Und von seinem Kopf fließt ein beständiger kalter Schweiß.
V. KRÄHFELD. Wirklich! Ah, ich bin ganz anders gesund! – Was soll denn das Nicken mit dem Kopf bedeuten?
FLIEGE. Er hat alles Gefühl verloren; man kann kaum bemerken, daß er noch athmet.
V. KRÄHFELD. Schön! schön! – O nun überleb' ich ihn gewiß! das macht mich wieder um ein Dutzend Jahre jünger.
FLIEGE. Ich wollte so eben zu Ihnen gehen.
V. KRÄHFELD. Ist sein Testament endlich fertig? Wie viel hat er mir vermacht?
FLIEGE. Nicht deswegen, gnädiger Herr.
V. KRÄHFELD. Wie? Was? Nichts?
FLIEGE. Er hat nicht sein Testament gemacht.
V. KRÄHFELD. Ah, so, so! – Was machte denn aber der Rechtsgelehrte Geyer hier?
FLIEGE. Er hatte gewittert, daß hier ein Mann wohne, der sein Testament machen wolle, drum kam er sogleich gelaufen, und schenkte ihm dabei diese Uhr.
V. KRÄHFELD. Um auch etwas von der Erbschaft zu erwischen?
FLIEGE. Ich weiß es nicht, gnädiger Herr.
V. KRÄHFELD. Ich weiß es aber. – Ich muß ihm zuvorkommen. – Sieh, Fliege, da hab' ich einen Beutel voll Dukaten mitgebracht, ob der wohl die Uhr aufwiegt?
FLIEGE. O gewiß, gnädiger Herr. Sind denn alte Leute nicht wieder wahre Kinder? Er vergißt über so ein Geschenk Krankheit und Tod, macht tausend Projekte, wie er es anlegen will, – und er wird in diesem Punkt mit jedem Tage schwächer.
V. KRÄHFELD. Er wird sich also darüber freuen?
FLIEGE. Geld ist seine Universalmedicin, diese Herzstärkung wird ihn sogleich etwas besser machen.
V. KRÄHFELD. Ja, freilich, freilich.
FLIEGE. Ich glaube aber, das wäre nicht gut.
V. KRÄHFELD. Was?
FLIEGE. Wenn er besser würde.
V. KRÄHFELD. Nein wahrhaftig nicht. – Ich möchte es darum fast wieder mitnehmen!
FLIEGE. Und warum wollten Sie sich die Mühe machen? – Wenn es hier liegt, ist es dann nicht eben so gut, als läg' es in Ihrem Hause? – denn alles hier, gnädiger Herr, ist ja so gut, wie Ihr Eigenthum.
V. KRÄHFELD. Wie? wie? lieber Fliege?
FLIEGE. Ich will es Ihnen deutlich machen. – Dies Geld soll er bekommen.
V. KRÄHFELD. Verstehe.
FLIEGE. Und sobald er nun wieder einen hellen Augenblick hat, so will ich ihn bereden, sein Testament zu machen, und ihm diesen Beutel zeigen.
V. KRÄHFELD. Gut, gut.
FLIEGE. Hören Sie mich nur weiter, es kömmt noch besser.
V. KRÄHFELD. O, mit Freuden.
FLIEGE. Ich rathe Ihnen also, jetzt gleich nach Hause zu gehn; da setzen Sie sich hin, machen Ihr Testament, und setzen den Herrn von Fuchs zum Universal-Erben ein.
V. KRÄHFELD. Wie? was? und enterbe meinen Sohn?
FLIEGE. Verstehen Sie mich doch nur recht: das ist ja alles nur ein Spaß, eine wahre Komödie.
V. KRÄHFELD. Aha!
FLIEGE. Dies Testament müssen Sie mir denn gleich schicken. – Wann ich ihm dann nun die ganze Summe von Ihren Sorgen, Ihren Nachtwachen, ihren inbrünstigen Gebeten und andern Aufmerksamkeiten in baarem Gelde vorrechne, und dann noch zu guterletzt Ihr Testament zum Vorschein bringe, – Ihr Testament, worin Sie einen braven, wohlgerathenen Sohn enterben, bloß um ihm Ihr Vermögen zuzuwenden, – kann er dann wohl so kannibalisch grausam, so felsenhart, so gewissenlos sein –
V. KRÄHFELD. Und mich nicht zum Erben einsetzen?
FLIEGE. Gewiß nicht.
V. KRÄHFELD. Diesen ganzen Streich hab' ich mir gestern schon ausgedacht.
FLIEGE. Ich glaub' es.
V. KRÄHFELD. Du glaubst es nicht?
FLIEGE. Ja, gnädiger Herr.
V. KRÄHFELD. Es ist ganz mein eigenes Projekt.
FLIEGE. Wenn er nun das gethan hat –
V. KRÄHFELD. Mich zum Erben ernannt?
FLIEGE. Sie, der Sie ihn so gewiß überleben –
V. KRÄHFELD. Natürlich.
FLIEGE. Ein so muntrer Mann –
V. KRÄHFELD. Freilich.
FLIEGE. Ja, gnädiger Herr –
V. KRÄHFELD. Auch daran hab' ich gedacht. – Wie doch dieser Mensch der Dollmetscher und Verdeutscher meiner Gedanken ist!
FLIEGE. Das Ganze ist dann nicht allein zu Ihrem Nutzen –
V. KRÄHFELD. Sondern noch mehr meines Sohnes; – wie klug ich mir das alles ausgedacht habe!
FLIEGE. Der Himmel weiß es, gnädigster Herr, wie es von je an mein eifrigstes Bestreben gewesen ist, meine Sorge, die mir vor der Zeit graue Haare gemacht hat, etwas zu Stande zu bringen –
V. KRÄHFELD. Ich verstehe Dich, lieber Fliege.
FLIEGE. Für Sie arbeit' ich hier.
V. KRÄHFELD. Ja wohl, wohl. – Ich will auch sogleich gehn.
FLIEGE, leiser. Gehn Sie zum Henker!
V. KRÄHFELD. Ich weiß, Du bist mir ergeben.
FLIEGE. Wirklich?
V. KRÄHFELD. Und unter diesen Umständen –
FLIEGE. Da Ihr Verstand eben so schwach ist, als Ihr Gehör –
V. KRÄHFELD. Will ich für Dich ein wahrer Vater sein.
FLIEGE. Ich will ein ganzer Kerl von Sohn werden.
V. KRÄHFELD. Ich bin ganz jung geworden, nicht wahr?
FLIEGE. Freilich, aber machen Sie nur schnell.
V. KRÄHFELD. Gut, gut, ich gehe schon. Er geht ab.
V. FUCHS. O ich berste, Fliege! Knöpf mir geschwind die Weste auf! – ich wäre fast vom Stuhl gefallen, – laß Dich umarmen, Fliege.
FLIEGE. Ich thue nach Ihrem Befehl; ich gebe jedem Worte, und lasse ihn damit laufen.
V. FUCHS. Es giebt kein lustiger Schauspiel, als zu sehn, wie blinde Habsucht sich selbst bestraft.
FLIEGE. Durch unsre Hülfe.
V. FUCHS. Das Alter hat diesen Narren nun fast taub, stumm und blind gemacht, die Jahre haben ihm alle Zähne ausgeschlagen, keiner seiner Sinne ist mehr brauchbar, er ist froh, daß er noch lebt, – und doch will dieser Dummkopf noch eine Erbschaft erschleichen, die er auf keine Art genießen kann, als wenn ihm mein Geld seine Jugend zurückgeben könnte! Fliege, fast sollte man glauben, es wäre ein verdienstlich Werk, diese Geschöpfe zu betrügen.
FLIEGE. Die Natur prägt sie als Narren aus; und als solche muß man sie verbrauchen. Es klopft.
V. FUCHS. Wie? Noch einer?
FLIEGE. Setzen Sie sich wieder in Ihren Stuhl. Ich kenne die Stimme, es ist Rabe, der Kaufmann.
V. FUCHS. Laß mich einmal todt sein.
FLIEGE. Wer ist da?
Er öffnet die Thür, und läßt RABE herein.
Sechster Auftritt