mit, daß der Bischof erkrankt sei und aus diesem Grund die Messe nicht würde zelebrieren können. Für solch einen Notfall stand ein Amtsbruder zur Verfügung, der einspringen würde.
Dann rief der Sekretär Dr. Ambacher an. Zum Glück war der Arzt zu Hause. Pater Antonius erklärte, was vorgefallen war, und daß sie auf dem Weg ins Krankenhaus wären. Dr. Ambacher versprach, sofort dorthin zu kommen, nachdem er seinen Kollegen im Spital informiert hätte.
Unterdessen saß Ottfried Meerbauer zusammengekrümmt im Fond der Limousine und wünschte sich nichts sehnlicher, als daß die Schmerzen aufhören mögen.
»Wir sind gleich da«, versuchte Pater Antonius, ihm Trost zuzusprechen. »Es dauert nicht mehr lange.«
Der Bischof nickte und schloß wieder die Augen. Das, was er am meisten befürchtete, kam nun unweigerlich auf ihn zu – eine operative Entfernung der Gallensteine.
*
»Haben S’ Lust, sich uns’ren Hof anzuschauen?« fragte Friedrich Reindl den Besucher.
›Unseren Hof‹, durchzuckte es Adrian.
Er nickte und stand auf.
Tina und ihre Mutter hatten den Kaffeetisch abgeräumt und waren jetzt in der Küche beim Abwasch. Die beiden Männer verließen das Bauernhaus.
»Wie lang’ ist der Hof denn schon im Familienbesitz?«
Adrian stellte die Frage, obwohl niemand die Antwort besser kannte als er selbst.
»Noch net so lang«, antwortete der Bauer. »Wissen S’, die Hedwig und ich, wir waren drüben in Waldeck bei einem Bauern in Stellung. Aber natürlich wollten wir eines Tages unseren eigenen Hof haben. Wir hatten ein bissel was gespart, und dann kam überraschend eine kleine Erbschaft dazu, so daß wir das Kapital zusammenhatten, um uns selbständig zu machen. Inzwischen waren ja auch die Kinder schon groß genug, daß sie mit anpacken konnten.«
Sie standen am Zaun, der den Hof vom Gemüsegarten abtrennte. Adrian erinnerte sich, wie seine Mutter früher hier immer gearbeitet hatte. Der Garten war ihr ganzer Stolz gewesen.
Friedrich Reindl schmunzelte, als er mit seiner Erzählung fortfuhr.
»Na ja, die Tina hat einen anderen Weg eingeschlagen. Sie mag zwar gern bei uns sein, aber mit der Landwirtschaft wollt’ sie nix zu tun haben. Die Woche über lebt sie in der Stadt, wo sie arbeitet. Aber unser Bub, der Wolfgang, der wird mal den Greiningerhof übernehmen.«
»Greiningerhof?« fragte Adrian harmlos. »Ich dachte, es würd’ Reindlhof heißen.«
»Der Greininger war der Bauer, dem der Hof früher gehörte«, erklärte Tinas Vater. »Ein armer Schlucker, der hat verkaufen müssen. Dankbar konnt’ er sein, daß wir ihm den Hof abgenommen haben. Hat ja nix Rechtes anzufangen gewußt damit.«
Adrian spürte die kalte Wut, die bei diesen Worten in ihm aufstieg.
Wie konnte dieser Mensch nur so über Vater reden, den er ja kaum gekannt hatte!
»Wieso wußte der Greininger nix mit dem Hof anzufangen?« fragte er gepreßt.
Friedrich Reindl machte eine weitausholende Bewegung.
»Das alles hier, dazu Felder und Bergwald, das war seit Generationen im Besitz der Familie. Irgendwie hat er’s geschafft, das alles herunterzuwirtschaften. Eine Hypothek nach der and’ren wurd’ aufgenommen, und am End’ war net einmal mehr genug da, um die Zinsen zu tilgen.«
Der Bauer machte eine verschwörerische Miene und beugte sich vor.
»Also, unter uns, ich gesteh’, daß ich da ein bissel nachgeholfen hab’. Der damalige Leiter der Bankfiliale in St. Johann, das war ein Cousin von mir. Ein braver Kerl, leider früh verstorben. Zusammen haben wir uns überlegt, wie wir den Greininger ausbooten können. Wir dachten uns: Besser so, als wenn der Hof ganz den Bach hinuntergegangen wär’. Meinen S’ net auch, Herr Winkler?«
»Greininger«, antwortete Adrian und sah den Bauern kalt an.
»Wie meinen S’?« fragte Friedrich Reindl irritiert.
»Ich heiße Greininger«, sagte der junge Mann. »Adrian Greininger. Ich bin der Sohn des Bauern, den Sie und Ihr feiner Cousin von seinem Besitz vertrieben haben. Acht Jahre ist’s jetzt her, und wahrscheinlich haben S’ in all der Zeit geglaubt, daß es nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen würd’.
Doch Sie haben sich getäuscht, Herr Reindl. Ich hab’ nur für diesen Tag gelebt. Den Tag, an dem wir uns gegenüberstehen und ich Ihnen ins Gesicht sagen kann, was für ein Verbrecher Sie sind.
Ein Verbrecher, jawohl! Denn anders kann man das net bezeichnen.«
Friedrich Reindl war leichenblaß geworden. Mit flackernden Augen starrte er Adrian an, suchte nach etwas in dessen Gesicht, das ihm sagte, er sei einem Scherz aufgesessen. Aber gleichzeitig war ihm bewußt, daß es nicht so war, und im selben Moment erkannte er in den Zügen seines Gegenübers den schmalbrüstigen Burschen, der ihn damals so voller Verachtung angesehen hatte.
Es war dieselbe Abscheu, die er jetzt sah.
»Aber… ich mein… also, es war ja net ganz so«, versuchte er sich herauszureden. »Man übertreibt ja manchmal. Ich versichere Ihnen, Herr Winkler… äh, Herr Greininger, daß es damals mit rechten Dingen zugegangen ist. Ich hab’ alles notariell bestätigt…«
»Ihre Urkunden können S’ sich an den Hut stecken«, gab Adrian zurück. »Ich besitze Unterlagen, die beweisen, was Sie getan haben, und damit könnt’ ich Sie vernichten. Jedes Gericht der Welt würd’ Sie verurteilen wegen Betruges, und mir den Hof wieder zusprechen. Ihr sauberer Cousin kann ja leider net mehr belangt werden.«
Friedrich Reindl schluckte. In all den Jahren hatte er nicht einen Moment geglaubt, daß jemals jemand kommen würde, um ihn anzuklagen. Aber in seinem tiefsten Innern war ihm bewußt gewesen, daß es Unrecht war, was er und sein Cousin getan hatten.
Für Kurt, so hieß der Verwandte, war eine fette Provision abgefallen, aber er, Friedrich Reindl, hatte es doch für seine Familie getan. Ein Heim hatte er ihnen schaffen wollen, dem Sohn ein Erbe hinterlassen.
»Was… was werden Sie jetzt unternehmen?« fragte er mit brüchiger Stimme.
Adrian holte tief Luft.
»Das weiß ich net«, antwortete er ehrlich.
Denn er wußte es wirklich nicht. Wenn er auf sein Recht pochte und den Hof wieder zugesprochen bekam, dann würde es auch das Ende seiner Liebe zu Tina bedeuten.
Mußte er aber nicht andererseits das Gefühl haben, seine Eltern zu verraten, wenn er darauf verzichtete?
»Ich weiß es wirklich net«, sagte er noch einmal. »Nur, daß ich Tina von Herzen lieb hab’, und das macht alles so schwer.«
Die junge Frau hörte dieses Geständnis indes nicht. Tina Reindl befand sich zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Weg in die Stadt. Blind vor Tränen raste sie mit ihrem Wagen die Bergstraße hinunter, bog auf die Umgehung ein und fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit weiter.
Sie wollte nur noch fort. Fort von ihrem Zuhause, das auf Lügen und Betrug aufgebaut worden war, und von den Menschen, die sie liebte und denen sie vertraute: den Eltern und dem Mann, der aus der Vergangenheit zurückgekehrt war, um Rache zu üben.
Tina wußte nicht, von wem sie mehr enttäuscht war. Von ihrem Vater, der jahrelang mit einem Lügengebilde gelebt hatte, oder von Adrian, für den sie nur Mittel zum Zweck gewesen war.
Sie fühlte sich erniedrigt und benutzt und hatte nur den einen Gedanken – sie wollte keinen von ihnen jemals wiedersehen!
*
»Wie findest du ihn?« hatte sie ihre Mutter gefragt, während sie in der Küche standen und den Abwasch machten.
Hedwig Reindl hatte beifällig genickt.
»Ein fescher Bursche«, meinte sie. »Ist’s