und wie ich das hübsche Mädchen da sitzen sah und so bitterlich weinen, da wurde mir leid um sie. Nun da bleib ich denn stehen und fragte sie: »Was hast du?«
Sie gab keine Antwort, zog nur wieder so an dem Dorn und schluchzte noch stärker. Jetzt merkte ich, was meinem Vogel fehle, hockte mich zu ihr nieder und sagte: »Warte, ich werde dir schon helfen.« Sie hörte zu weinen auf, ließ mir ohne weiteres ihren Fuß und blinzelte seitwärts nach mir hin. Ich hatte ihn sogleich, den Dorn, wißt ihr, und wie ich ihn herauszog, zischte sie nur ein klein wenig durch die Zähne, dann riß sie ihr Kopftuch über das Gesicht herab, sprang auf und lief davon, ohne sich zu bedanken.
Wenn sie mich nach dieser Historie nur von weitem sah, floh sie euch wie vor einem Unthiere, einem Hajdamaken. Und mir war es wieder recht, wenn ich sie irgendwo fand.
Einmal kam ich mit einer Fuhre zurück vom Markte, hatte schwer geladen und ging neben den Pferden, da stand sie hinter dem Zaune, und wie ich sie bemerkte, duckte sie schnell herab und blitzte mit ihren schwarzen Augen durch die Weidenruthen auf mich wie eine Katze.
»Warum versteckst du dich, Kasja,« rief ich, »ich thue dir nichts.« Zugleich hielt ich die Pferde an.
Das Mädchen blieb euch aber stille.
»Nun, was bildest du dir ein,« sprach ich weiter, »und läufst immer fort. Ich laufe dir nicht nach.«
Darauf kam sie wieder zum Vorschein, hielt den Arm vor die Augen und lachte, die Spitzbübin. Ach! was hatte sie für ein liebes Göschchen und diese Zähne, wie weiße Korallen!
»Ihr fahrt vom Jahrmarkt, Balaban,« sprach sie verschämt. –
»So ist es, Katharina,« erwiederte ich artig.
»Ach! könnte ich so in der Welt herumlaufen wie Ihr,« sagte sie.
»Wo würdet Ihr allenfalls hinfahren, Katharina?«
»Nun, auf den Jahrmarkt, meine ich, und alle Städte müßte ich sehen und das schwarze Meer, zuerst aber Kolomea,« entgegnete sie mir.
»Ihr wart noch nicht in Kolomea?« fragte ich.
»Niemals.«
»Niemals?«
»Ich habe noch keine Stadt gesehen,« fuhr sie fort und sah mich jetzt auch beherzt an. »Ist es wahr, daß dort zwei, drei Häuser aufeinander stehen? und die Edelleute fahren in Kästen herum? die vier Räder haben? und ein Haus gibt es voll von Soldaten?«
Ich erklärte ihr das alles und sie fragte allerhand spassiges Zeug, sie verstand es damals nicht besser. Ich mußte lachen, so ein Unsinn! Bei Gott! Sie sah mich erschrocken an und barg dann wieder schnell ihren Kopf unter dem Arm, wie ein Hühnchen. Die Sonne ging eben unter, ich sehe heute noch alles ganz deutlich, die Straße, den Zaun, das hübsche Mädchen. Der Himmel war hinter ihr wie ein ausgespanntes, brennrothes Tuch. Ich konnte nicht hinsehen, griff mit einer Hand am Wagen herum und zog mit der anderen den Peitschenstiel durch den Sand.
Den Sonntag darnach treffe ich meine Katharina – verzeiht. Ich sage meine Katharina. So eine dumme Gewohnheit. Gut, ich treffe sie, nämlich in der Kirche, bete hübsch und schaue nur von Zeit zu Zeit auf sie hin. Wie die Leute nach der Messe hinausgehen, entsteht euch ein fabelhaftes Gedränge um den Weihbrunnen, ich arbeite ordentlich mit meinen Ellnbogen, und bringe meiner hübschen Katharina das Weihwasser in der hohlen Hand. Sie schmunzelt, taucht ihre Finger ein, macht das Kreuz und besprengt mich dann, die Spitzbübin, und läuft fort.
Von nun an mußte ich immer an sie denken, gegen meinen Willen. Das war das Unglück. Ich studire euch nach, wo ich ihr begegnen kann, so daß es doch den Anschein hat, sie laufe mir zufällig in den Weg. Ach, mein Gott! so eine Liebesgeschichte wie jede andere.
Eines Tages hatte ich Robot im Herrenhofe und traf sie, wie sie aus dem Hause kam. Unser Gutsherr lag im Fenster, so im Schlafrock, versteht ihr, und rauchte seinen Tschibuk. Katharina machte sich neben mir etwas zu schaffen, ich beachtete sie nicht.
»Ich gehe jetzt, Balaban,« sagte sie nach einer Weile.
»Es ist gut, daß Ihr geht,« sprach ich so mit halber Stimme.
»Was sucht Ihr in Herrenhofe? Hier gibt es wenig Gutes für ein junges, hübsches Ding, wie Ihr seid.«
Katharina wurde roth, ich weiß nicht ob vor Zorn oder Scham.
»Was liegt Euch denn daran?« fragte sie, so beiseite.
Ich wurde euch verlegen, ganz verlegen.
»Was mir an Euch liegt?« sagte ich dann ernst. »Der Teufel hat überall sein Spiel und mir ist es leid um jede gute Menschenseele, die unserem Herrn Gott gehört.«
»Ich bin ein armes Mädchen,« sagte sie. »Wer gibt mir was? wer wird mich heirathen? und ich muß doch leben und mich freut doch auch, was andere Frauen freut. Ich möchte mir im Herrenhofe etwas schön verdienen, ein neues Kopftuch allenfalls, oder solche schöne Korallen, oder gar einen Pelz.«
»Was brauchst du Korallen,« sagte ich, »oder –«
»So gefall’ ich Niemandem,« rief sie.
»Das lügt, wer das sagt,« schrie ich hitzig.
Ich war schon ganz verliebt in das Ding, sag’ ich euch. Nun wußte ich euch, was ich zu thun hatte. Ich dachte an die alten Geschichten und Lieder, wie der Czar die Czarewna und der arme Fischer das Fischerweib zuerst gewinnt mit schönen Geschenken, und legte den Groschen zum Groschen, bis der heilige Dreikönigstag kam.
Da war ich am Abende der Erste, mich schwarz anzustreichen. Ich hatte eine rothe Altardecke vom Diak bekommen, das gab einen Mantel ab, und eine große spitze Krone aus Goldpapier. Ich war der schwarze König und ich hatte zwei gute Kameraden, den Iwan Stepnuk und den Pazorek, die waren die beiden weißen Könige, gut herausstaffirt, und mein Vetter, der Jusef, den die Blattern genommen haben, war unser Diener, ein ganzer Mohr.
Der trug euch die Geschenke. So machten wir uns denn auf den Weg, wir Weisen aus dem Morgenlande, sangen tapfer unser Lied und Pazorek trug den Stern auf einer langen Stange.
Wie wir bei Katharina eintraten, flogen die Mädchen wie eine Kette Rebhühner auf und schrieen, der Alte aber, ihr Vater, lächelte und holte den Branntwein vom Brette herab, uns schön zu bewirthen. Während die Anderen mit ihm tranken, wie es sich gebührt, nahm ich Katharina artig bei der Hand, verneigte mich und sprach: »Ich segne dich, Blume des Abendlandes. Wir Könige des Ostens, folgend dem Sterne, der uns den Weg zu unserem Heiland weist, zogen in dieses Land, wo uns deine Schönheit und Rechtschaffenheit zu Ohren kam. Wir sind in deine Hütte getreten, um uns vor dir zu neigen und dir Geschenke zu bringen.«
Dabei winkte ich dem Vetter Jusef, unserem schwarzen Diener, zog ein schönes großes rothes Kopftuch aus seiner Torba und brachte es ihr dar und zog dann drei Schnüre schöner großer rother Korallen hervor und brachte sie ihr gleichfalls dar. Ich hatte Beides für meine guten Groschen in Kolomea gekauft. Meine Katharina bückte sich vor Verlegenheit, wurde euch roth wie Blut und verbarg beide Hände zwischen ihren Knieen, aber mit den Augen verschlang sie euch gleichsam das Tuch und gar die Korallen, und ich zog sie sachte auf die Ofenbank, legte ihr meine Geschenke freundlich in den Schooß. Dann sprachen wir euch so schön. Ich sagte: »Schöne Czarewna, über’s Jahr bringe ich Euch einen schönen Pelz von Zobelfellen, oder weißen Hermelinen, wie ihr es befehlt,« und sie sagte: »Majestätischer König der Mohren! ich bin keine Czarentochter, nur ein armes Bauernkind und mir ist ein Schafpelz genug.« Darauf ich wieder: »Schön bist du wie eine Czarentochter, das ist die feste Wahrheit. Bei uns ist eine andere Welt, ein anderes Volk, eine andere Erde. Ein jeder Mann hat hundert Frauen und ein König tausend, doch weiß ich nur ein Weib, das ich möchte für mein ganzes Leben.«
Die Anderen wurden lustig, sprangen und schrieen, und Pazorek hob meine Katharina kuraschirt von der Bank und drehte sich mit ihr wie ein Kreisel, ich aber saß still und sah ihnen zu und damals begann mir das Herz so seltsam zu schmerzen. Die ganze Welt bekam ein anderes Aussehen für mich, so kurios. Wie es euch Leute gibt, die nur bei Nacht ihr Augenlicht verlieren, so war ich euch auf einmal wie blind bei hellem Tage; die Welt,