Леопольд фон Захер-Мазох

Gesammelte Werke von Sacher-Masoch


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tönt über die Ebene, die Geigen schnarren, die Schnitter schreien ein russisches Evoë, der Hahn kräht immer fort. Über dem Wäldchen steigt die große, rote Scheibe des Mondes empor.

      Im Edelhofe ist alles auf den Füßen, die beiden Jagdhunde laufen uns entgegen, der Kettenhund rast an der Kette, indes die Katze auf dem schiefen Dache seiner Hütte sitzt und sich putzt. Das bedeutet Gäste. Der Haushahn sitzt auf dem Stalle und müht sich ab, dem Hahn der Schnitter Antwort zu geben.

      Vor der Tür seines Hauses steht Herr Wasyl Lesnowicz und reibt seine Hände in den Hosentaschen. Neben ihm steht die Herrin Athanasia Aspasia Xenia Lesnowiczowa, die kleine Figur in einem quadrillierten Überrock eingeknöpft, dessen Farbe nicht bestimmt werden kann, die lehmblonden Haare in einer Rosahaube. Dann ihr Sohn, Herr Nikolaus, minder blond, mit aufstehender Nase, dichten Brauen, dickem Gesicht, dickem Genick, ein Liedchen pfeifend. Ihm zur Seite, den Arm in den seinen gelegt, im oftgewaschenen Sommerkleidchen, das dunkle Haar liederlich frisiert, sein hübsches junges Weibchen.

      Auch die Dienstleute sind da, der alte Stephan mit einer großen Branntweinflasche, die er, wie ein Kind, behutsam in den Armen hält. Vor der Scheune ist ein Erntewagen aufgefahren, den die Knechte halb abgeladen stehen lassen. Der Kosak und der Bienenwächter, zwei Spaßmacher von Beruf, haben sich hinter dem offenen Türflügel versteckt, jeder eine Kanne Wasser zur Hand.

      Als das Erntelied hundertstimmig vor dem Hause ertönt, Herr Lesnowicz würdevoll grüßt, stürzen sie hervor, die Kranzmädchen zu begießen, der Bienenwächter spritzt Handza an, obwohl sie geschickt dem Strahle ausweicht, wie aber der Kosak die Erntekönigin bedroht, hat ihn Basja von rückwärts kräftig bei den Armen gefaßt; die Mädchen umringen ihn, schreien, gießen das Wasser über ihn und stülpen ihm die Kanne wie einen Hut auf den Kopf.

      Die Schnitter bilden einen Halbkreis, die Bauern treten zu Herrn Lesnowicz, es wird still.

      Jewa spricht den Glückwunsch. »Wir bringen Dir den Erntekranz, Gott der Herr segne Dich und die Deinen und gebe uns ein glückliches Jahr und eine glückliche Ernte!«

      »Viele Jahre! Viele Jahre!« rufen die Schnitter.

      Herr Lesnowicz dankt und gibt den Segen für Kind und Kindeskinder. Dazwischen tönt das »viele Jahre!« des Volkes. Jewa nimmt den Kranz vom Haupte, noch einmal kräht der Hahn; dann reicht sie das Symbol der Herrin, welche ihr eine Korallenschnur um den Hals hängt. Die junge Frau beschenkt die Kranzmädchen.

      Die Dienstleute schleppen rohgezimmerte Tische herbei, decken sie mit Branntweinflaschen, Käse in großen Laiben, Kilbassy, russischen Würsten, ähnlich jungen Riesenschlangen, Broten, Schüsseln mit Schweinebraten. Herr Lesnowicz und seine Herrin laden herzlich dazu ein.

      Der junge Herr führt die Erntekönigin an einem, beide Kranzmädchen an dem anderen Arme, der alte Lesnowicz schleppt einen widerstrebenden Bruder Bauer und Wähler an die Tafel, der Kirchensänger ruft unausgesetzt: »Geniert Euch nicht, gute Leute!« und beißt dabei in eine Wurst, deren anderes Ende von Zeit zu Zeit unter seinem schweren Stiefel knackt, während er mit der zweiten Hand krampfhaft eine Branntweinflasche umarmt.

      Die ernsten Grundwirte bleiben, wie sie sich einmal gesetzt haben, an dem Tische sitzen, jeder sein Messer vor sich, das Branntweinglas macht fleißig die Runde.

      Das junge Volk hat kaum von dem göttlichen Naß gekostet, stellt es sich gleich zum Tanze.

      Herr Lesnowicz dreht sich mit der Erntekönigin im Kreise, läßt sie los und tanzt einen Augenblick allein und dreht sich schwerfällig wie eine Hummel, die in ein Glas gefallen ist. Aus der Truppe der Schnitter tritt ein junger Bursche, wirft die fettglänzenden Haare zurück, wischt sich den Mund mit dem Hemdärmel und bittet die junge Herrin zum Tanze.

      Bald stampft alles im wilden Reigen durcheinander, der Kirchensänger beißt von Zeit zu Zeit in seine Wurst und streicht dann grimmig die Baßgeige, welche unter seinen Streichen ächzt, der Cymbal weint, die Geigen schreien bald wie ausgelassene Kinder, bald wie Sterbende, die um Hilfe rufen, angstvoll, verzweifelt, halb im Wahnsinn.

      Am Tische sind sie lustig geworden. Einer reicht das Glas dem ändern, es schwankt, verschüttet, der andere empfängt es ebenso, aber alles mit hübschen Redensarten, zeremoniell.

      »Deine würdige Frau bleibe gesund, viele Jahre, viele schöne Jahre, Gott segne sie und gebe Euch ein gutes Einvernehmen und den Frieden.«

      »So sei es.«

      Dabei neigte der andere den Kopf rechts und links. »Viele Jahre, so sei es«, erwiderte er, »Gott gebe es und so auch Euch zehnfach, Bruder!«

      Dann küssen sie sich auf die rechte Wange, und dann auf die linke. Der zweite leert das Glas.

      Schon füllt es ein anderer und reicht es weiter. Segenssprüche schallen herüber, hinüber. Der spricht von der Wirtschaft, jener vom Markte, andere, wie es in der Welt steht, vom Kaiser, vom Zaren, vom Franzosen, keiner will indes die ändern belehren oder steift sich auf seine Meinung, niemand streitet, niemand zankt, und doch sind unsere Bauern hartnäckiger in ihren Ansichten als die hartnäckigsten Deutschen.

      Unter den Tanzenden entsteht eine Bewegung.

      Ein junger Mensch, dem Anzuge nach ein Bauer, der Flinte nach ein Jäger, ist unter sie getreten. Seine gute Haltung fällt auf, noch mehr sein Blick. Ich frage, der Hausherr sagt: »Es ist der Dmitro, er hilft dem Heger den Wald hüten, ein kurioser Geselle, aber redlich und treu wie ein Jagdhund. Der soll uns die Kolomijka tanzen.«

      Herr Lesnowicz begab sich zu ihm, indes sagte die junge Frau: »Der spielt die große Rolle in der Gegend, die Weiber laufen ihm nach, er hat aber seinen Kopf. Ihm hat es die Jewa angetan. Sie werden schon sehen.«

      Die Musikanten spielten die Kolomijka.

      Rasch hatten Tänzer und Tänzerinnen sich umschlingend einen Kreis gebildet. Im Kreise standen Jewa und der Waldhüter.

      Die ersten Töne schwebten einzeln, klagend in der Luft, der Waldhüter stand unbeweglich, die Arme auf der Brust verschränkt, das Haupt wie im Schmerz gesenkt, er begleitete die Melodie leise mit einem traurigen Gesang, nur von Zeit zu Zeit stieg ein Klang, ein Seufzer, ein lautes Weinen, ein Wehruf melodisch aus seiner Brust.

      Weit von ihm gegenüber stand Jewa, ruhig, das Auge fest auf ihn gerichtet, den Kopf so stolz, weit, unerreichbar.

      Leidenschaftlich schwellen die Töne der Musik zu einer wunderbaren Melodie. Plötzlich wirft er den Kopf in die Höhe und stößt einen Schrei aus, einen wilden Jagdruf, den Schrei eines Adlers, der sich auf seine Beute stürzt. Er hebt die Arme und beginnt zu tanzen, jetzt ein Kind, das spielt und trippelt, jetzt ein Gaukler, der eine Schlange bändigt, jetzt ein Raubtier, das in wilden Sprüngen sein Weibchen verfolgt. Sein Auge läßt das ihre nicht mehr los, jeder Schritt, jede Bewegung seines Leibes gilt ihr, sie beobachtet ihn mit kaltem Blute und weicht ihm aus, immer enger werden die magischen Kreise, welche er um sie zieht, jetzt ist er nah’.

      Immer wilder wird der Chor der Instrumente.

      Mit einem einzigen Satze ist er bei ihr, wirft den Arm wie eine Angel nach ihrem Halse, in demselben Augenblicke ist sie ihm aber auch im Sprunge entflohen und tanzt übermütig, höhnisch, unter lautem Gelächter des ganzen Kreises, an dem entgegengesetzten Ende desselben, den Arm herausfordernd über der Hüfte eingestemmt.

      Wieder steht der Tänzer regungslos, wieder senkt er traurig das Haupt, wieder nähert er sich Jewa, und wieder entkommt sie ihm.

      Endlich scheint er zu verzweifeln, sein Tanz wird zur Apathie eines Unglücklichen, sein Gesang ein leises Weinen, sie aber höhnt ihn mit den fröhlichen Trillern, sie wirft den Kopf in den Nacken, sie lacht und spottet, und tanzt um ihn, wie eine Mücke um das Licht. Er aber fällt zu Boden, wie ein Sterbender, schnellt im nächsten Augenblick empor, wirft die Arme wie eine Schlinge um Jewas Leib, und sie ist sein.

      Unter bacchantischem Jubel des Kreises tanzen sie jetzt zusammen, die Geigen jubeln, der Cymbal jubelt, der Tanz wird zum Hochzeitsreigen, der Gesang zum Hymenäus.

      Die ehrenwerten Grundwirte am Tische singen indes den Refrain eines heiteren Trinkliedes,