Леопольд фон Захер-Мазох

Gesammelte Werke von Sacher-Masoch


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Alles so mit dem Himmelreiche. Also gut. Anfangs Herrchen, wäre Alles so zu sagen angenehm, es fehlte nicht an spassigen Gesprächen, erzählt mir der heilige Sebastian, wie die Türken auf ihn mit gefiederten Pfeilen geschossen und ihn angenagelt haben wie eine Eule, wie er aber nicht ganz todt war und eine Wittwe ihn gerettet hat in ihr Haus und wie er dann wieder dem Heidenkaiser entgegen ging und sagte: du Hundsblut! und dann noch einmal erschlagen wurde. Dann erzählt mir der heilige Bischof Polykarp von der tüchtigen Antwort, die er einem Heiden, so einem römischen Feldmarschalllieutenant gab und wie er dann auf dem Scheiterhaufen gebraten wurde und der heilige Vincenti beschreibt mir, wie er auf den schneidenden Scherben gebettet war. Aber endlich erzählt mir der heilige Sebastian zum tausendstenmale von den Pfeilen, und der heilige Vincenti zum tausendstenmale von den schneidigen Scherben und dann – nicht schlafen können! Im Schlafe ist der Mensch doch für einige Zeit todt. Und dann kann man doch gähnen, aber der Teufel weiß, ob die reinen Geister auch gähnen können.«

      »Ihr seid munter,« sagte ich, »glaubt Ihr, daß Ihr es noch weit bringt über hundert?«

      »Ja, leider, leider,« entgegnete er. »Wenn man so hundert Jahre geschaut hat, Herrchen, wie es aussieht in diesem Leben, hat man allenfalls genug. Man möchte lange, lange schlafen und wenn es sein könnte, nicht mehr aufwachen.«

      Er versank in Gedanken und schaukelte seinen Federpolster vor sich hin. »Mit dem Himmel, Herrchen, kann das nur ein schlechter Spaß sein. Sehen Sie, dahier muß Alles was lebt, so Thier als Mensch, wie verzweifelt thun, nur um weiter zu leben und Eines mordet das Andere, und Eines lebt vom Anderen, und da drüben sollten so viel Faullenzer gefüttert werden? Wenn es ein ewiges Leben gibt, Herr, so heißt es dort wieder arbeiten, entbehren, leiden. Man sollte beten statt: Erlös uns von dem Uebel – erlös uns von dem Leben.«

      »Glaubt Ihr an kein zweites Leben?« fragte still der Capitulant; seine Stimme zitterte bei der Frage.

      »Ich sage gar nichts,« erwiederte Kolanko, indem er mit dem Finger in seiner Nase herumstocherte. »Die heilige Schrift aber ist ein Buch, das Gott selbst geschrieben hat. Der Diak wird’s doch wissen. Sagt der Diak, kommen Stellen vor, man sieht, der liebe Gott hat es damals noch selbst nicht gewußt, ob es ihm gelungen ist, die Menschenseele unsterblich zu machen. Da steht geschrieben: Es geht dem Menschen wie dem Vieh, wie dies stirbt, so stirbt er auch, und haben alle einerlei Athem, und der Mensch hat nichts mehr denn das Vieh. Nun seht Ihr, der liebe Gott wird’s doch wissen. Und dann steht geschrieben: Es fährt Alles an einen Ort, es ist Alles von Staub gemacht und wird wieder zu Staub. Wer weiß, ob der Geist des Menschen aufwärts fahre und der Athem des Viehs unterwärts unter die Erde fahre. Darum sah ich, daß nichts Besseres ist, denn daß der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit, das ist sein Theil, denn wer will ihn dahin bringen, daß er sehe, was nach ihm geschehen wird. – So steht es geschrieben, Wort für Wort.«

      »Nichts Besseres, als daß der Mensch fröhlich ist bei seiner Arbeit,« rief der Capitulant. »Seine Pflicht muß man thun. Das ist das Beste. Was will man sonst auf dieser Welt?«

      Mich beschäftigte der Alte vorläufig mehr als der Capitulant.

      »Hört, Freund,« wendete ich mich zu ihm. »Ihr habt also den Wunsch für immer zu sterben, und der Tod flößt Euch nicht die mindeste Furcht ein?«

      »Doch! doch! Herrchen,« nickte er kichernd, »ich fürchte mich ganz entsetzlich vor dem Tod.« –

      »Wie das?« –

      »So zum Beispiel; wie ich da lebe, habe ich doch eine Hoffnung, es nimmt einmal ein Ende; ist das wahr?«

      Es war mir, als blicke er mir dabei mit seinen kleinen grauen Augen bis in die Tiefe der Seele hinein.

      »Wenn aber der Tod kommt, dieser Augenblick, auf den ich mehr als hundert Jahre so schwer warte und ich lebe dann weiter… dann ist Alles aus.« Der ganze Kreis lachte.

      »Ich bitte den Herrn!« fuhr der Alte schnell fort, »sehen Sie mich an. Ich bin ja kein verzweifelter Mensch, so ein abgewirthschafteter Bauer etwa oder ein Winkelschreiber; aber das Leben ist mir verdrießlich, so recht widerwärtig; wissen Sie, das ist eine Entdeckung, die jeder bald gemacht hat, wenn er sich nur das Bischen Gefallen erweist, über sich nachzudenken. Wenn die Leute einen Selbstmörder finden, allenfalls erhängt, da wundern sie sich – »Wie mag’s dem gegangen sein?« – Wie? – es ist ihm eben nicht gegangen

      Einen Augenblick war es ganz stille, das Feuer arbeitete und der Rauch wälzte sich träge gegen das Birkenwäldchen. Der Wind hatte sich ganz gelegt.

      Der hundertjährige Mann blickte seitwärts auf den Capitulanten.

      »Da ist auch so Einer,« sprach er leise. »Nicht?«

      Dem Capitulanten war das Haupt bis auf die Brust herabgesunken, er schwieg.

      »Aber erzähl’ etwas, Balaban!«

      »Erzählt uns, Freund,« sagte ich. »Man sagt, daß Ihr gut erzählt.«

      Der Capitulant lächelte trübselig.

      »Soll ich ein Märchen erzählen?« fragte er zuvorkommend.

      »Nein, Etwas was Euch selbst begegnet ist.«

      Der Alte nickte zustimmend.

      »Ja, er weiß mehr als mancher Mann,« stieß er heiser heraus.

      Der Capitulant fuhr mit der Hand leise über die Stirne.

      »Was soll ich erzählen?« –

      Der Pappendeckelmann reckte seinen Hals gewaltig aus und blinzelte verdrießlich mit seinen winzigen Augen.

      »Was war das, was der Jude vorhin gemeint hat?« sagte er.

      »Ach, so eine Historie,« entgegnete der Capitulant leise, sein Blick versank in das Feuer, eine stille unsäglich rührende Trauer lagerte sich auf seinem Gesichte.

      »Eine Historie?« fragte Kolanko begierig.

      »Nun so eine Historie, wie viele Historien sind,« murmelte der Capitulant.

      »So,« sagte der Greis.

      »Alte Historien und nicht eben unterhaltend.«

      »Es ist eine Liebesgeschichte,« fügte der Pappendeckelmann schamhaft mit halber Stimme hinzu und blickte von unten wie furchtsam auf den verabschiedeten Soldaten.

      »Gewiß etwas ganz Kurioses!« rief Kolanko.

      »Auch nichts Kurioses,« sprach der Capitulant. »So – was alle Tage begegnet. Ich will – auch weil der Herr da – es ist besser vom ungarischen Krieg zu erzählen. Wir marschirten also –«

      »Du wirst uns doch nicht wieder von Dukla nach Kaschau marschiren lassen,« unterbrach ihn der Alte. »Jetzt wäre es das siebentemal, ich denke, da möchtest du doch etwas Anderes –«

      »Erzähle nur die Historie,« begann der Pappendeckelmann.

      »Was für eine Historie?«

      »Nun von der Katharina vom Baran drüben, von der gnädigen Frau,« sagte der Pappendeckelmann nicht eben laut, aber mit einer eigenen bitteren Art Verachtung, und zugleich loderte etwas von der Feindseligkeit unseres Bauers gegen den Adel in seinem Auge auf.

      »Habt Ihr sie gekannt?« fragte der Capitulant ohne aufzublicken. Dann schwieg er.

      Keiner wagte das Wort zu nehmen.

      »Ich habe sie gekannt.«

      Seine Stimme zitterte so traurig wie der letzte Ton unserer Volkslieder. Er hob langsam den Kopf, seine Augen standen jetzt groß, ruhig, visionär in seinem bleichen Gesichte.

      »Jetzt wird er erzählen,« flüsterte Mongol und stieß den Pappendeckelmann sanft in die Seite.

      Alle setzten sich in Positur, um ihm behaglich zuzuhören. Mrak, welcher wie eine ordentliche Wache auf-und abging, hielt inne und stützte sich auf die Sense.

      »Wie war das gleich, als ich sie das erstemal traf?« begann der Capitulant. »Richtig, es war in