Idee lachte Lenni herzlich, ehe sie die besorgten Gemüter beruhigte.
»Ich könnte doch keine Nacht mehr schlafen, wenn ich wüsste, dass meine Familie nicht versorgt ist«, gab sie ein bisschen verlegen zurück und deutete auf die Platte mit den Pfannenkuchen. »Aber jetzt sollten Sie essen, bevor sie kalt werden! Guten Appetit!«
Das brauchte sie ihrer Familie nicht zwei Mal sagen. Als ob es vorher nicht schon ein reichhaltiges Abendessen gegeben hätte, machten sich alle über die leckere Nachspeise her.
»Wenn ich mich recht erinnere, gibt es so eine ähnliche Süßspeise auch in Thailand«, erinnerte sich Fee an die bunten Bilder aus dem Reiseprospekt, den sie neulich betrachtet hatte.
Das war das Stichwort, auf das Tatjana nur gewartet hatte.
»Was ist denn jetzt mit eurer Reise?«, hakte sie mit einem Blick auf die schweigsame Anneka nach, die sich immer noch über ihren Freund ärgerte und sich bis jetzt mit keinem Wort an der munteren Plauderei beteiligt hatte.
»Ich wollte sie ja gern von unseren Freunden Charlotte und Bernhard Beer planen lassen. Aber dann kam ja dieser schlimme Unfall dazwischen.« In knappen Worten berichtete Felicitas von dem, was tags zuvor im Reisebüro passiert war. »Ehrlich gesagt möchte ich Charlotte in dieser Situation nicht mit der Planung einer Reise belasten.«
»Und auch nicht woanders buchen«, ergänzte Daniel und legte seine Hand auf die seiner Frau. »Da kämen wir uns wie Verräter vor.«
In diesem Augenblick meldete sich Anneka zum ersten Mal an diesem Abend zu Wort.
»So ein Mist!«, entfuhr es ihr unwillig. »Und was mache ich dann mit Leon? Ich kann ihm ja schlecht erzählen, dass ich nach Thailand fliege und es dann doch nicht tun.«
»Aber du wolltest doch sowieso nicht mitkommen«, wunderte sich Fee über diesen plötzlichen Sinneswandel ihrer ältesten Tochter. »Eben wegen Leon.«
Anneka schickte einen unglücklichen Blick in die geliebten Gesichter und konnte sich nicht länger zurückhalten. Ihr ganzer Kummer brach aus ihr heraus, und sie erzählte von dem unglücklichen Treffen des Morgens.
Wie erwartet, wurde sie mit ihren Sorgen und Nöten nicht allein gelassen. Die älteste Tochter des Hauses erhielt wohltuende Schützenhilfe und allerlei mehr oder weniger hilfreiche Tipps von ihrer Familie. Das alles tröstete Anneka ein bisschen über Leons Verhalten hinweg. Aber eben nur ein bisschen, und in der Tiefe ihres Herzens wünschte sie sich, dass er sich doch noch anders entscheiden und auf das Turnier in Australien verzichten würde. Doch genauso sicher wusste sie, dass er sich diese Chance nicht entgehen lassen würde, und das warme Gefühl des Trostes verflüchtigte sich so schnell wieder, wie es gekommen war.
*
Auch am nächsten Tag saß Charlotte Beer wieder am Krankenbett ihres Mannes. Das Piepsen der medizinischen Geräte schüchterte sie genauso ein wie die vielen Kabel und Schläuche, mit denen Bernhards Körper verbunden war. Aus Angst, irgendetwas kaputt zu machen, wagte sie es kaum, ihn zu berühren. Doch irgendwann siegte die Sehnsucht, und sie griff nach der kühlen Hand, die reglos auf der Bettdecke lag.
»Es war richtig, gleich zu operieren«, sagte sie mit rauer Stimme zu ihm. Sie war so konzentriert, dass sie nicht bemerkte, wie Daniel Norden leise ins Zimmer kam. Wie so oft nutzte er auch am Wochenende seine freien Stunden, um nach seinen Patienten zu sehen, die in der Klinik behandelt werden mussten. »Du kennst mich ja. Ich hätte lieber noch ein bisschen abgewartet, ob sich dein Zustand nicht von selbst bessert. Aber in dieser Hinsicht hat Tessa wohl recht gehabt«, fuhr Charlotte nachdenklich fort.
Dr. Norden kannte die Freundin und wusste, dass es ihr nicht leicht fiel, ihren Irrtum einzugestehen. Im Stillen zollte er ihr großen Respekt, als sie weitersprach.
»Was allerdings das Reisebüro angeht, da liegt sie völlig falsch. Da hat sie sich richtig in was rein gesteigert, sag ich dir.«
An dieser Stelle wollte Daniel nicht länger stummer Zeuge dieser vertraulichen Szene sein. Deshalb machte er sich mit einem Räuspern bemerkbar, und Charlotte drehte sich um.
»Hallo, Charlotte.« Er lächelte warm und beugte sich zu ihr hinab, um sie rechts und links auf die Wange zu küssen.
»Ach, Daniel.« Ihr Seufzen kam aus tiefstem Herzen. »Ich weiß, es ist albern, dass ich mit Bernhard rede.«
»Nein,