denn wir sind Kinder derselben Mutter; meine Schwester ist wieder sicher mit ihrem Sohne blutsverwandt, also ist ihr Sohn mein Erbe und wird, wenn ich tot bin, König von meiner Stadt (town). ›Und Euer Vater?‹ fragte ich. ›Ich weiß nicht, was das ist, mein Vater‹, antwortete er. Als ich ihm dann die Frage vorlegte: ob er denn keine Kinder habe, antwortete er, indem er sich vor Lachen an der Erde wälzte, daß bei ihnen die Männer keine Kinder hätten, sondern nur die Frauen.«
26. »Ich kann Ihnen die Versicherung geben«, schreibt unser Gewährsmann weiter, »daß selbst der Erbe des King (Königs) Bell in Kamerun dessen Neffe und nicht einer seiner Söhne ist. Die sogenannten Kinder Bells, von denen verschiedene in deutschen Städten dressiert werden, sind nur Kinder von seinen Frauen, deren Väter unbekannt sind; den einen könnte ich womöglich für mich reklamieren.«
27. H. v. Wlislocki, Bilder aus dem Leben der Siebenbürger Zigeuner. Geschichtliches, Ethnologisches, Sprache und Poesie. Hamburg 1890.
28. Tarnowsky, Die krankhaften Erscheinungen des Geschlechtssinnes. Berlin 1886.
5. Entstehung der Staatsordnung. Auflösung der Gens in Rom
Nach Aufhebung der mutterrechtlichen Gens trat die vaterrechtliche an ihre Stelle, mit wesentlich abgeschwächten Funktionen. Ihre Hauptaufgabe war Pflege der gemeinsamen religiösen Angelegenheiten und des Begräbniswesens, gegenseitige Verpflichtung zu Schutz und Hilfe; das Recht und in gewissen Fällen die Pflicht, in der Gens zu heiraten, namentlich wenn es sich um reiche Erbinnen oder Waisentöchter handelte. Auch verwaltete die Gens den noch vorhandenen gemeinsamen Besitz.
Mit dem Privateigentum und dem damit verbundenen Erbrecht entstanden weiter die Klassenunterschiede und Klassengegensätze. Es fand im Laufe der Zeit ein Zusammenschluß der Besitzenden gegen die nichts Besitzenden statt. Erstere suchten die Verwaltungsstellen in dem neuen Gemeinwesen in ihre Hände zu bekommen und sie erblich zu machen. Die notwendig gewordene Geldwirtschaft schuf früher ungekannte Verschuldungsverhältnisse. Die Kämpfe gegen Feinde nach außen und die gegensätzlichen Interessen im Innern, sowie die verschiedenartigen Interessen und Beziehungen, die Ackerbau, Handwerk und Handel untereinander hatten, machten komplizierte Rechtsregeln notwendig und erforderten Organe, die über den ordnungsmäßigen Gang der gesellschaftlichen Maschine wachten und Streitigkeiten entschieden. Dasselbe galt für die Beziehungen zwischen Herren und Sklaven, Schuldnern und Gläubigern. So war eine Macht nötig, die alle diese Verhältnisse übersah, leitete, ordnete, ausglich, schützend und strafend eingriff. Es entstand der Staat, der das notwendige Produkt der in der neuen Gesellschaftsordnung hervortretenden gegensätzlichen Interessen war. Dessen Leitung fiel naturgemäß in die Hände derer, die an seiner Begründung das lebhafteste Interesse hatten und kraft ihrer sozialen Macht den größten Einfluß besaßen, in die Hände der Besitzenden. Aristokratie des Besitzes und Demokratie standen sich also gegenüber, auch dort, wo völlige Gleichheit der politischen Rechte herrschte.
Unter den alten mutterrechtlichen Verhältnissen bestand kein geschriebenes Recht. Die Verhältnisse waren einfache und der Gebrauch war geheiligt. In der neuen, viel komplizierteren Ordnung war geschriebenes Recht eines der wichtigsten Erfordernisse, und waren besondere Organe nötig, die es handhabten. Als aber die Rechtsbeziehungen und Rechtsverhältnisse immer verwickeltere wurden, bildete sich eine besondere Klasse von Leuten, die sich das Studium der Rechtsregeln zur Aufgabe machte und schließlich auch ein spezielles Interesse gewann, sie immer mehr zu komplizieren. Es entstanden die Rechtsgelehrten, die Juristen, die durch die Bedeutung, die das geschaffene Recht für die ganze Gesellschaft hatte, zum einflußreichsten Stande wurden. Die neue bürgerliche Rechtsordnung fand im Laufe der Zeit im römischen Staat ihren klassischsten Ausdruck, daher der Einfluß, den das römische Recht bis auf die Gegenwart ausübt.
Die Staatsordnung ist also die notwendige Folge einer Gesellschaft, die auf höherer Stufe der Arbeitsteilung in eine große Zahl verschiedener Berufe gespalten ist, mit verschiedenen sich häufig entgegenstehenden und sich bekämpfenden Interessen. Daher notwendig die Unterdrückung des Schwächeren. Das erkannten auch die Nabatäer, ein Araberstamm, der nach Diodor das Gebot erließ: nicht zu säen, nicht zu pflanzen, keinen Wein zu trinken und keine Häuser zu bauen, sondern in Zelten zu wohnen, weil, wenn sie dergleichen täten, sie leicht von einer Obermacht (Staatsgewalt) gezwungen werden könnten, zu gehorchen. Auch bei den Rachebiten, den Nachkommen von Moses Schwiegervater, bestanden ähnliche Vorschriften 29. Überhaupt ist die mosaische Gesetzgebung darauf gerichtet, die Juden über eine ackerbautreibende Gesellschaft nicht hinauskommen zu lassen, weil sonst, so fürchteten ihre Gesetzgeber, ihr demokratisch-kommunistisches Gemeinwesen untergehen werde. Daher auch die Auswahl des »gelobten Landes« in einem Länderstrich, der auf der einen Seite von einem wenig zugänglichen Gebirge, dem Libanon, und auf der anderen, namentlich im Osten und Süden, von wenig fruchtbaren Gegenden und zum Teil von Wüsten begrenzt war, also die Isolierung ermöglichte. Daher auch die Fernhaltung der Juden vom Meere, das Handeln, Kolonisation und Reichtumsanhäufung begünstigt; daher ferner die strengen Gesetze über die Abschließung gegen andere Völkerschaften, die strengen Eheverbote nach außen, die Armengesetze, die Agrargesetze, das Jubeljahr, alles Einrichtungen, darauf berechnet, die Ansammlung großen Reichtums bei einzelnen zu verhindern. Die Juden sollten verhindert werden, ein staatenbildendes Volk zu werden. Deshalb blieb auch die auf der Gentilordnung beruhende Stammesorganisation bis zu ihrer gänzlichen Auflösung erhalten und wirkt zum Teil noch heute bei ihnen fort.
Bei der Gründung Roms beteiligten sich augenscheinlich lateinische Stämme, die über die mutterrechtliche Entwicklung hinaus waren. Die ihnen fehlenden Frauen raubten sie, wie schon bemerkt, aus dem Stamme der Sabiner und nannten sich nach diesen Quiriten. Noch in später Zeit wurden die römischen Bürger in der Volksversammlung mit Quiriten angeredet. Populus romanus bedeutete die freie Bevölkerung Roms überhaupt, aber populus Romanus quiritium drückte die Abstammung und die Eigenschaft als römischer Bürger aus. Die römische Gens war vaterrechtlich. Die Kinder erbten als Leibeserben; fehlten Kinder, so erbten die Verwandten in männlicher Linie, und waren diese nicht vorhanden, so fiel das Vermögen in die Gens. Durch die Heirat verlor die Frau das Erbrecht an das Vermögen ihres Vaters und an dasjenige von dessen Brüdern, sie trat aus ihrer Gens, und so konnten weder sie noch ihre Kinder von ihrem Vater oder dessen Brüdern erben. Das Erbteil ging sonst der väterlichen Gens verloren. Die Einteilung nach Gentes und Phratrien bildete in Rom noch jahrhundertelang die Grundlage der militärischen Organisation und für die Ausübung bürgerlicher Rechte. Aber mit dem Verfall der vaterrechtlichen Gentes und dem Sinken ihrer Bedeutung gestalteten sich die Verhältnisse günstiger für die römischen Frauen; später erbten sie nicht bloß, sondern es stand ihnen auch die Verwaltung ihres Vermögens zu, sie waren also weit günstiger gestellt als ihre griechischen Schwestern. Diese freiere Stellung, die sie allmählich erlangten, war für den älteren Cato, geboren 234 vor unserer Zeitrechnung, die Veranlassung, zu klagen: »Wenn jeder Hausvater nach dem Beispiel der Vorfahren sein Weib in der gehörigen Unterwürfigkeit zu erhalten strebte, so würde man öffentlich mit dem ganzen Geschlecht nicht so viel zu schaffen haben.« Und als einige Volkstribunen im Jahre 195 vor Christo den Antrag stellten, ein früher erlassenes Gesetz gegen den weiblichen Luxus an Kleidern und Geschmeide aufzuheben, donnerte er: »Wenn jeder von uns bei seiner Frau Recht und Majorität des Mannes mit Bedacht aufrechterhalten hätte, so würden wir hier weniger Schwierigkeiten mit den sämtlichen Weibern haben: jetzt wird unsere in der Häuslichkeit überwundene Freiheit auch hier auf dem Forum schon von der weiblichen Unbändigkeit zerbrochen und mit Füßen getreten, und weil wir den einzelnen nicht standhalten können, fürchten wir sie auch insgesamt.... Unsere Vorfahren wollten, daß die Frauen keine, nicht einmal eine private Angelegenheit ohne Eintreten eines Vormundes betreiben könnten, daß sie